Samstag, 29. September 2007

Review: Blood on Bullet [ 2003 ]

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Ratten und Küchenschaben überleben einen Nuklearkrieg, Menschen nicht. Dass es der Hong Kong Filmindustrie nach der Jahrtausendwende arg schlecht ging, merkt man spätestens daran, dass sogar ein Philip Ko Fei von der Bildfläche verschwand. Wenn selbst das Unkraut vergeht, sind die letzten Stunden bereits gezählt.

Genuine Auteur Ko, der als Investor, Regisseur, Action Director und Darsteller von den frühen 70ern an bis knapp 2003 alle Auf- und Abstiege mitgemacht und spätestens ab 1990 auch entscheidend bestimmt hat, war lange Zeit so etwas wie der mutige Krieger der C-Action. Er lernte erst mit Weniger, dann mit Gar nichts auszukommen, agierte Energie sparend in mehreren Funktionen, sorgte für vermehrte Nachkommen mit identischer Handschrift und profilierte sich so weiterhin als Aushängeschild des Genres. Und er konnte sich scheinbar wie die Ratte vom falsch entsorgten Müll ernähren: Immer zur Stelle, um einen nicht mehr gefragten Schauspieler vor der Arbeitslosigkeit aufzufangen, ihm ein hübsches Heim im Billiglohnland der Republik der Philippinen zu besorgen und mit mehr oder weniger attraktiven Komparserien vom lokalen Hostessenservice zu umgeben.
Gerade im rapiden Sinkflug der Filmemacher um ihn herum stieg er zur Höchstform auf, brachte es auf etwa ein halbes Dutzend Werke pro Jahr und legte so einen gebunkerten Komposthaufen für den geneigten Liebhaber an; neben zahlreichen Sexschmonzetten im Softcoreverfahren auch die ermäßigte Actionware oder deren Zwitter. Handlung Nebensache:

Shantung guy Ma Fai [ Vincent Wan ] musste aus der Heimat flüchten, weil ihm Jemand bei einer Hilfsaktion fahrlässig ins Messer gerannt ist. Nun tut er Dienst für den Gangsterboss Master Lung [ Phillip Ko ], der gleich mehrere Probleme am Haken hat. Sein Sohn Prince [ Jin Xiang Xu ] soll zwar Nachfolger werden, kann sich allerdings noch nicht so richtig durchsetzen. Ziehsohn Jimmy [ Jimmy Ko ] praktiziert heimlich mit dem verstoßenen zweiten Ziehsohn Wing, der wegen Lug und Betrug in Ungnade gefallen ist. Als Ma Fais schwangere Frau durch Wing vergewaltigt und umgebracht wird, platzt ihm und Lily, der Schwester des Opfers [ Lily Chung ] der Wollkragen.

Wobei missverständlich zum reißerischen Titel kein Kugelballett geboten wird und die wenigen, an einer Hand abzählenden Schüsse gar nur im Off verpuffen und man weder Choreographie noch Mündungsfeuer noch Einschusstreffer zu sehen bekommt; das Thema wird bewusst flach gehalten, vor allem preislich. Das nicht vorhandene Geld lieber in Schwertkämpfe bzw. deren artverwandten Kompagnons gesteckt. Sollte die traditionelle Hieb- und Stichwaffe mal nicht vorrätig sein, tun es auch Knüppel, Rohre und Buttermesser.

Ähnlich sparsam ging man mit den aufgefahrenen Darstellern, den establing shots und ganz allgemein der Produktion an sich um, verlegte den Drehtermin gleich mitten in den Urlaub der Crew und filmte am Liebsten auch während dem Abklappern der touristischen Sehenswürdigkeiten, besonders der Restaurants. Dabei sollte sich als Glücksfall erweisen, dass neuerdings Korea als Reiseziel ausgesucht und mitten im Winter gebucht wurde.
Denn auch wenn die wenigen Pluspunkte schon bei der äußeren Veröffentlichung aufhören:
Sowohl die aufgeklarte Luft als auch die kalten Temperaturen bis hin zu leichtem Frost, die weißen Schneeflächen und das allgemein zugige Klima sorgen für ein Wechsel der Gangrichtung, für ein verändertes Aussehen und den Abwechslungsreichtum der frisierten Umgebung. Durch ihre Unbekanntheit erfrischende, saubere, untervölkerte Schauplätze und die allgemein teurer, da edler wirkende Aussicht verleihen dem von Budget verschmähten Projekt zumindest zeitweise den Anschein von Erhabenheit.

Der hiesige no name Regisseur David Leung weiß immerhin darum und baut darauf, die jeweilige Szenerie auch ansprechend in der Totalen zu präsentieren. Von einem vornehmen Setting zum nächsten. Wenn sich die warm eingepackte Triadenorganisation mitten in der abgeschiedenen Einöde am Ruhepol buddhistischer Tempel zum Gebet verabreden oder einen Drogendeal vor dem kristallklaren Fluss mit der Skyline im durchfrorenen Hintergrund durchführen, erweckt dies unweigerlich mehr Anmut und Eindruck als etwaige Begegnungen im verschwitzten Hinterhof direkt vor der eigenen Haustür. Auch lässt man Hawaiihemd und Pluder- bzw Trainingshose im Schrank und kleidet sich den Witterungen im Land der Morgenstille notgedrungen angemessen. Killer und Schergen in grau oder schwarz sind doch ernstzunehmender als im sonst beliebten schreiend bunten Kakaduoutfit.

All dies ist natürlich nur eine vorübergehende Sinnestäuschung, die als Halluzinogen der Fassade nicht lange verbergen kann, dass der große Rest der übliche dreck ist. Allein das Skript schert sich einen Deut um Interesse. Auch wenn man durchaus bescheinigen muss, dass man hier und da per Zweistufenschalter mehr Tempo als gewohnt in die Szenerie bekommt, sind angefangen von den Figuren bis über die Dialoge und Szenenbeschreibungen allesamt ungenügend, elend, ja stümperhaft gehalten. Die Geschichte klaut von vorn bis hinten, legt auch gut los, kommt aber trotzdem nicht über das Vorwort mit vielen Fragezeichen hinaus und verhaspelt sich dann schnell in wertmindernden Unsinn.

Personen werden irgendwann ab der Hälfte ausgetauscht, weiterhin wild addiert, bleiben aber nur für eine Duschszene mit Frontalunterricht über und sind ebenso rasch verschwunden wie gekommen. Die Macht-Fehde wird erst emsig betrieben, dann mittendrin ausgesetzt weil man auf einmal Beweise will und keine hat und sich prompt in ein ganz anderes Land mit neuen Schurken verlagert wird. Da stellen sich Leute der Polizei, die überhaupt Nichts mit der Angelegenheit zu tun haben, sondern nur die gänzlich unbeteiligte Freundin sind und man sich kein plausibleren Grund für das Ausscheiden ausdenken mag. Der bad guy rennt ständig mit einem rosaplüschigen Grinseschwein auf dem Arm durch die Gegend. Der Held lässt Alle Gegner fortwährend laufen, spielt aber daheim trauernder Samurai im Schneidersitz. Das Tin Cup Poster im Wohnzimmer wird andauernd derart ehrwürdig in Positur gesetzt, als wär es ein Original-Picasso aus dem Louvre. [Im Schlafzimmer hängt Fair Game.]
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Donnerstag, 27. September 2007

Review: Tequila Sunrise [ 2000 ]

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Heutzutage ist der kantonesische Filmausstoß so gering, dass man die Gattung der direct-to-video Action schlichtweg vergessen hat; entweder es rentiert sich überhaupt nicht mehr und wird deswegen gar nicht produziert. Oder es verhält sich dermaßen still, dass die Fabrikation und Distribution praktisch unsichtbar und nicht über gängigen Versandhandel zu beziehen ist. Wie so oft hat auch dieses zwei Seiten: Der geneigte Liebhaber notdürftigst lumpig wirkender und möglichst unbekannter Ware fern von Kostenaspekten geht mit aktuellem Nachschub leer aus. Dafür darf er sich allerdings daran erfreuen, dass der gescholtene cast mangels anderweitiger Beschäftigung anscheinend wieder den Weg zurück auf die große Leinwand geschafft hat.

Zumindest im Fall von Mark Cheng und auch Collin Chou ist dies so; beide mussten während der Krisenzeit die Stufen hinab in den Keller des Filmgeschäfts steigen und beide durften die letzten Monate auch wieder das Licht erblicken. Cheng bereitete in Election 2 ein Achtungszeichen, spielte sich souverän durch die Hauptrolle in Gong Tau und setzte in Invisible Target ein Gegengewicht zu den aufstrebenden Jungspunden.
Chou agierte sich in Nebenrollen in amerikanischen Blockbustern oder deren Möchtegernvarianten und wurde als direkter Kombattant in Flash Point eingefügt.
Sieben Jahre zuvor war dies noch ferne, rosig umrankte Zukunft.

Tequila Sunrise, nicht zu verwechseln und auch absolut nichts zu tun mit Robert Townes schwüler KrimiLiebelei, ist eines der Werke, die knapp um die Jahrtausende gesetzt den weitgehend allgemeinen Markt bevölkerten. Für Großproduktionen war wenig Geld über und keine Risikobereitschaft vorhanden, talentierte Jungregisseure noch nicht herangereift und vom Comeback alter Hasen ebenfalls noch nichts zu sichten. Die vermeintliche Elite war nach Hollywood abgewandert bzw. kam gerade irritiert, schikaniert, verstimmt wieder von dem Erlebnis zurück; für die Daheimgebliebenen hieß es Warten, die Zeit vertreiben und die Büros in Sozialwohnungen umwandeln. Der vorliegende Film scheint seine Handlung samt Inszenierung auch exakt auf diesem Nickerchen-Motto aufzubauen und gestaltet sich über das Meiste der eh schon arg knappen Laufzeit auch als ein bisschen sehr ausgebrannt. Behaglich und erstarrt, etappenweise mit vielen eingelegten Pausen, still, stoisch und stockend bewegt man sich voran; mühsam den abgeschlafften Leib vom Start bis ins Ziel in fußläufiger Entfernung schleppend.

Eine Reise durch Thailand – Lohnfertigung in fernen Ländern und Endmontage sowie Vertrieb daheim –, wobei der peppig kolorierte Urlaubsort eine derart lethargische Anziehungskraft haben muss, dass die Strahlen des Phlegmas Jeden und Jedes in Besitz ziehen und etwaige vorhandene Kraft unweigerlich inhalieren.
Nach zwei flinken, nichtsdestotrotz äußerst dämlichen Attentaten zu Beginn ist deswegen auch schnell die Luft aus der zerlesenen Geschichte um drei Killer, die mit der Gegenwart unzufrieden in aller olympischen Ruhe ein neues Leben suchen:

Sunny [ Mark Cheng ] und Coco [ Irene Wan ] fahren mit ihrem Zögling Sam [ Dond ] nach Bangkok, um ihren alten Freund Rocky [ Collin Chou ] zu treffen und sich die Augustsonne auf den Pelz scheinen zu lassen. Während Sunny sich noch mit Drogen betäubt und Sam der Inaktivität überdrüßig mit Rockys Schergen abhängt, schnappt sich Coco den Landwirtschaftsstudenten Joe [ Chris Cheung ]. Der mit ihr die Zukunft im Gewächshaus planen möchte, aber von der tödlichen Vergangenheit nichts weiß.

Spannend ist das in seiner raubdruckerischen Praxis nicht; da hilft keine rapide Verkürzung auf lediglich 75min und auch keine anwesende Schauspielerschar, die vorher und nachher schon viel bessere Tage gesehen hat. Vor allem die Hauptakteure haben sichtlich keine Lust auf die bornierte Aberwitz-Mär vom Ausstieg aus dem Killerdasein, der von den alten Kollegen gehindert wird und verhalten sich analog zur arbeitsscheuen Aufführung ebenso bequem eingewurzelt. Cheng, der immerhin aussieht wie ein altersschwaches Drogenwrack, verlässt sich auch beizeiten auf die hoffentlich nicht im method acting erprobte Erscheinung und schleppt sich meist nur bedächtig auf dem Sofa oder gleich am Erdboden herum. Chou dagegen bereitet sich während dem Dreh sichtlich nur auf seine noch folgenden Matrix-Auftritte vor; sprich: Er trainiert seinen eh schon formidablen Körper noch weiter zur Höchstleistung und konzentriert sich bei den wenigen postulierten Textzwischenträgern allein auf seine Eisen-, Calcium- und Phosphordiät.
Anders lässt sich jedenfalls nicht erklären, warum ihm vor jedem gesprochenen Satz immer ein Teller geschnittener Pitahayas bereitgestellt wird; sowieso hat die nahrhafte Drachenfrucht mehr Präsenz in der Handlungsebene als jede andere vorkommende Figurenzeichnung.

Irgendwelche Fortschritte im Plot werden mit ominösen Hintermännern begründet oder ganz einfach aus den Fingern gesaugt. Da werden während eines Autotelefonats von außen schnell mal ganz unauffällig alle Türen mit Paketband verklebt, um die Flucht vor einer Bombe zu verhindern. Der eigentlich streng geheime Aufenthaltsort einfach dem Nächstbesten Anrufer verraten, weil man denkt, es sei der Klempner dran, der die defekte Toilette reparieren soll. Fangnetze der Beschränktheit. Verwahrlosung der Wahrnehmung. Eine leere Anwesenheit von bleierner Schwere, Desinteresse, Schneckentempo, noch zusätzlich gepeinigt von schaudervollstem Thai Rap, der in seiner jämmerlichen Grausamkeit die Ohren zum Ausbluten bringt. Die gestörte Metrik und Verflachung des Ausdrucks nur mühsam mit manchen Außenaufnahmen der ewig gleichen Bangkok-Silhouette, Ausflügen des Gärtners in die belaubte Biokultur und einigen abrupten Gewaltausbrüchen gefüllt; vor allem Letztere sind nicht ohne und pumpen in ihrer plötzlich überraschenden Drastik kurzzeitig durchaus drakonisches Leben in den sonstigen Dornröschenschlaf. Ein Waffelhörnchen im Auge und Essstäbchen durch die Wange sieht man dann doch nicht alle Tage. Wer lieber richtige Action haben möchte schaut dafür umso mehr in die habsüchtige Röhre, darf sich aber wie als Entschuldigung an so richtig sinnlosen Geschwätz und unvernünftiger Torheit in allen Bereichen erlaben.
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Dienstag, 25. September 2007

Review: The Last Duel [ 18/05/1989 ]

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Bei seinem vorherigen The Big Brother [ 1987 ] noch wegen seiner unpersönlich erscheinenden, seltsam energielos-entkräftet wirkenden Inszenierung geschmäht, legt Regisseur Tommy Fan im Nachfolgeprojekt umso williger mit fliegendem Parallelstart los. Im ergrimmten Durcheinander auf belebter Straße werden Menschen von Autos angefahren, durch Glasscheiben geschleudert und Treppen hinunter gestürzt. Ohne Rücksicht auf die unbeteiligte Umwelt. Alles im Namen des Volkes und mit dem Gesetzbuch legitimiert.

Es sind nämlich Polizisten, die dort wie die Axt im Walde agieren. Keine Ritter der Gerechtigkeit auf dem Weg der Tugend. Und auch nicht so zielsetzend wie die hasserfüllten, scheinbar skrupellosen Einzelkämpfer im amerikanischen Dirty Harry / French Connection, die mit dem Allgemeinwohl im Hintersinn die fragwürdigen Mittel dem Zweck und der Nemesis anpassen. Sondern eine wild gewordene Rabaukentruppe mit starken Korporativismus, die im Versagen der Zivilisation noch so manche Male schneller zur Waffe greifen als in der Dienstvorschrift geboten ist. Und sich zusammen mit Pistole und Ausweis sowieso zu Allem ermächtigt und berechtigt fühlen.
Fernab von to protect and to serve wird die selbstverständliche Autorität dazu benutzt, mit scheinbarer Narrenfreiheit den eigenen Instinkten nachzugehen, die Dienstvorschriften zu missachten und das law enforcement business nach Gutdünken zu manipulieren. Traumjob Polizist. Zwischen Anspruch und Wirklichkeit.

CID Inspector Ken [ Karel Wong ] verhaftet hier und da auch richtige Verbrecher, hat es aber ansonsten aus strikt persönlichen Gründen vor allem auf den Ex-Knacki Suen Man-kwong [ Alex Man ] abgesehen, der ihm schon einmal in die Quere kam und trotz offensichtlicher Unschuld und Verfahrensfehler auch bereits die Lehren ziehen musste: Ken hat ihn wegen Totschlags einer Hochschwangeren festgenommen, obwohl er diese selber bei einem Gerangel mit einem flüchtenden Autodieb lebensgefährlich verletzt hat. Nach drei Jahren Gefängnis möchte Suen ein neues Leben anfangen, mit seinem Bruder Tit Muk-chuen [ Dicky Cheung ] und dessen Freundin Tan [ Joanna Chan ] ein kleines Geschäft eröffnen und vielleicht noch bei der hübschen Nachbarin Pok Mei-li [ Rosamund Kwan ] landen. Unwissend, dass diese bereits von Ken umgarnt wird, der auch in der Angelegenheit kein Nein akzeptiert.

Ein einfaches Muster mit hohem Wiedererkennungswert und viel rhetorischem Kugelhagel:
Der disziplinlose Schutzmann setzt den Polizei- und Justizapparat für seine Zwecke ein, ermittelt so Gefahrenquellen und sorgt für deren prompte Beseitigung. Schneidet mit dem "Schuld bei Verdacht" - Motto, dem seltsamen behördeninternen Berufsethos und der vollzogenen Selbstjustiz dem nunmehr weitgehend Schutzlosen Suen den einzigen Ausweg der institutionellen Kontrollmöglichkeiten ab. Das gebrochene Vertrauen in die Exekutive wirft den Bürger entrechtet und ohnmächtig auf die Straße zurück, auf der er sich selber mit allen Mitteln wehren muss, um nicht unter die Räder zu kommen.

Auf der einen Seite die harmlose Gesellschaft, die eigentlich nur ihr Leben im beengten, besitzlosen, aber trotzdem trauten Heim und mit ehrlicher Arbeit verbringen möchte, das Geld für die Zukunft in einem Sparschwein sammelt und sich bis dahin mehr schlecht als recht, aber immer mit moralischem Anspruch durch die Gegenwart schlägt.
Auf der anderen der institutionalisierte Ombud, der Beauftragte zur Wahrung staatlicher Interessen, der sich mit seinen ebenso frevlerischen Kollegen im Hauptquartier als Vereinigung von Personen eines Berufes und einer Gesinnung trifft und sein Sold bevorzugt damit verdient, jenseits von Liberalismus und Sozialismus unliebsame Konkurrenten zu schikanieren. Deutlich faschistische Züge trägt und Werte wie den Sinn für Ordnung und den Respekt vor Hierarchien zum eigenen Gunsten verdreht.
In der Mitte, weitgehend zweck- und hilflos, der brave Polizist Inspector Lee [ Tommy Wong ], der trotz gleichem Rang nichts zu sagen und schon gar nichts zu bewegen hat, weil er der Domäne der blauen Mauer des Schweigens als Subjektivist und damit Verfemter außen vorsteht.

Unterstützt von einem aufbrausend offensivem Schnittrhythmus, angriffslustigen Dialogen, cholerischen Einstellungen und abseits von explorativen Expertengesprächen und Sekundäranalysen wendet man sich besonders an das Ehr- und Unrechtsgefühl des Zuschauers. Die Diskrepanz zwischen missachtender Eigenmächtigkeit und rechtmäßiger Legitimität wird bereits vor Titel und credits derartig extrem angesprochen, dass man sich bis zur nächsten Steigerung eine ganze Weile Zeit lassen kann. Der Aufbau gleicht einer Kampfbereitschaft demonstrierenden Frontenbewegung. Eine intensiv / defensiv / aggressiv Struktur, die fern von Spiel und Spaß auch nur begrenzt Action und Gewaltausbrüche braucht, um das Gefühl von Bedrohung und Gefahr heraufzubeschwören. Höhepunkte sind mit Absicht sparsam ge- und mit einer aufsteigenden Spannungslinie, kontrastierender Spielphasen und intensivierter Reflexion ersetzt. Mehrere Male sieht man das Unheil von Faustrecht und Willkür bereits kommen, scheut die Konsequenzen, die Quelle des Chaos, möchte warnen und wird dann trotzdem unerbittlich mit den Folgen provoziert: Die finale Konfrontation als folgerichtige Eruption der aufgestauten Unannehmlichkeiten, ein erbitterter Kampf um die Rückerlangung freiheitlicher Grundrechte, mit tödlichen Feuersbrünsten, schmerzhaften Autostunts und alles klärenden Schießereien.

Natürlich wird dies offenkundig polemisch und in aller trivialen Brachialität behandelt, nicht im unterschwelligen Zwischen-den-Zeilen-Schreiben und auch nicht mit anklagenden oder aufklärenden Absichten im Hintergrund. Sondern mit kontrastreichem Akzentmuster über dem Grundpuls. Großspurig und indiskret, geistlos, ein wenig ungalant, aber nicht ungelenk. Mit genug plakativen Klischees und pathetischen Überhöhungen, um auch den letzten Zweifelnden von dem Heraufbeschwören gefährlicher Feindbilder zu überrumpeln. Ohne Schönfärbung und Glättung, mit starkem Beharren auf der umgekehrten Gut - Böse - Pattsituation und der strikten Trennung zwischen beiden Mächten; die jeweils wenig Figurenzeichnung und auch keine ausführliche programmatische, soziologische und politische Charakteristika abbekommen, sondern einfach im Kontext funktionieren müssen. Ein publikumsbezogenes Vorderbühnenspiel gewisser Stereotypen.
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Donnerstag, 20. September 2007

Review: The Good, the Bad and the Bandit [ 14/11/1991 ]

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Der erste und gleichzeitig auch der letzte Film von Regisseur Lam Ji-Yan, der auch nicht über weitere credits in vielleicht anderen Tätigkeiten verfügt und sich hiermit auch nicht wirklich das Recht erarbeitet hat, eine Karriere im Filmgeschäft fortzuführen. Die alleinige Schuld mag ihn nicht treffen, aber als Hauptbuhmann für sein doch eher maues Handwerk muss er trotzdem herhalten. The Good, the Bad and the Bandit ist leider ein weitgehend appetitloses Tretmühlen-Produkt der damaligen Überfluss- und Überdrußgesellschaft und verhält sich trotz frischem Wind hinter Mikrofon und Kamera auch genauso verwerflich verunstaltet.

Das beginnt als schlechtes Omen bereits bei der schummrigen Einführung, die doch tatsächlich mit einem misslungenen Drogendeal auf einem Schrottplatz beginnt und dann nur seelenruhig die weiteren Normmaß-Stationen derlei einfallslos gehaltener C - Klopper abschreitet. Erst die Bösen, dann die Guten, ein wenig Mischpoke und zuletzt der Showdown. Neues im Bereich des kommerziellen Schunds ebenso wie hohes künstlerisches oder publizistisches Niveau erwartet man durch die Serienfabrikation sicherlich nicht, aber das Wie als zentrales Marketinginstrument sollte schon stimmen, wenn man sich von dem Rest der genauso aussehenden Masse des genügsam-Brauchbaren absetzen möchte. Lam hat dabei mitsamt seiner Besetzung alle leicht auszuschlachtenden Zutaten, macht das Nützliche aber zur Nebensache, möchte viel zu viel ohne es annähernd zu beherrschen und betreibt statt einer Konzentration auf Aufregung, Tempo und Tension lieber indolente Informationsüberlastung.
Optisch dazu noch so extrem schäbig, als wenn man location scout, Ausleuchter und Standfotographen bei Nacht durch die Kloake gepeitscht hätte:

Undercover-Cop Lau Chia Tin [ Ray Lui ] hat sich zur rechten Hand von Gangsterboss Li Yun Tai [ Wong Yung ] empor-, dessen Vertrauen erarbeitet und bekommt sogar seine Hauptfrau Maggie [ Tien Niu ] als Bettdame angeboten. Unvorsichtig geworden lässt er sich bei der Spionage in der Buchhaltung erwischen und wird prompt von Killern aufgelauert, die er zwar abwehren kann, dabei aber eine vorübergehende Amnesie erleidet. Nur mühsam genesend sieht er sich von ihm unbekannten Menschen behelligt, darunter auch den Kleinkriminellen Chin [ Simon Yam ], der sich ebenfalls von anderem Gesindel bedroht ist und deswegen überlegt, ob er sich mit dem ahnungslos gesuchten Lau nicht frei kaufen soll.

Wäre dies schon das alleinige Problem könnte man ja vielleicht einen Zwiespalt zwischen Freundschaft und Geld, Loyalität und Materialismus und Gewinn vereinbart mit Gewissen aus dem Stoff entwickeln. Und sich so mitsamt der Relativierung der Moral vermehrt an den Grundzügen des allgemeinen Heroic Bloodshed Genres entlanghangeln, wobei man verwandte Strömungen der Polizei- und Kriminalthematik miteinfliessen lässt. Tatsächlich wird diese Problematik der durchkreuzten Entschlüsse, dem Zwang unvorhergesehener Ereignisse und dem entsprechenden Widerspruch zu den ursprünglichen Absichten für einige Einstellungen angerissen, verbleibt allerdings bei diesem losen Entwurf und hält wie so vieles Anderes im Skript nur als ungeschicktes Fragment her.
Zwischendurch bekommt man durch eine unverhältnismäßige Vielzahl an Figuren, Konstellationen und Szenerien eher den Eindruck, dass man insgeheim ein gesamt überblickendes Porträt des alltäglichen Kampf ums Überleben in den Mittelpunkt stellen und anhand diverser sich überschneidender Einzelschicksale analysieren wollte. So aufgepumpt die Gruppierungen, kompliziert die Begleitumstände und stetig wiederholend die Begebenheiten auch sind, so wenig wird eine Aussage dahinter deutlich. Letztlich bekommt man durch die verpflichtende Schwarzweisskonvention nur sich repetierende Déjà-vus geboten, die wie wahllos addiert den Blick aufs Wesentliche verbergen und die Handlung mindestens 20min länger als nötig gestalten.

Schon der phantasielose Gimmick mit dem zeitweiligen organischen Hirnschaden und einem mysteriösen Mikrofilm sind nutzlose Bremsen im dramaturgischen Geflecht. Die anfängliche Erregung komplett in Abwechslungslosigkeit, Dumpfheit und Einerlei umwandelnd und es dem Betrachter nicht leicht machend, dieser außengeleiteten Überlebensorientierung bar philosophischer Gedanken oder wenigstens halbherziger Nächstenliebe zu folgen. Da fehlt nicht nur jegliche Chemie zwischen den doch so zahlreichen Personen und die gemeinsamem Wissensebenen, sondern auch die Neugier hinter all den Dialogen, das Interesse auf Fortgang und Entwicklung; eher bleibt nach einigen missgestaltenen Charakterisierungen ein Gefühl von Erschöpfung und Widerwille zurück. Als wäre man in die Dimension der Ewigkeit verloren. Die Welt von beharrlich lästigem Chaos, gleichgültigen Vertröstungen, pedantischen Vertagungen und flau abgestandenem Phlegmata statt einem selbstmörderischen Ordnungsprinzip mit unzweideutiger Hierarchie bestimmt.

Seltsam erwischen tut es Simon Yam, der hierbei zwar löblicherweise in eine andere, erfrischende Maskerade als üblich schlüpfen darf und eher einen niederen Luftikus spielt, der nichts zu sagen und nur als Spielball widerstreitender Mächte her zuhalten hat. In dieser Kostümierung aber nicht überzeugend aufgehen kann und in seiner immer während passiven Demütigung und dem unkreativen Stehaufmännchen-Martyrium nahezu als Metapher für den aufwallenden Frust des Filmes herhalten muss.

Da macht es nicht besser, dass Kompagnon Ray Lui mit der Darstellung von sowohl einem handfesten Prügeltypen als auch dem zwischenzeitlichen Alzheimer schlichtweg überfordert ist. Das Beinchen heben und die Arme gegen wilde Horden Angreifer schwingen gelingt ihm mit etwas Abstrichen und dem Hinweis auf mangelnde Ausbildung und bescheidenem Trainingsfleiß vielleicht noch. Aber es reicht sicherlich nicht dafür aus, ihn wie weiland Jackie Chan auf einem Kinderspielplatz, Yuen Biao in ein Parkdeck oder Frankie Chan vor eine Kirmesbude zu positionieren und die entsprechenden Police Story 2 / Righting Wrongs / Burning Ambition nachahmen zu wollen. Warum dann überhaupt die Aufmerksamkeit ausgerechnet auf etwas ungelenken fistfights in immerhin formschönen Trainingsanzügen liegt, vermag wohl nur der Finanzvorsteher der ausführenden Hatract Films zu erklären; ein wenig Gerangel und Gebolze ist sicherlich preiswerter als aufwendiges Bleigewitter. Dafür wurde auch sprechen, dass man sicher wieder einmal an den ästhetisch unvorteilhaftesten Arealen befriedigt und neben der lokalen Karaokebar, den miefigen Nachtclubs, leer gewirtschafteten Warenhäusern und Einraumwohnungen auch bevorzugt die Kiesgrube als auch den anliegenden Steinbruch heimsucht. [ Nicht ohne im Letzteren für die hochgestochene Triadensociety noch zwei Gartenstühle, ein Plastiktisch und knallbunten Sonnenschirm zu positionieren.]
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Mittwoch, 19. September 2007

Review: The Plot [ 11/05/1991 ]

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Nur bei einem sehr genauen Blick in den Actiongülletopf, ganz unten am Sediment zu entdeckendes Kleinod, dass sich seit seiner eigentlichen Herstellung vor 16 Jahren aus Angst oder Scham vor breiteren Zuschauermassen hinter viel Unrat versteckt haben muss. Trotz einiger bekannter Namen im cast ohne einen wahren Ruf ausgestattet und zudem nur auf einem Medium verbreitet, von dem a ) Tausend wohlklingendere Vertreter existieren und b ) dessen bescheidene Bildqualität nicht gerade zu den Vorlieben des visuell verzärtelten Cineasten gehört. Die VCD, nur im Schnell- und Billigkonsumkontinent Asien wirkliche Verbreitung findend und dort sogar noch der DVD bevorzugt, wirft die Optik wie ein schlechtes Tape mit Klötzchen vom Beamer an die Wand, ist allerdings mit einem Preis von vielleicht 3,60€ auch konkurrenzfrei nicht zu schlagen.

Der hiesige Sensationsfilm im Konzept einer Multivisionsschau hätte eine edlere Aufmachung sicherlich verdient, braucht sie aber nicht und erwirkt gerade durch die verblassten Farben, die unscharfe Konturierung und die kompensierte Abtastung sein natürliches Flair. Man kann sich weder vorstellen, wie dies im remastered ausgeschmückten Hochglanz fungieren soll noch dass die Herstellung der D&B Films Co. Produktion viel teurer war als die seines Kommunikationsmittels.
Dafür steckte man jeglich vorhandenes Budgetvolumen genau dahin, wo es das abgenutzte Genre der B- bis C-Action verlangt: In die entsprechend substantiellen Schießereien, die hereinbrechenden Fights und das explosiv zündelnde Drumherum, wobei dies originäre Trümmerfeld noch durch ein paar bedauernswerte Seiten Skript voller Sinnlosigkeit und Stupidität als Erfüllungsgehilfe verbunden wurde:

Waffenhändler Wang Kwanty-san [ Simon Yam ] beseitigt bei einem Deal erst die arabischen Verkäufer und dann noch seinen Boss Chiu [ Kenneth Tsang ] gleich mit. An der Spitze der Macht kann ihn jetzt noch dessen Tochter Amy [ Wan Yin Hung ] sowie sein Partner Chen Nan-eh [ Shaw Venom Sun Ching ] gefährlich werden, der gerade ahnungslos von dem Betrug am Dienstherren aus dem Gefängnis kommt. Chen muss sich schnell unliebsamen Angreifern aus dem Nichts erwehren, findet aber noch Zeit, sich um die Schwester Lily [ Emily Chu ] des Zellenkumpels Min Fei [ Alex Fong ] zu kümmern. Was er nicht weiß: Lily und Min Fei sind Polizisten.

Als Zuschauer weiß man Alles, kann und muss wohl auch etwaige Wendungen bis ins Gröbste vorhersehen und darf sich so alsbald darüber freuen, hier ausnahmsweise mal ein Glückstreffer gemacht zu haben. Das Tempo, ab den ersten Minuten wie beim Sprintwettbewerb auf Hochdruck zirkulierend, verliert sich erfreulicherweise auch nicht nach den diversen Openern und verlagert sich vielmehr auf die Aufbrechung der Erzählsprache in verschiedene härtere Tonfälle. Ein Schichtgestein von physischen Auseinandersetzungen am laufenden Band als einziges Residuum; mit einer anrüchigen open fire Struktur, die erst handelt und sich dann prompt in die Konsequenz stürzt. Faustgroße Logiklöcher werden nicht mit dürftigen Ausreden ausgebessert, sondern schlichtweg nicht beachtet. Die zuweilen inhumane Idiotie einfach mit der nächsten grobschlächtigen Angriffs-Verteidigungscollage gefüllt. Da mag es schon vorkommen, dass schwer verletzte Mitwisser tagelang durchs Unterholz stolpern, und sich erst Bleikugeln, einen zu laut bellenden Schäferhund, eine abgeschlagene Hand und einen Autounfall einheimsen müssen, bevor sie ihr gehütetes Geheimnis preisgeben können. Wieder andere halten gar nur für eine sehr unerotische, fast schon abstoßend inszenierte Sexszene aus dem heiterem Himmel her und dürfen dann noch rasch eine Warnung an ihren Liebhaber aussprechen, bevor auch sie das Leben aushauchen.

Dergestalt mit dem Bodensatz von Motiven und Charakterisierung ausgestattet und so befreit von ausschweifenden Dialogen, verstandesbetontem Szenenaufbau und anderen narrativen Bedenkenträgern kann man sich ganz unbesorgt in den schäbigsten Gegenden wie abgestorbenen Felsküsten, zerbombten Fischerdörfern, staubigen Gebäuderuinen und herrlich abgewirtschafteten Schiffsfriedhöfen bekriegen. Besonders das Setting ist dabei ein Willkommen an den Liebhaber derartig räudiger, heruntergekommener, verschmutzt-scheppernder Reißer; neben der architektonischen Zerstörung geben sich auch Schnitt und Darsteller alle Mühe, nicht durch zu viel Achtung auf der wohl gefeiten Erscheinung aufzufallen. Da man scheinbar auf Frisör und Makeup Artist beim Dreh verzichten musste, laufen sämtliche Figuren wie vorübergehend aus dem Bett gefallen durch die vierschrötige Szenerie; ein Merkmal, was auch die mittlerweile in die A-Kategorie aufgestiegenen Yam und Fong betrifft, die hier nur wie das müde, schlecht ondulierte Abbild ihres Jetzt erscheinen. Dabei sind sie noch die Ansehnlichsten in der Besetzung, wobei neben dem emsig präsenten Sun Chien und dem fast nur als Photo auftretenden Kenneth Tsang alle weiteren Akteure auch vermehrt unbekannt erscheinen und sich eher als hässliches no name Kanonenfutter im Durcheinander der Räuberpistole präsentieren.

Der Bodycount verhält sich entsprechend hochgestuft; kein Wunder, wenn selbst die Polizei nur auf konstanten Artilleriebeschuss aus allen Rohren setzt und sich nicht wirklich um etwaige Haft- oder Durchsuchungsbefehle oder andere zivilisierte Kleinigkeiten sorgt. Auch die Möglichkeit einer Deckung vernachlässigt und höchstens mal wahllos herumstehende Gasflaschen als sinnigen Schutz erwägt. Beständiges Trommelfeuer ohne erkennbare Choreographie, ebenso kantig gehandhabte, archaische, muskulär gesegnete Tritt- und Schlagkombinationen, Stürze gegen Laternenmasten, Postkästen, aus fahrenden Bussen, mit dem Gesicht voran in Fensterscheiben, den steinigen Abhang hinab. Der Schnittrhythmus dieses Partisanenkrieges gekennzeichnet durch das Fehlen von Anschlüssen, dem mangelnden Augenmerk auf die Nuancen von Mimik und Gestik, dem in seiner Schludrigkeit ausbaufähigen Timing und der ausbleibenden Akzentuierung. Da liegt es einzig an der Kamera, zwar nicht die intellektuell oder emotional, aber sensuell interessantesten Momente des Stunt-Sammelsuriums einzufangen: Eine schroffe Unmittelbarkeit der Betrachtung, die den Reiz der Destruktionen, die Ballung der Extreme und die strikte Kampflinie durch die Simplizität noch verstärkt statt sie in der Montage zu verstellen.
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Review: The Big Brother [ 01/10/1987 ]

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Von der Besetzung, dem Zeitrahmen, dem Titel und allgemein dem äußeren Anschein nach sieht es wie ein weiterer der damals in Myriaden auf den sicheren Absatzmarkt geworfenen Heroic Bloodshed Werke aus. Nach A Better Tomorrow, der auch dem hiesigen Filmemacher Tommy Faan und seinem Co-Writer Tony Leung Hung-wah unzweideutig ein Begriff ist, erschienen reihenweise die Inspirationen, Modifikationen oder Plagiate; nach einem beizeitigen Sättigungspunkt greift der geneigte Zuschauer heutzutage schon wieder sehr gerne zu einem der damaligen Vertreter. Mit The Big Brother wird er allerdings einen Fehlkauf machen, wenn er fälschlicherweise seine Berechnung allein auf diesen Zweck des Sehvergnügens ausrichtet und nur auf die impulsive Befriedigung der Zuversicht getrimmt ist.

Statt einem Shootout-Spektakel unter Triadengangstern bekommt man das Apogäum: Eine Slapstick - Komödie über den Sklavenhändler Richard Kar Ho-tsuen [ Simon Yam ], der seine Mädchen wie Randy [ Emily Chu ] erst auf massiven Junggesellenparties verschenkt, sie dann zurück entführt und so lange im Verlies hält, bis er sie in den Mittleren Osten verschifft.
Mit einem Cop namens Willie [ Miu Kiu Wai ], der als Pantoffelheld geboren wurde und mehr Angst vor seiner eigenen Frau hat, die ihm zudem noch ohne Skrupel Hörner aufsetzt. Und dem Drehbuchautoren Stephen See [ Alex Man ], der sich den Kato - Verschnitt Ah Wai [ Jimmy Au ] als Diener hält und wie weiland in Inspektor Clouseau - Ein Schuß im Dunkeln auch von diesem auflauern und angreifen lässt.

Vor allem diese deklarative Mixtur, anfangs noch uneinnehmbar wie eine Matroschka in mehreren Ausführungen, verhilft der eher missachteten Golden Harvest Produktion dann auch zu seinem spendablen Unterhaltungswert; auch wenn man mit diesem Ausflug zuweilen schon arg an die Grenzen der harmlosen Belustigung gelangt. Zu Beginn in alle möglichen Richtungen pendelnd und mit mehreren etwaigen Prämissen und Modalitäten ausstaffiert, die niemals den eigentlichen Inhalt der Handlung durch den Anfang der Handlung selbst anzukündigen versuchen, spielt man in geschickter Weise mit den Mutmaßungen und Vorstellungen des Zuschauers.
Lange kann man sich überhaupt nicht sicher sein, worum es nun eigentlich geht und was die lose Szenenreihung mit viel Aufweichung, Ausschweifung und beständiger Erneuerung letztlich mal bezwecken soll. Ein dubioses, paradoxes, wildfremdes Blendwerk, dass moralische Prinzipien längst über Bord geworfen hat, auch wenn es am Ende die Liebe und die Ehe gleich mit hochhält.

Ohne Hand und Fuss, ohne Sinn und Verstand, ohne Rücksicht auf die äußerlichen Umstände rollt sich die erste halbe Stunde über die Leinwand aus, so unbekümmert und ungebunden, dass jegliche Bedenken angesichts der Holprigkeiten wachsweich dahinschmelzen. Objektives Nachvollziehen war seit jeher nicht die Stärke der kantonesischen Kinematographie gewesen. Der beizeiten getrübte Erwartungshorizont wird durch materiellen Extremismus und auf exzentrische Art modulüberschreitende Behandlung stetig weiter verschoben, um erst irgendwann kurz vor Ende nachhaltig aufzuklaren. Zu einem Zeitpunkt, indem man mindestens drei verschiedene Filme gesichtet hat, sich aber durch diese geringfügigen Verstimmungen nicht von dem erforschenden Streifzug durch die Genres hat stören lassen. Die Harmonie des Ganzen, der programmatische Zusammenhang, sogar das Konsonanzempfinden bleiben noch zusätzlich zum stechenden Reisefieber dieser Wanderschaft erhalten. Alles eine Frage der Gewöhnung an plötzliche abwechselnde Affekte und Übergänge in andere Töne.

Aufgefüllt wird die inhaltliche Leere des screwball-plots mit viel Allotria, was sich dehnbar um jedwede Unreinheiten und Fremdkörper anschmiegt und sein Heil in der Flucht in die Absurdität des Schabernacks sucht. Simple, aber trotzdem zündende Witze um die Schwierigkeiten, eine Tür zu öffnen, den falschen Dresscode, Sprachübungen und Leseschwächen, unverblümter sexuelle Pikantere, Schlüpfrigkeit und geschmackloser Obszönität, Verwechslungen, Fehldeutungen, Missverständnisse, Irrtümer, die obligaten Parodien. Sowie eine turbulente Abendgesellschaft feierlustiger Singlemänner, die sich mit Wein, Weib und Gesang vergnügen und einmal von der Etikette losgelöst analog zum Film wie kleine Kinder durch den Raum tollen, um gleichwohl die nötige Abwechslung und höchste Lebhaftigkeit empfinden zu lassen und sich und andere zur Fröhlichkeit zu ermuntern.

Rapide um jeglichen Verdacht und Vermutung herum geschrieben, ist allerdings nur eine Sache. Gut inszeniert, möglicherweise noch mitreißend trotz der Inkompatibilitäten und offensichtlichen Fehlanreizen die andere; vor allem dann, wenn dieses Merkmal brach fällt und sich vielmehr als recht unergiebige, trockene, denaturierte, wenig um Disziplin und Klarheit der Darstellung bemühte Aufführung charakterisieren lässt. Denn spätestens wenn der Schleier der tarnenden Verhüllung ab ist, ist auch gleich der Lack von der Oberfläche gesplittert. Der Placebo-Effekt wird deutlich. Wirksam ohne Wirkstoff, aber nur solange, wie man über die Wahrheit im Unklaren gehalten wird. Die Spannung ergibt sich schlichtweg nur aus dem nächsten Effekt, der erneuten Fragestellung, was eigentlich vor sich geht, wer was warum macht, wohin dies alles führen soll.

Doch einmal enthüllt auf die letztlich bloß konventionelle Dramaturgie von Gut gegen Böse kommen die bisher verborgenen Regie- und Schauspielschwächen umso transparenter zum Vorschein. Wenn man endlich zum Kern der Sache vorstürmt, wandelt man sich vom Triumph zur Stagnation, vom Profit zum Verlust. Auffallende Konsequenzen dieser Entflechtungsaktion sind, dass sämtliche maskuline Rollen nur dem Namen nach von Herrschaften des starken Geschlechts verkörpert werden und eigentlich alle Anwesenden weniger die Hosen anhaben, als ziemliche Waschlappen darstellen. Der Schreiberling stilecht mit Brille kostümiert sowieso, aber der Cop unter der Fuchtel seiner Mamsel auch und der Diener / Leibwächter noch dazu. Sogar bad guy Simon Yam hat mehr mit seiner überfordernden Haartolle und dem viel zu großen Sakko zu kämpfen als das er echte Bedrohung entströmen kann; seine henchmen Ma Chao und Robin Shou halten auch eher als Witzfiguren statt als virulente Gegner her. Ein Manko, dass sich unweigerlich auch auf die eher raren Actionszenen auswirkt und deswegen selbst im Final-Drittel keine autarke Eigendynamik entwickeln kann, um das Erlahmen der Aufmerksamkeit und das Gefühl der Abmattung zu verhindern. Zu leichthin und liederlich die kurzen Martial Arts Anwandlungen, trotz manch gescheiter Stuntfertigung zu wenig Druck und Drang, mehr Hektik als Dominanz.
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Donnerstag, 13. September 2007

Review: The Matrimony [ 17/05/2007 ]

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Eine kleine, letztlich fast banale Geschichte, mit überschaubarer Personenkonstellation, eingeschränkter Landschafts- und Architektureinheit und wenig Interaktion mit der Außenwelt. Mit Verständnis für die poetische Phantasie, zuweilen visuell unerschöpflicher Dichtkunst, romantischer Verklärung. Und einer empfindsamen, ein wenig steifen Gangart, die selbst die Veränderung des Ausdrucks nur wie beiläufig festhält, obwohl man auf präzise Bilder nicht verzichtet.

Regisseur Teng Hua-Tao erzählt nach druckvollem Beginn von den Grübeleien über das Leben, die Liebe und den Tod, die zeitlose Ewigkeit, über das Für Immer, dass ausnahmsweise tatsächlich das gelten soll, was es in der Bedeutung beinhaltet. Über Gefühle, die keine gewisse, sondern eine unbestimmte Zeitspanne anhalten, fortwährend, immer während gelten. Über abgestorbene Leidenschaft, verblühte Freude, unbedingter Besitzwillen, Eifersucht, Neid, Missgunst, Rivalität.
Über eine als Schrein empor gehobene Vergangenheit, die jegliches Empfinden in der Gegenwart blockiert. Über Egoismus, der das Glück des Menschen verhindert, den man eigentlich für am Wichtigsten bezeichnet. Und über Ereignisse, die immateriell, jenseitig, metaphysisch, spirituell, transzendent sind. Eine Verführung aus dem Reich der Toten. Eine Wiederbelebung erloschener Emotionen durch die Reinkarnation.

Shanghai in den 30ern des letzten Jahrhunderts.
Filmemacher Shen Junchu [ Leon Lai ] verliert kurz vor der Hochzeit seine Verlobte Manli [ Fan Bingbing ], eine Radiomoderatorin mit eigener Sendung, bei einem verhängnisvollen Autounfall. Ein Jahr danach ist er zwar mit der Schneiderin Sansan [ Rene Liu ] neu verheiratet, aber nur auf Druck seiner Mutter [ Zheng Yuzhi ], die ihm zudem vorgeschwindelt hat, dass sie schwer krank sei und eine Schwiegertochter ihr größter Wunsch wäre. Doch Junchu liebt nur Manli und hat keine Augen für Sansan, die während seiner häufigen Abwesenheit allerdings eine ganz andere Entdeckung macht.

Eine große Ruhe, Kälte, Apathie, die ohne Sprache funktioniert und statt einer gemütlichen Beschaulichkeit eher einen unsteten Dämmerschlaf bereithält, der bei Anwesenheit von Junchu noch an Teilnahmslosigkeit gewinnt. Sansan ist verliebt in ihn, nicht nur seit diesem Jahr, sondern schon viel länger. Er kann sich an den ersten Treff gar nicht erinnern, obwohl er ihr gegenüber da überdies noch viel aufmerksamer und zuvorkommender war als jetzt in der Beziehung. Das Mysterium einer Zusammenkunft in einer unglücklichen Bewegungslosigkeit fern von anderen Einflüssen macht den zaghaften Teil des Filmes aus. Umkreist von objektivem Prolog und Epilog, eingerahmt von einem Vorspann, der bereits die ersten Schocks andeutet und einem Einstieg, der gleich mehrere in rascher Folge bereithält. Ergänzt mit hochviskosen Rückblenden, die konzeptionell das Wissen des Betrachters erweitern.

Ob er stärker als das Schicksal sei, wurde Junchu mehrmals von Manli gefragt. Mittlerweile nimmt sie es selber in die Hand. Möchte ihre Zuneigung unsterblich machen. Auch über ihre Tragödie hinaus lässt sie nicht von ihrem versprochenen Mann ab und begleitet ihn auf Schritt und Tritt, ohne registriert oder ihm gar nah sein zu können. Will sie ihn berühren, schadet das seiner Gesundheit sogar; jegliche Verbindung zwischen den Beiden ist entweder einseitig oder gleich ganz schädlich. Die Erinnerung an einstmals bessere Zeiten geht für Junchu einher mit dem Konservieren von Stimme und Bildern seiner Verflossenen; auch besitzt er einen Rückzugsort, den er nur mit ihren Möbeln ausgestattet hat und zu dem er keinem Anderen Zutritt erlaubt.
Er hat sich seelisch und geographisch von der Gesellschaft abgeschottet: Während er vorher durch Shanghai flankierte und bei der Ausübung seines Berufes tagtäglich neue Menschen kennen lernte, verbringt er seine Freizeit nunmehr als passiver Zuschauer im Kino. Die Wohnstätte selber wurde in ein riesiges Anwesen abgelegen in einem Wald mit angrenzendem See verlegt. Als Einrichtung viel zu groß für drei Personen, wobei er Sansan und ihre Tante Rong Ma [ Xu Songzi ] eh die meiste Zeit allein lässt.

Die Unsicherheit in diesem riesigen, dunklen, rustikalen Haus, das Knarren der Massivholzpaneele, die verschlossenen Türen, die unsichtbaren Stimmen und die Geräusche der unter dem Dachboden einlogierenden Fledermäuse machen in der Nutzung dieser Standardversatzstücke die idealtypische Atmosphäre aus. Eine Zwischenzone mit konkreter Absonderlichkeit, allgemeiner Gleichnishaftigkeit und lancierter Einbildungskraft, die keine Sogwirkung oder eine befremdende Zweideutigkeit einbringen, aber zumindest die Phantasie anregen und vor allem auch das Auge erfreuen kann. Mirakulös statt schmerzlich elegisch und tranceartig faszinierend statt radikal beklemmend.

Hinter all dem schönen Schein der liebevoll restaurierten Dekorationen, der kompletten Erstellung ganzer Straßenzüge, der detaillierten Zier von Manlis Pharaphernalien - [ die jetzt neben der Mitgift auch die Wortbedeutung "Grabbeigaben" erfüllen ] - versteckt sich ein vorsichtiger Horrorfilm, ein psychologisch angehauchter Thriller und ein Liebesdrama. Die sich in hypnotischer Langsamkeit jeweils viel Raum zum Atmen und Entfalten geben und so gemeinsam in Richtung behutsames Schauermärchen wenden. Ohne die allgemeine Rationalität zu zerstören wird der Auftritt des nunmehr Zwischenwesens Manlis erst effektvoll mit theaterhaften Schreckeinlagen, aufgerissenen Augen und prompter Ohnmacht zelebriert, um dann die beginnende Konversation zwischen ihr und der neuen Frau geradezu logikbasiert zweckgebunden zu halten: Die Eine gibt der Anderen Hinweise, was Junchu gerne mag, was er am liebsten isst und trinkt und wie man ihn für sich gewinnen kann. Im Gegenzug dafür möchte sie für einige Momente den lebenden Körper übernehmen, ihn besitzen und so auch wahre Nähe bis zur Tuchfühlung mit ihm eingehen.
Ein Pakt, der nur so lange funktionieren kann, wie beide miteinander statt gegeneinander arbeiten und Keiner seine Liebe / Abhängigkeit / Besessenheit über die des Anderen stellt.

Zwischen Mythos und Aufklärung, zwischen einem Niemandsland und der bevölkerten Alltäglichkeit und zwischen Gewinn und Verlust strukturiert, verzichtet die Inszenierung löblicherweise auf zu viel Technizismus und der marktschreierischen Methodik des neuen Horrors, der keine Imagination mehr zulässt, sondern alles in jeder Genauigkeit bebildern muss. Altmodisch, sicher auch etwas hausbacken und mit recht blässlichen Schauspielleistungen zwischen Kunst und Schund wird eine Welt porträtiert, die noch in blühender Naivität an das Unschuldige, das Gute und Reine im Gegenüber glaubt. Und dann umso schneller erfahren muss, dass diese moralisch-ethischen Grundsätze nicht für Alles und Jeden gelten. Der Nachhall des ersten Entsetzens verändert sich zu einer nekrophilen Phantasie, der Resonanz beinahe gothischen Grauens und alsbald auch der Renaissance asiatischer Geistermystik.
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Sonntag, 9. September 2007

Review: Simply Actors [ 19/06/07 ]

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Er soll doch mal nicht so stark aufdrücken, nicht so übertreiben, schallt es dem angehenden Akteur Chan Man-long [ Jim Chim ] bei seinen Schauspielproben entgehen. Zurücknehmen, nicht mit allen Geschichtsmuskeln chargieren, den Gliedmaßen wild gestikulieren und effekthaschend in die Runde schauen, sondern sich wie ein ganz normaler Mensch verhalten. Doch das Problem ist nicht, dass Chan sich nicht beherrschen kann, sondern dass die Realität von ihm verlangt, sich zu verstellen.
Die Wirklichkeit sind in dem Fall die Regisseure Patrick Leung Pak-Kin und Chan Hing-Kar, die ihre grössten Erfolge strikt als Team absolvieren und sich bisher mit BHs [ La Brassiere ], Babies [ Mighty Baby ] und Impotenz [ Good Times, Bed Times ] bemüht haben, ihrem reichlich zahlenden Publikum auch ein paar Lacher abzugewinnen.

Ihr neuester Coup, wieder eine Komödie, geht einen etwas anderen Weg, der sich mal nicht primär mit dem Kulturcrash zwischen Mann und Frau und den Auswirkungen der Libido befasst, ansonsten aber die Methodik selber durchaus beibehält; vor allem die Denk- und Arbeitsweise dahinter ändert sich wohl nicht mehr und wird höchstwahrscheinlich auch in der bereits beschlossenen Fortsetzung vorzufinden sein. Die bisherigen Werke waren alles buntscheckige, knallpoppige, von A-Z unwirkliche Beziehungsmärchen, die zwar vorgeblich im Hier und Heute gesetzt sind, sich aber lieber in einer bagatellisierten Enklave aufhalten. Selbst beim Ansprechen von sexuellen Themen kann man die Biederkeit nicht verbergen und statt richtigen Gefühlen wird immer nur der billige Scherz plus die harmlose Ehrsamkeit im Auge behalten.

Meistens fand direkt im Anschluss an einigen Neckereien näher der Gürtellinie immer die Wandlung zum braven, rechtschaffenen Mann, am besten noch Familienvater statt; das Einzige, was man wirklich aus ihren brav verkleinerten Fiktionen mit nach Hause nahm, war die aufgestaute Lust auf Tabubrüche und dem Drang nach etwas Handfestem. Bei der Frage "Nahrhafte Küche oder anspruchsloser Einheitsbrei" wurde sich von Seiten Leung und Chan immer für das Zweitere entschieden; zusätzlich dazu ist Simply Actors eine Arbeit, die außerhalb der Landesgrenzen keiner kennen, geschweige denn wahrhaftig schauen wird. Quasi ein großes Fragezeichen, ein unbeschriebenes Blatt.

Auch der Hauptdarsteller Jim Chim, der ganz angestrengt die Identifikationsfigur des Chan Man-long zu mimen hat, wird hierzulande keine Assoziationen auslösen. Und alle Diejenigen, die ihn doch in Aktion betrachten, werden unweigerlich attestieren müssen, dass er doch mal etwas subtiler agieren, nicht so stark aufbauschen oder gar ausweitend dramatisieren soll. Zumal es nur zum ersten Teil der Handlung passt und in allen anderen Aspekten schlichtweg fehlgeleitet ist:

Chan Man-long ist eigentlich Polizist, nimmt allerdings nur geringfügige Verbrechen zu Protokoll und ärgert ansonsten seine Kollegen damit, dass er Aufgaben verhaut und sie mit dem ungebändigten Drang der Improvisation behindert. Als mehrere Undercovercops vom Drogenhändler Crazy Sam [ Chapman To ] enttarnt und getötet werden, wird Chan von seinem Vorgesetzten Officer Lin [ Hui Siu-hung ] in die örtliche Schauspielschule geschickt, um für späteres Training einige Tricks der Verstellung und Simulation anzuschauen. Während der Lehre bei Mr. Kam [ Eric Tsang ], Professor Mong [ Lawrence Cheng ] und Co. lernt Chan auch die Softporno-Actrice Dani Dan [ Charlene Choi ] kennen, die in ihm prompt Begehr auslöst. Doch da gibt es noch seine langjährige Freundin Judy [ Michelle Ye ], die schuleigene Konkurrenz Alex [ Raymond Wong ] und den eigentlichen Auftrag, der langsam aber sicher an gefährlicher Relevanz gewinnt.

Während man anfangs wegen einiger gekonnter Einfälle noch applaudieren darf, sehnt man sich dann doch beizeiten nach dem Vorhang des Ganzen; oder zumindest nach einer anderen Interpretation. Die Geschichte beruft sich natürlich auf den Infernal Affairs Plot. Sogar mit namentlicher Erwähnung, einem Cameo von Autor und [der besseren] Regiehälfte Alan Mak in Personalunion und einiger Nachstellungen, die nicht nur für Wiedererkennungswert, sondern auch konzeptuelle Hommage und löblicherweise auch manche treffende Lacher sorgen. Sehr schön, dass man die mittlerweile wegen Häufung derartiger Abhandlungen zum Klischee gewordenen Standards auf den Arm nimmt; auch lässt sich in den raren Parodien der Respekt für die Originale und ihre Tradition erkennen. Da ist es nur folgerichtig, dass man in Neben-, Kleinstrollen und Cameos die halbe Schausstellergilde Hongkongs auffährt [ Anthony Wong, Ann Hui, Fruit Chan, Sandra Ng, Vincent Kok, Wilson Yip, Lam Suet etc. ] und auch sichtlich stolz damit hantiert.

Trefflich auch die Vereinigung von possenhaft geschriebener Biographie und existenzieller Befindlichkeit: Jim Chim ist im wahren Leben abseits der entnervenden Filmauftritte eigentlich Associate Artistic Director of Theatre Ensemble, der erfolgreich Theaterpädagogik praktiziert und das pleasure in play Prinzip formuliert. Hier also praktisch in anderer Funktion zu den Wurzeln seiner preisgekrönten Wirkstätte zurückkehrt und so erweiterte Ehrerbietung erstattet.

Abseits dieser wenigen Kongruenten sieht man sich allerdings enttäuscht, wenn man darauf gehofft hat, eine angeregte Überlappung von Legende, Kunst, Wahrnehmung und Wirklichkeit vorzufinden. In einer erdichteten Luftschloss-Welt zwischen den Fakten realer Situationen, den Projektionen von Drehbuch und Inszenierung und dem Idealbild imitierter Tatsachlichkeit zu bewegen. Weder wird eine Unsicherheit bezüglich von Vertrautem und Unerwartetem bewusst noch eine Parallelität von Ausgedachtem und Wahren bekannt gegeben. Keine glaubhaften Situationen, keine Menschen aus Fleisch und Blut, keine Dialoge, die vom Leben sprechen und sich eben nicht nach raschelndem Papier anhören. Und vor allem der Mittelteil, der sich im Besuch der Drama acting school niederschlägt, birgt so viele unentdeckte Inspiration in sich, dass es sehr schade ist, dies bloss in einer beliebigen Abfolge zusammenhangloser Sketche widerspiegeln zu sehen.
Oder gar in der baldigen Moralapostelei, die sich in einer zwiespältigen Bigotterie nicht zu schäbig ist, lüsterne Blicke an das Sexobjekt Dani Dan und ihren Arbeitsplatz des Pornodrehs zu verstreuen, um danach prompt mit dem erhobenen Zeigefinger und der Betroffenheitsstory vom armen, verstoßenen Bauernmädchen zu kommen.

Der Film zeigt nur das medial Vorstellbare, die Halluzination der Materie, die Fata Morgana. Fern von Ausgrenzungen, Enttabuisierungen oder Vereinnahmungen wird sich eng im Rahmen einer anlaufenden Liebesbeziehung sowie der fortschreitenden Selbsterkenntnis bewegt. Chan, der schon ewig von einem anderen Leben träumte, bekommt nun endlich den Weg zur Erfüllung gewiesen. Sein bisheriges Berufs- und Privatleben war immer ein Ort der Sitten, der Befehle und der Pflichten, während er an der Schule nicht nur unter Seinesgleich Denkenden sein, sondern sich auch künstlerisch und damit ungezwungen austoben kann. Der Tagesablauf nunmehr lebhafter Zeitvertreib, der nicht unmittelbar dem gesellschaftlichen Nutzen entspricht, sondern seine nahezu kindliche Kreativität fragt.

Daraus ergeben sich auch die humoristischen Progressionen, die folglich zuhauf damit arbeiten, dass er mit seinem ungezwungenen Verhalten aus der Reihe der Normalität tanzt und entsprechend unwillkürlich in Konflikt mit der Außenwelt gerät. Er steht mit seinem eigenen fantasievollen Programm voll physischen Exhibitionismus und Naturburschentum gedanklich abstrahiert über der platten Nüchternheit und steifen Diplomatie, an dessen gesellschaftlich normierten Grenzen er sich immer wieder reibt. Inclusive des verschrobenen Äusseren, was bereits in der ersten Viertelstunde zu ganzen vier verqueren Kostümierungen führt und so schnell die kommende Ideenarmut ankündigt.
Auch "Pepino, der traurige Clown" kommt zeitweise zur Anwendung, aber ebenso wie die finale Kursänderung zu einem verkappten Actionfilm nicht besonders raffiniert, sondern ziemlich stumpfsinnig-phrasenhaft gelöst.

All diese verpassten Möglichkeiten wären kein Problem, wenn man nicht das Potential dessen durchaus erkennen oder man auf andere Art und Weise der Ausgangsidee Herr werden würde. Einen intelligenten Menschen in einen naiven Anzug und einen Schauspieler, der keiner ist, in eine Rolle eines schlechten Schauspielers zu stecken und diesen selbst dann zu überzeichnen, wenn er eigentlich sein Innerstes nach außen kehren soll, ist dann doch ein bisschen wenig für 120min. Zumal darüber hinaus keine Erkenntnis gewonnen wird und die einzige Weisheit nicht nur in der tagline versteckt, sondern schon seit Shakespeare „Wie es euch gefällt“ Jedem geläufig ist: Die ganze Welt ist eine Bühne, und alle Frauen und Männer bloße Spieler.
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