Donnerstag, 1. November 2007

Review: Tough Guy [ 1997 ]

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Es soll ja Filme geben, die von Minute zu Minute immer besser werden, es ihnen nach und nach gelingt, den Zuschauer mehr oder erst recht zu packen, zu interessieren, zu faszinieren. Seltene Beispiele, in denen man schon kurz vor dem Wegdriften oder dem gleich Abschalten steht, bevor man plötzlich etwas entdeckt, dass man vorher nicht zu glauben hoffte oder wagte.
Tough Guy ist leider keines dieser Exemplare, sondern das exakte Gegenteil.

Auch eine Kunst, die von vornherein aufgrund Herstellungsjahr und -firma, sowie Regisseur und Darsteller doch eher niedrigen Erwartungen nicht nur zu unterbieten, sondern sich noch zusätzlich als vielleicht kleine Überraschung zu verkleiden und dann rasch sämtlichen Putz zu verlieren. 20, 30 min geht die Maskerade gut, aber dann ist nur noch rapide sinkender Fall zu beobachten. Ein Sturz ins Bodenlose, der viel Nerv und Geduld beim schon peinlich berührten Zuschauer abverlangt, um vielleicht doch noch mit hechelnden Atem und rollenden Augen ins Ziel zu torkeln.

Was ist nun so schlimm an dem Film mit dem knalligen Allerweltstitel, der von der Aufmachung und der B-Prominentenbesetzung der alten Schlagbolzen Yu Rong Guang und Billy Chow durchaus anlockend gehalten, zuweilen einfach hinreißend wunderbar ausgestattet ist und so angepriesen sicherlich manch Unwissenden in die heimtückische Falle gelockt hat ? Klare Antwort: Das Drama.

Statt sich auf einen formidabel hässlichen Actioner im sogar korrekten Setting mit ansprechend klaren Figuren und ihren kontrastierenden Problemen zu verlassen möchte man die eher kurze Zeit noch überplanmäßig mit Herz und Seele füttern. Eine Art Regarding Henry, oder dessen asiatische Variation Loving You sein. Was prompt schief geht und das restliche, so nicht mehr überlebensfähige Konstrukt gleich mit rein reißt. Dass die Chinesen, oder eher gesagt die Kantonesen mit dem Spiel um Gefühl und Emotionen so ihre Schwierigkeiten haben, ist keine Neuigkeit. Entweder man verfällt in die blanke Übertreibung, kann diesen etwaigen Pathos aber mit einer wenigstens ehrlich gemeinten Aussage dahinter abfangen. Oder man versteckt sich im Vorhang von Ruhe, Stille und Besonnenheit; was man seitens der Crew wohl gerne als "zarter Kontenance im Dämmerzustand von Schwermut und Gram" und "Wahrung der öffentlichen Ruhe und Ordnung zugunsten gefasst beherrschter Gemütsbewegung" charakterisiert haben möchte. Tough Guy ist leider nichts davon, sondern in diesem Aspekt nur laut, aufdringlich, nervig und verkauft den Betrachter obendrein noch durchgängig für sehr blöd; eine Mischung, die unweigerlich abstösst und sich einem Bumerang gleich auf den Verursacher zurückwirft.
Die kiss and tell story startet Weihnachten:

May Chui [ Xu Jinglei ] ist zwar seit zwei Jahren mit dem Polizisten Pan Chan [ Woody Chan ] verheiratet, hat ihn aber in dieser Zeit kaum und wenn dann nur geistesabwesend oder schwer beschäftigt zu Gesicht bekommen. Pan ist zusammen mit seinem Kollegen Chinny Yiang [ Yu Rong Guang ] als undercover beim Kriminellen Master Kin [ Billy Chow ] eingeschleust und stellt die Arbeit grundsätzlich über die Familie. Da May sich beim Santa Claus wünscht, ihren Mann auch mal daheim zu haben, geht ihr Traum alsbald in Erfüllung. Allerdings mit schwerwiegenden Nebenwirkungen.

Bis zur Aufklärung dieser andeutenden Wendungen kann man noch mühelos folgen; happig wird es erst, als sich die cops and robbers Formel als rein oberflächlicher Rahmen abzeichnet und dann auch schon wieder zu verblassen anfängt. Zwar beginnt man mit einem ausschweifend illegalen Juwelendeal, der sich in eine heillos wüste Festnahme, einer anschließenden Flucht und vielen Rachetaten steigert, würzt dies auch noch mit Korruption und Betrug unter Uniformträger und stattet beide Seiten der Medaille mit hoher Belegschaft und ebenso hohem bodycount aus. Verliert dann aber sein Ziel aus den Augen und gestaltet das absurd-ansehnliche Werk zu einem erbarmungswürdig unpässlichen tearjerker, der mindestens vier Klassen unter den schon ebenfalls eher nicht so gelungenem Mike Nichols / Johnnie To gelegen ist und deswegen arg um seine Versetzung strampeln muss. Vor allem die fokussierende Persönlichkeitsentwicklung von Pan Chan, der sich nach einem Zwischenfall im Job einen ominösen, sein Nervensystem und das Gehirn angreifenden Virus eingefangen hat und die letzten verbleibenden Wochen mit seiner bisher vernachlässigten Frau verbringen möchte, reißt das bisher durchaus unterhaltsame, wenn auch nur auf obskure Art gelungene Werk deftig rein.

Jedwede Regung, jede Anwandlung, jedes Wort zwischen den Eheleuten ist sowohl vor als auch noch mehr nach dem Unfall ein eigentümlich anstößiges, polternd unbeholfenes Chargentum. Mit denkbar dubiosem Regiekonzept und mangelnd hilfloser Schauspielführung versehen wird sich unbarmherzig durch noch so jede banale Aussage gewütet, gestikuliert und grimassiert und ein extrem unnatürliches Bild fader und gleichzeitig krachend mißstimmiger Befindlichkeiten abgeliefert. Gerade die so wichtige männliche Hauptrolle ist mit seinem peinlich illustrativen Grinsen, den nach dem Drehbuch suchenden Augen und dem angestrengten, niemals glaubhaften Insichgehen zum Scheitern verurteilt. Die direkte Mitspielerin wird zwar mit Xu Jinglei von einer jungen Dame verkörpert, die hier nach ihrem Abschluss im Performance Institute an der renommierten Beijing Film Academy ihr Debüt feiert und zusammen mit Zhang Ziyi, Zhou Xun und Vicky Zhao Wei [ = die Four Small Flowers ] mittlerweile zu den beachteten und erfolgversprechenden Akteurinnen gehört. Aber abseits dieser rückwirkenden Eckdaten auch keinerlei Wirkung einbringen kann, eher noch quasi tatsächlich bloss die attraktive Blumenvase spielt. Und sich weder ihr noch dem Publikum mit diesem indisponiert-abwesenden Auftritt und seiner einschneidenden Handlungsveränderung hin zu einem wertgeminderten Elendspiel einen Gefallen tut.

Was bleibt ist der Schauplatz. Zwar nach objektiven Maßstäben ein verhunzter Zwitter aus Gegenwart und Vergangenheit, der wahrscheinlich das beliebte Shanghai der 30er verkörpern soll, aber irgendwie stark nach undefinierbarer, irrealer, recht billig zusammengeschusterter Zwischenwelt aussieht. Genaue Zeit- und Ortsangaben hat man der geheimen Phantasie überlassen; eine Ausrede, die wohl nötig war, aus diesem brüchig durchscheinenden Pappmachékonstrukt immerhin etwas Glaubwürdigkeit zu beziehen. Kann so ja sonst was ergeben, ohne das man es beweiskräftig auseinander nehmen kann. Die vergilbten, abgeblätterten, nur von alter Farbe und kalten Leim zusammengehaltenen Wände und die wenigen ebenso unterernährt schwankenden Möbel sonst zumeist leerer Ateliers ergeben wenigstens eine gewinnbringend beflügelnde Mischung aus Halluzination und Wirklichkeit.

Ein magischer Ort, der ähnlich seinen ruhmreichen Vertretern Revanchist, Shanghai Affairs oder Bloody Brothers eine Gesellschaft im Übergang mit sehr kostengünstiger Prachtentfaltung zeichnet. Ähnlichen Liebreiz entwickelt dann auch die Action, die zuweilen gar mal auf größere Szenerien innerhalb der baufälligen Theaterkulisse setzt, jegliche physikalischen Wahrscheinlichkeiten dafür streicht und sich in der eigenen albernen Widersinnigkeit sichtlich wohl fühlt. Da werden mit bloßer Hand steinerne Mauern durchbrochen – in einem glühendheissen Hochofen wohlgemerkt –, sich Verfolgungsjagden in Schrittgeschwindigkeit geliefert, im Fangnetz herumgerannt und während erbitterter Schießereien auch schnell mal schmucke Musikboxen im zersplitterten Schaufenster erworben. Die wenigen gelungenen Einstellungen und Bewegungen in den Fights werden entweder durch slow- bzw. blurmotion verätzt; es hilft auch nicht sonderlich viel, wenn die Kämpfer durch ihre karierten XXL-Beinkleider, die sie scheinbar am Hals zuknöpfen und den strammsitzenden Hosenträgern aussehen wie riesige Clowns.
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Review: Cheetah on Fire [ 1992 ]

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Vielleicht waren es geschuldete Altlasten, vielleicht die guten Kontakte zur Belegschaft, vielleicht bekam auch ein Donnie Yen es zwischenzeitlich mit den Triaden und ihrer unsauberen Geschäftspolitik incl. der gewieften Überredungskünste zu tun. Man weiß es nicht, was ihn dazu bewogen hat. In der eigentlich auch für Martial Arts Künstler stabilen Zeit um 1991 ausgerechnet die Produktionsfirma Cheung Yau heimzusuchen und dort kurz hintereinander in drei Arbeiten zu gastieren, die außer für Trashfans preiswerter Actioner so keinerlei positive Seiten abwerfen. Damals war der Massenbetrieb noch profitabel gesichert, die Distribution vor allem in die UK und die Staaten erfolgte nahezu automatisch; auch Deutschland griff sich mit Crystal Hunt [ DT: China Heat ] den nach Holy Virgin vs. the Evil Dead Mittelteil dieser unzusammenhängenden Trilogie heraus und spielte das fidele, in der besagten Reihe nichtsdestotrotz schwächste Werk bevorzugt im Nachtprogramm niederer Privatsender ab. Cheetah on Fire, der vom nahezu gleichen Team als krönender Fortsatz fabriziert wurde, könnte in der gleichen Schiene eben genau hinten dran im Anschluss laufen und würde die Zuschauer wenigstens wieder labend erwecken.

Statt bicycle-fu, einer Schnitzeljagd vieler Grünschnäbel und dem Gipfeltreffen der Erdtrolle in der Sächsischen Schweiz geht es diesmal um etwas weitaus Grösseres, dass auch mit wesentlich mehr Lärm in Szene gesetzt wird und sich allumfassend als gute, gängige, deftig-heiße Hausmannskost herausstellt. Wieder ein im wahrsten Sinne des Wortes abgrundtief schlechter, am Spartag fabrizierter, kurz vor der Stilllegung wegen Unwirtschaftlichkeit situierter Film. Aber wenigstens einer, der sympathischerweise um seine Schwächen weiß. Und zumindest so schlau ist, aus seiner gutbürgerlichen Kantine am Außenposten der Kreativität immerhin Anständiges für Zwischendurch und mit unfreiwilligem Humor als Aperitif zu zaubern. Zuweilen eine recht gewöhnungsbedürftige Anmutung, die aber zumeist eine deutliche Verbesserung der positiven Symptome und mit weniger Nebeneffekten darstellt:

Waffenhändler Tong [ Shing Fui On ] hat während seiner Tätigkeit auch einen wichtigen Computerchip gestohlen, den er über Mittelsmann Ken Fok [ Eddy Ko ] an den Meistbietenden verkaufen will. Vorher muss er allerdings aus den Fängen der Polizisten um Carrie Wu [ Carrie Ng ], Peggy [ Sharla Cheung Man ] und Edward Kwan [ Eddie Kwan ] befreit werden, die ihn in Zusammenarbeit von OCTB, CIA und Interpol dingfest gemacht haben. Als die Bande von Long Hair [ Gordon Liu ] und Hank [ Ken Lo ] auftaucht, stellt sich der geschasste special agent from secret service Ronnie [ Donnie Yen ] auf die Seite der Guten, die anfachende Verstärkung auch dringend nötig haben.

Die diversen Polizei- und Räuberaktionen werden von Beginn weg ohne weitere Erläuterung eingespeist. Eine Mordgeschichte mit Totschlagsargumenten. Beginnend mit einer abrupt eröffnenden Straßenschlacht, in der die Vigilanten aus allen Löchern eines quer stehenden Lasters gesprungen, gehangelt, geschlüpft kommen und den Verkehrsknotenpunkt in der Rush Hour mit breit dahinströmenden Feuersalven und hastig geworfenen Staubbomben eindecken. Der sonstige Explosionsradius bleibt zwar oft auf kleinerem Rahmen - [Eigenheim, Aquädukt, Wiese, Park- und Lagerhaus] - beschränkt, verzichtet dort aber ebenfalls nicht auf hohem Munitionsverbrauch; die Blei- und Schrotspritzende Schusswaffe als alleinig herrschendes Fetischmotiv. Getoppt wird diese heillose Prasserei nur mit der absichtlich verschwenderischen Vielzahl grob-rastloser Schnitte, einer fachmäßig kunstgerecht wirbelnden Kamera und beherzten Stuntmännern, die in ihrer paritätischen Mitbestimmung kurz vor der Berufung zum Kanonenfutter stehen. Die finale Aggressionsentladung als hektisch überrumpelnder Gewaltstreich, bei dessen stetigen Dauerfeuer und den allgegenwärtigen Detonationen schon einige Male Tag- und Nachtgleiche eintreten oder sich der Hintergrund der general offensive auch mal malerisch zärtlich rosa färben kann. Eine militäraffine Repräsentation ohne neumodischen Schnickschnack. Massig Tamtam ohne revolutionäre Ideen, aber mit Schmackes, Effet, Lust und Laune.

Dankend zur Kenntnis genommen wird das brachiale Ausgangstempo, der derbe Härtegrad, der Rückzug in Schlichtheit und Askese, die Entsagung ausschweifender Textbeilagen und die allgemeine Diskretion:
Schon vor dem Wegtreten aus der entfesselten Kommunikationsgesellschaft in die sumpfigen Weiten Thailands und einem anliegenden Söldnerbuschdorf wird viel Sorgfalt auf Takt, Treue, Zurückhaltung, Zuverlässigkeit zu Genre und Erwartung gelegt. Ja den Zuschauer nicht zu sehr und schon gar nicht überfordern, ihn mit rudimentären, allerhöchsten nebensächlicher und deswegen wenig weiter helfender Nullinformation und stattdessen mit folglich ablenkenden Blickfängen und seinem eigens gewollten Gusto zu versorgen. Im Detail bedeutet dies unheimlich ungeschickte Schauspielleistungen, nur auf Posen verstehende Mitarbeiter, die einem übertriebenen Comicuniversum entstammen. Nicht nur so agieren, sondern auch so reden und aussehen, was neben der steifen, wie im abgewetzten Rohzustand befindlichen Optik, den dumpfen Bässen und der umfassenden Hässlichkeit für Auge und Ohr natürlich auch die Kleidung, die Frisuren und ganz stilecht auch die englische Synchronisation einschließt.

Während Yen seine eigensinnige Platzhirsch-Mentalität bevorzugt mit halb runter gelassener und gleichzeitig an den Ärmeln aufgerollter Jacke zum Ausdruck bringt, und Gegenspieler Gordon Liu mit seinen schwarzen Locken samt Pferdeschwanz aussieht wie ein angebrannter Pumuckel, sind es noch die formschönen Babyjogger - Trainingsanzüge der Polizeieinheit, die stechend auffallen. Dialoge sind ähnlich edel, hier und da auch ein wenig kafkaesk mysteriös angelegt, oder wofür steht ?:
- "Our mission is to find that chip. That might tight us to the killers."
- "Hmmmmmm. I see you haven't forgotten thats all you brand caughten standen yet, u hebben het."
- "Yeah, i gotten proof."

Ähnlich wie auch bei den Vorgängern und den artverwandten Angel Force oder auch Golden Nightmare kommt das Beste hier erst spät zum Schluss; der Schritt aus der mehr oder minder urbanen Zivilisation in die abgeschiedene Einöde, in der sämtliche soziale Regeln beim Eintritt abgegeben werden und der Kampf um den McGuffin sowie einhergehend auch Leben und Tod erst richtig beginnen kann. Die gute Stunde vorher erfolgt nur die anbahnende Präparation; der Einklang auf spätere Geschehnisse, die in einer Art narrativem Riesenslalom erst lang und breit umkreist werden, um dann mit Schwung bergab umso schneller auf das Ziel aufzustocken. Ein Prozedere, dass beim nachhaltigen Betrachten tatsächlich an einen Flash Point ohne köstlicher Prunksucht mahnt. An dessen rückwirkend kühlen Schatten der hiesige Film und besonders auch die Donnie Yen-Rolle mit seinem disziplinlosen Groll gegen das bürokratische Monster, der folglich bornierten Holzhammermethode und der schon in die Parodie rutschenden physischen Überpräsenz zeitweise so enorm wie ein Probelauf erinnert.
Derartig ursächlich, beinahe fundamental wirkt hier vor allem der Aufbau um die verschiedenen Interessen, die Anreicherung der Konflikte mit den entsprechend violenten Konfrontationen und der Verzicht auf dem Ballast von Charakterisierung und Motivation.

Sicherlich mittlerweile auch beweiskräftig nachgewiesene Theorie, dass die neueren HK Exponate wie eben der Wilson Yip als auch Benny Chans Invisible Target oder Alexi Tans Blood Brothers viel der Anknüpfung und Einstimmung auf die 80er und anfänglichen 90er zu verdanken haben und das bekannte Material aus dem Speicherkollektor nur mit wesentlich besserer Technik, aktuell heran- oder aus dem Ruhestand gezogenen Darstellern und im besten Fall auch dem aufgefrischten Wissen um Grundkonzept und Kalkül in eben reorganisierter Sanierung erzählen. In der nichts spannender als die gekonnte Wiederholung in siebengescheiter Verblendung ist.
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