Donnerstag, 15. November 2007

Review: Killer's Nocturne [ 08/05/1987 ]

cover
Wer schon immer mal wissen wollte, was gefährlicher ist, ein underground free fight event entweder gegen Bolo Yeung oder ein behandschuhtes Känguru mit großem Gemächt: Killer's Nocturne reicht in einer verstörenden Szene als Mischung aus Tierhorror, Wrestlingshow, Grotesktanz und beastiality die eindeutige Antwort.

Auf dergleichen Gedanken kommt nur ein verquerer Kopf, oder die geniale Einfalt eines Nam Nai Choi, der später mit Story of Ricky, Seventh Curse oder The Cat die Palette der mad movies noch erweiternd bereichern sollte. Das hiesig vorliegende Exemplar ist im Vergleich dessen geradezu konventionell gehalten und bietet statt einer wirr herum springenden Geschichte mit Absurditäten im Minutentakt eher die alte und ebenso strikte Mär von der Revenge, dem Aufbegehren eines Einzelnen gegen Böse Mächte und der Auseinandersetzung des Ehrbaren gegen das Kriminelle Syndikat. Abseits weniger, aber dafür umso obskurer Ausnahmen nur der Brauch der legitimen Ordnung in Reinkultur. Mit sattsam bewusster Figurenkonstellation, der überhand nehmenden Bedeutung des Gewohnten für Verständnis und Sympathie und der typischen Maßregeln für die Kreisbilder der Logik, die hier mit schwach angedeuteten Skizzen der Beobachtung gefüllt werden.

Die knappe Laufzeit und der diametral entgegengesetzte Rahmen der Erzählung schließen sich normalerweise aus, was eine gewisse abrupte, inkonsequente Flattrigkeit der Narration, den sorglosen Umgang mit Anschlussfehlern und so wunderliche Gedanken- und Geistessprünge zur Folge hat. Regisseur Nam zeigt viel Weniger als ihm zur Verfügung stehen würde, verzichtet auf die strenge Wortstellung, die detaillierte Erkundung von Erhöhungen und Vertiefungen und konzentriert sich statt der ausführlichen Zusammenfassung vieler kleinen Teile einzig auf seinen eigenen Hauptschwerpunkt: Die Vergeltungsmaßnahme der Blutrache.

Shanghai in den 30ern.
Ganglord Yen Lieh-shan [ Alex Man ] hat sich mit aller Gewalt Geld, Macht und Status angeeignet und besitzt nunmehr auch die Herrschaft über sämtliche Kasinos. Als er auch noch eine jahrelange Schmach gegen den einstigen King of Gambler Lo Tien-pei [ Patrick Tse ] wettmacht und diesen daraufhin in den Tod treibt, steht ihm scheinbar nichts mehr im Wege. Einzig Los Sohn Tzu-feng [ Chin Siu Ho ] könnte ihm gefährlich werden, ist allerdings noch zu ungestüm und außerdem gerade mit Yens Mistress, der Sängerin Autumn Cheng [ Pat Ha ] beschäftigt.

Könnte von dem Ausgangspunkt sowie dem Setting allein schon ein etwaiges Epos oder sei es auch eine Fernsehserie ergeben und bezieht derartig gestäubt auch gleich seine referentiellen Standpunkte. Man verweist sowohl auf zahlreiche gambling movies, die besonders der Altgediente Patrick Tse zur Genüge auf Leinwand und Bildschirm bedient hat [ The Shell Game I+II, Challenge of the Gamesters, Winner Takes All, Mahjong Heroes ]. Als auch auf diverse Bloodshed / Triaden flicks, deren negatives Aushängeschild zu dem Zeitpunkt Alex Man war und der nicht nur hier saukalt-seelenruhig psychische Erkrankungen als Folge des sozialen Aufstiegs porträtiert. [Wobei in diesem Fall noch die schlechten Einflüsse aus acht Jahren Japan-Aufenthalt hinzukommen; zusammen mit "foreign ambassadors arrogance" und "puppet Manchu regime" nicht der einzige phrasendreschende Redeschwall Richtung zeitgenössischer Politik, die darüber hinaus aber nicht weiter in Augenschein genommen wird.]

Ergibt zusammen mit der ruckartig launenhaft Regie, dem wetterwendischen Einstieg und der hohen Dosis sex & violence + kurioser Seriosität eine Gedenkveranstaltung, die die Helden und Bösewichte des multimedialen Alltags und deren Taten nochmals zur schlagenden Verfügung ins Gedächtnis ruft. Sie aber in einer gewohnten Umgebung mit veränderten Vorzeichen, rauem Stil und jähem Durchsetzungsvermögen aussetzt und derart die Vorstellungs- und Begehrungskräfte erweitert.

An die Stelle der braven Bebilderung behäbiger Einstellungen treten eine trügerische Unsicherheit, Momente des deutlichsten Sehens, hyperaktive Lücken und die unverwechselbare Identität von Regisseur Nam, der seinem Oppositionsgeist gegen die guten Sitten so manche Nahrung gibt. Die Känguruszene ist sicherlich der alles toppende gross out Moment, der schon nicht mehr nur einen höheren Grad des Ungewöhnlichen aufweist. Aber auch die Akzente der Gewalt werden im ungeschönten Effekt ohne jede Notwendigkeit außer eben der Weiterentwicklung konventioneller Antriebe und der stetigen Steigerung der Assoziation von Mord und Totschlag formuliert.
In der Bestrebung, vor allem die Actionszenen mit der äußersten Aufmerksamkeit vollkommen zu machen werden die Leute zerstückelt, in Brand gesetzt, erhängt, aus dem Fenster oder die Hochtreppe hinab gestürzt, mit Eisenkugel und abgebrochenen Flaschenhälsen malträtiert, oder durchs komplette Säulengebälk geprügelt.

Der Unterton erotischer Begierde und sexueller Zwänge und Perversionen in den vergleichsweise ruhigen Gegenstücken ist ebenso auffällig kreischend.
Allein in der Phase der Vorstellung wird gute Fünf Mal die Frau an sich entweder verbal bedrängt, als Voyeursobjekt oder gleich ganz als unfreiwilliges Opfer für die eigene Befriedigung ausgenutzt.

Dies allerdings in einer durchweg edlen Umgebung, deren beliebtes Setting auch hier mit formvollendet reifen Brauntönen, Schönheit der Färbung, gediegen gedämpfter Beleuchtung, viel altem Schnickschnack aus dem Atelierfundus, riesigen Schautafeln, antiker Architektur und Luxushäusern erworben aus stilvoller Konsumgütermesse angereichert ist. Dabei entspricht die Handlungsstruktur in seiner außerordentlichen Übersichtlichkeit trotz seiner Eigenschaft als ein aus verschiedenen Balken zusammengesetztes Werk eindeutig der Konstruktion von Yens Nachtclub "Endless Night", incl. der schillernden Austeilung des Hellen und Dunkeln:

Der enorme Ballsall als Auffangbecken der hochgestellten Ansammlung begleitender Personen [ in Kleinstrollen tummeln sich u.a. Wong Hap, Stanley Fung, Alex To, Chan Chi Fai, Han Ying Chieh, Shing Fui On, Shum Lo, Shum Wai ]. Die Schaubühne als kurze Einführung von Angeboten und Infrastruktur sowie für die Einschübe von Tanz und Gesang als Merkmal der Periode. Der V.I.P. Raum für Lug und Betrug, dem Fädenziehen der Machtstrippen und folglich auch dem perfekten Ort für Feindschaft und finales Gefecht. Sowie die Hintertreppe als dem freiwilligen Ausweg in die wirklichkeitsfremde Träumerei, die sich Sängerin Autumn Cheung mit ihrem jungen Liebhaber desöfters gönnt. Und die finstere Seitengasse, zwischen dessen versifft stinkenden Mülltonnen dem jungen Lo vor dem Erwachen in der brutalen Realität der letzte Schlummerschlaf vergönnt sei, sodann er sich ins Flammende Inferno des Showdowns begibt.
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