Montag, 29. Oktober 2007

Review: From Here to Prosperity [ 09/01/1986 ]

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Im reinen Unterhaltungswert sicherlich solide, aber leider reichlich bedeutungslose Trickkomödie aus dem D & B Films Studio; eine heutzutage nicht mehr existente Produktionsfirma, die in den Achtzigern neben den internationalen Markt erobernden hardware-actionern um Michelle Yeoh und Cynthia Khan auch vermehrt ihr Glück mit heimischer Humorbefriedigung versuchten. Die Methodik in Thematik, Besetzung und Umsetzung stark vergleichbar mit der konkurrierenden Golden Harvest und Cinema City Company, vielleicht einige Nummern Kleiner und deswegen als Spiel um die goldene Ananas gesetzt, aber sich auf denselben eisern-redlichen Formeln ausruhend. Ein wenig zu entspannt faulenzend wirkt dann auch das vorliegende Werk, dass sich bis jetzt auch allerhöchstens einen sekundären Ruf erworben hat, seine Hausaufgaben zwar erledigt, aber trotz Geduld und Eselsbrücken nur als der recht harmlose Zeitvertreib, die nächtliche Zerstreuung, die erholsame Nebenherbeschäftigung entpuppt.

Der Liebhaber des Hongkong Kinos gerade aus dem betreffenden Zeitraum bekommt so zwar keine Intensivtäter, aber immerhin eine Handvoll allseits bekannter Gesichter im Verbund mit einigen wenigen Frischlingen geboten. Eine Doppelbesteuerung aus Alt und Neu, die sich auch in der Inszenierung selber weiterführend behauptet und aus der gängigen, nicht gleich auswendig vorhersehbaren Geschichte ab und zu mal auch einen überraschenden Kniff heraus quetschen kann. Die scheinbare comic caper Handlung stellt sich als eine etwas ernstere Variation der Winners & Sinners Problematik als auch eine Vorwegnahme der Conman - Reihe bzw. eine Faksimile diverser Shaw Brothers Werke [ Two Con Men & Carry On Con Men z.b.] dar. Es geht um den ganzen großen Betrug, um das Ausschalten eines potentiell gefährlichen Despoten mal nicht durch die Vordertür mit gezückten Waffen, sondern mit der heimlich manipulierenden Bauernfängerei über drei Ecken. Der raffinierte Plan mit Optimismusgemüt, der auf unzählig vielen und ebenso unsicheren Faktoren aufgebaut ist, das ganz exakte Timing erfordert und sich keine Schwachstellen erlauben kann. A con-test of hilarious con-sequences:

Schwarzhändler Chia Tien Hung [ O Chun Hung ] zögert nicht lange, wenn es an die Verteidigung seines Besitzes geht. So beseitigt er mit Hilfe von korrupten Polizisten auch einen aufmüpfigen anti-smuggling special force Ermittler; dessen Kollege Sergeant Wong Ming [ Danny Poon ] überlebt mit viel Glück und sinnt ebenso wie die nunmehr Waise Jenny [ Pauline Wong ] auf Rache. Dazu heuern sie den gewieften Kleinkriminellen Yeh Tai Goi [ David Chiang ] an, der wiederum auf die Kollegen Mui Choi [ Richard Ng ] und Beanie [ Cheung Wing Cheung ] zurückgreift. Unabhängig von dem noch zusätzlich eingeschleusten Little Peach Blossom [ Wu Ma ] machen sie sich an die Arbeit.

Eine monströse Aufblähung der Führungsebene später erreicht man dabei auch eine klar erkennbare Linie in der Struktur; ein anekdotenhaftes Allerlei, dass sich mehr mit Gaudi als zwingender Schlußbündigkeit in seine Erzählung wirft, neben der ganzen Mogelei zuweilen aber auch den Zuschauer selber hintergeht und ihm hier und da Pfusch hinterlässt. Nepp ist vor allem das Vertrösten auf später, das stetige Hinauszögern der Sicht auf die Konklusion und das langwierige Verweilen auf dem theoretischen Faltplan, nach dem bewährten Prinzip Aufblättern und Umklappen. Ein nahezu bürokratisches Vexier- und Verwirrspiel mit übersättigender Vorwölbung, dass zwar allerorten viel Potential, ja sogar einen anderen und wesentlich besseren Film versprechend andeuten vermag, aber die Wege dahin selber verstellt. Gleich mehrmals wird in analog hintergehender Irreführung eine vermeintlich prestigeträchtige Entwicklung abgeschnitten und sich weiterhin in entschärfter Form in der konventionell-kommerziellen Einbahnstraße bewegt.

Statt der angekündigten grimmigen Vendetta gibt es die spürbar deutlich abgeschwächte Variante einer Sanktion. Statt gross out jokes wenig erheiternde Wortgefechte um die Gewinnaufteilung, eine aufglühende Liebelei und dem komplizierten Vorhaben. Statt einem Einer für Alle - Team verschiedene gegensätzliche Mitstreiter, die auch bei der übermäßig ausschweifenden Abblende nur auf dem Papier Kämpfer für die gleiche Sache sind.

Als aussichtsreichster Aspirant für eine Notierung der verpassten Möglichkeiten fällt neben all der kurz blickenden Engstirnigkeit immerhin genug profitabel zweitverwertendes Material ab. Dies gilt besonders für das begleitende Setting, dass aus ominösen, da nicht weiter erheblichen Gründen nach 1955 zurück verlegt ist und sich deswegen auch mit einigen visuellen Schmankerln schmücken darf. Neben den üblichen Oldtimer, die ihre letzten Atemzüge noch einmal blankpoliert bei einem Filmdreh aushauchen dürfen und den ebenso traditionellen Kleidungsstücken incl. einem eher abschreckenden Badeanzug sind es vor allem die aufwendigeren Bauten, die ins schwärmende Träumen einladen dürfen. Sicherlich erreicht man keinen Hochglanz narrativ vergleichbarer Arbeiten wie speziell Der Clou oder dessen asiatischen ripoffs King Gambler, Gambler's Delight und Challenge of the Gamesters. Aber sowohl ein altertümlich anmutendes Kreuzfahrtschiff mit nahezu vorsintflutlich-morschem Swimmingpool, wenig anhimmelnden Ausguck und düsterem Ballsaal als auch die allgemeine Szenerie im Thailand vorjährigen Jahrhunderts sind manch perspektivische Blickfänge wert.

Die spätere Anwesenheit der lokalen Armee samt dem ehrbar-unbestechlichen und umso schießwütigen Major Chan Chung [ Melvin Wong ] bringt den willkommenen Anschein eines Kleinkriegsfilmes mit Dschungelmilieu ein und erhöht so den eigentlichen Actionpegel gleich um illusorische 50%. Eine trügerische, leider abseits des happig-wohltuenden Showdowns auch erübrigende Beteuerung, die außer dieser atmosphärisch einflüsternden Verheißung keine weiteren Zusagen erfüllt und sich mit etwas Gekabbel und Gestreite schon wieder erledigt hat. Immerhin hat es Robert Rodriguez bzw. Quentin Tarantino erfreut: Der berüchtigte Desperado - Monolog über die doppelte Barwette [The bartender's like...”Why are you so happy? You just lost $300, idiot!" The guy says, "See those guys over there? I just bet them $500 APIECE... that I could piss on your bar... your floor, your phone, and piss on you... and not only would you not be mad about it... you'd be happy."] feiert hier wohl seine Premiere.
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Sonntag, 28. Oktober 2007

Review: Hellfire Angel [ 31/08/1979 ]

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Wahrscheinlich selbst nicht am eigenen Gelingen interessierter modern day flick aus dem Hause Golden Harvest, die zum Zeitraum der später 70er trotz einiger gleichartiger Versuche noch lange nicht zum konkurrierenden Shaw Brothers Studio aufstoßen oder gar gleichziehen konnten. Erst in der Mitte der 80er sollte Raymond Chow den bisherigen Branchenprimus überrundet und ihn aus seiner jahrelangen Spitzenposition gleich in den Stillstand getrieben haben; hier ist das Endprodukt noch soweit von einem gewinnenden Vergleich entfernt wie das ausgewaschen-blasse Bild von Shawscope.

Eher erinnert man an die auch erfolgreiche, allerdings damals nur in Bahnhofsspelunken und danach in klammfeuchten Videotheken oder auf schäbigen Privatsendern im Nachtprogramm abgenudelte Bruceploitation, die sich mit mehreren bescheidenden Epigonen an den Ruhm des frühzeitig verstorbenen Bruce Lee anhängen und dessen Triumphe ausnutzend wiederholen möchte. Und sowohl visuell als auch materiell ein wenig an das deutsche Raubbaukino eines Rolf Olsen, der sich in spekulativer Manier die wachsende Kriminalität, die anschwellende Brutalität und die steigende Verunsicherung hin zur Paranoia zur Brust nahm und hier verspätet für den asiatischen Raum nachgereicht wird. Die Schiene der Nostalgie funktioniert also in mehrere Richtungen, wenn auch nur über Hinweise und Andeutungen und nicht wirklich aus dem eigenen Schaffen heraus. Und Leider ist dies auch fast das Einzige, was denn überhaupt gelingt.

Heimisch fühlt man sich sofort bei dem prompten Disco-Ambiance, dass dem Zuschauer mit seiner funkigen Musik, den Schlaghosen, offenen Hemden und dem allgemeinen Glitzern nicht nur der Glaskugel in den ersten Minuten entgegen schwappt. Das Saturday Night Fever hält allerdings auch nur für kurze Dauer an und macht einer stetigen Multiplikation von Figuren Platz, die in der ewigen Aneinanderreihung noch addiert mit einigen banalen Satzfetzen und etwas aufgerissenen Augen wohl das Drehbuch und die Atmosphäre gleich mit ersetzen sollen. Ein unehrenhaft gescheitertes Ansinnen, dass in seiner leidenschaftslosen Geistesabwesenheit auch dem Zuschauer schnell das Desinteresse gegenüber Personen und Geschichte und die Handlung als sehr harmlos sprudelnde Soda aus Nichteinmischung, Teilnahmslosigkeit und Unbeteiligtsein bereitet:

Die Hostess Cheng Szu [ Ma Man-Ngai ] wird eines Abends vier vermeintlich milliardenschweren Geschäftsmännern aus Indonesien vorgestellt, die sich nach einer lustigen Ausfahrt allerdings als von der Polizei gesuchte Bankräubern entpuppen und bei der ersten Streife auch schnell das Weite suchen. Zwei der Männer, darunter auch Lu Ah Hsi [ Ma Chung-Tak ] werden geschnappt. Hung Bo Kam [ Yeung Chak-Lam ] und Lin Fang [ Wong Yuen-San ] können fliehen. Dumm nur, dass der nun im Gefängnis schmorende Lu als Einziger das Versteck der Diamanten weiß. Hung und Lin schmeißen sich an Cheng Szu heran, um über diese an Lus Schwester San [ Yau Pooi-Ling ] und dann wiederum an den Aufenthaltsort der Klunker heranzukommen.

Klingt zumindest in Verbindung mit Zeit, geographischem Setting und der auch damals schon ausgeprägten Tradition der Veranstaltung soweit passabel, verpasst aber nicht nur die nötigen Attraktionsmomemte, die um Aufmerksamkeit kreischende Sensationslust und die etwaige Andeutung von Aufklärung und Skandal. Abseits vom reißerischen Titel, der eine kolportagereife blood-and-thunder novel Mentalität fingieren und auch heutzutage ohne Weiteres zumindest das Quäntchen Neugier auf das Krimi-Produkt dahinter erzeugen kann, ist außer mangelnder taktischer Disziplin, gleichgültiger Passivität und herzloser Abstumpfung nicht allzu viel gegeben. Nachteilig wirkt sich vor allem aus, dass man außer dem Beschreiten bereits altgedienter Wege niemals den nötigen Druck unter Dialog und Aktion speisen kann, sondern man nur eine Gedankenflucht von A nach B nach C stattfinden und dieses ermittlungstechnische Geschick auch noch auf das vollständige Alphabet ausdehnen lässt.
Das genaue Gegenteil einer auf das Wesentliche reduzierten Dramaturgie und damit auch der exakte Widerspruch zu den Gesetzmäßigkeiten des Genres, dessen Bewusstsein um Mittel und Zweck des schaustellerischen Unternehmens man niemals erlangt.

Hier trifft man allerhöchstes Vorbereitungen auf einen möglichen Ernstfall. Mit viel Verrat und Doppelverrat, und einem Hin und Her, in dem die Leute nur mit vorlautem Mundwerk und großen Scheinen hantieren und ständig mit dem Messer zur Schießerei kommen. Ein kontinuierliches, unausrottbares Abklappern sämtlicher vernunftwidriger Charaktere, die ohne Sinn und Zweck nur eine vermeintliche Entwicklung vortäuschen sollen, deren Alibi-Funktion aber rasch auffällt und auch nicht durch weiterführende Steigerung wieder bereinigt werden kann. Die schädliche Welle der ausdehnenden Tatenlosigkeit erfasst bereits die eng im Zentrum stehende Lu San, die eigentlich auch nur als bestenfalls optischer Blickfang bezeichnet werden kann und ansonsten so unnötig wie der viel zitierte Kropf ist. Die Hostess als Fokus im Bandenkrieg verfeindeter Exgesellen erfüllt nur die Notlüge eines girls with guns actioners und wird noch zusätzlich mit banaler Moral angereichert. Käuflich ja, aber nur für die gute Sache. Verbrechen lohnt sich nicht.

Ein unausgeglichener, zerfahrener Integrationsleitfaden, nahezu unsichtbar in seinem narrativen Zusammenhalt und gleichzeitig durch seine ungeschickte Ausdehnung so offensichtlich wie entbehrlich. Das aussichtslose Bewegen als das erbarmungslose Durchpeitschen einer einzigen schlechten Idee wirkt sich auch nachteilig auf sämtliche darstellerische Leistungen aus, deren Gestik und Mimik wie verspätet reagierend erscheinen lassen und den jeweiligen Ausdruck so immer schon weithin absehbar kennzeichnen. Einem falsch, ja einstudiert vorkommendes Erschrecken, Erstaunen, Empören, Entsetzen, dass außer mehreren Déjà-vus keine deutliche Erkenntnis bringt und in seiner Demenz-Prävention so aufgeregt unaufgeregt gehalten ist, dass man sich als Betrachter dieser Betäubungsstrategie wie trunken schunkelnd im Klappstuhl fühlt. Geringfügige Abwechslung im Einerlei der Kaderaufstockung bringt ein touristischer Ausflug ins relativ frisch erbaute Pik Uk minimum security prison auf der Halbinsel Sai Kung in den östlichen New Territories und eine weiterführende Schatzsuche nahe dem Yau Yue Wan Village; ein wenig Höhlenforschung samt Tierhorror schärft kurzzeitig Würze in die entkräftete Angelegenheit.

Die wenigen Martial Arts Wallungen, sichtlich vom Alter der Fabrikation betagt, kommen sporadisch aus heiterem Himmel, oftmals sogar bloß mit einem schieren Gimmick statt wahrer Notwendigkeit versehen und auch abseits der schon storytechnischen Belanglosigkeit weitgehend energielos-schlaksig und fern Athletischer Voraussetzungen gehandelt. Mehrere Male springt ein dickmopsiger Taxifahrer kampfbereit ins Getümmel, der mit dem eigentlichen Plostrang zwar ebenso wie der Großteil der Anwesenden eben nichts zu tun hat, aber wohl als Einziger auf dem Set die Fäuste schwingen kann. Zum Showdown bringt er noch seine befreundeten Kollegen mit, so dass der Dreh dieser Szene mal etwas aufwendiger, aber noch lange nicht als empfehlenswertes Husarenstück, sondern eigentlich nur genauso sinn- und bedeutungslos wie alles Vorherige anmutet.
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Dienstag, 23. Oktober 2007

Review: The Rebel [ 2006 ]

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Das Spektrum an vietnamesischen Filmen fängt bei den Meisten bei Tran Anh Hungs Der Duft der grünen Papaya an und hört bei seinem Cyclo auch schon wieder auf; mit Achtsamkeit und Lerneifer haben Manche diese Streuweite noch auf weitere Exponate auch der Filmemacher Victor Vu, Tony Bui, Ham Tran oder Minh Nguyen-Vo gedehnt. Richtige Aufmerksamkeit abseits dieses natürlich recht kleinen Kreises erregte erst wieder eine reine Genrearbeit, die gemeinverständlich einfach, mit massenkompatiblen Schauwerten und entsprechend gattungsreferentiellen Verweisen gehalten ist:

Truc 'Charlie' Nguyens The Rebel, dessen Originaltitel Dòng Máu Anh Hùng auf die Heroic Bloodshed Werke des Hongkong Kinos hinweist und sämtliche weitere Andeutungen leicht in Richtung der thailändischen Actioner um Panna Rittikrai und seine Schützlinge Tony Jaa und Dan Chupong verlegt. Ein netzwerkartiger Vergleich, der abgesehen einiger weniger Gedankengänge und offensichtlicher Lockmittel kaum etwas mit dem Film selber zu tun hat, aber natürlich beim ausländischen Rechteverkauf der 1,5 Mio USD teuren Chanh Phuong Phim Produktion half und die amerikanische Auswertung schnell in die Hände der emsig hantierenden Weinstein Company sog.

Grosse Anziehungskraft üben dabei die hervorstechenden action-standouts aus; eine gute dosierte Palette an Feuergefechten und waffenlosen Techniken, die sich neben der Inanspruchnahme von Hilfsmitteln und Alltagsgegenständen vor allem auf Knie-, Ellenbogen-, Bein- und schließlich auch Fausteinsatz verlassen. Eine nüchterne, dennoch äußerst wirksame Anordnung aus Muay Thai, Tae Kwon Do, Kali und Escrima, zusätzlich mit Jeet Kune Do und Wushu angewürzt. Keine elend langen Auseinandersetzungen, sondern immer hinsichtlich Ursache und Wirkung und der entsprechenden Nützlichkeit, Funktionalität, Effektivität und Verhältnismäßigkeit ausgerichtet beeindrucken neben den physischen Fähigkeiten aller Beteiligten auch der professionelle Stuntgebrauch – deren vorbereitende Planung nicht wenige der 80 Tage Drehzeit verschlungen haben dürfte – und die außerordentlich sichere Benutzung von Lichtgestaltung, Setaufbau, Bildsetzung, Kameramobilität und Schnitt.

Die internationale Ausrichtung kam deswegen sicherlich nicht von ungefähr, dennoch gelingt es Nguyen, neben einem hohen Maß an Datenunabhängigkeit, der allgemein gängigen Geschichte, dem Ansprechen grundlegend begreiflicher Emotionen und einprägsamer, wenn nicht gleich tiefer Figuren vor allem eines: Das Schaffen eines handwerklich erstaunlichen tadellosen Filmes, der die exakte Dramenklaviatur versteht, um die jeweils geeigneten Konfrontationen weiß und sie auch zumindest derart involvierend steigern kann, dass in der finalen Eruption nicht nur das Adrenalin, sondern auch das Herz einen Sprung nach oben macht. Dabei hilft vor allem die eigentlich ruhige Gangart, die sich plastisch und kommunikativ zugänglich um das Geschehen schmiegt. Eine filigran ziselierte Dynamik, die in vielen Szenen so zart und zerbrechlich wie Reispapier erscheint, trotz der Dominanz der Bildmediums samt aller monumental anmutender Einstellungen und der archaischen Handlung auch Unschuld und Naivität bewahrt hat und neben dem schematischen Fortgang auch Seele, Psyche und Gemüt einfließen lässt:

Vietnam, 1922.
Das Land ist seit einem halben Jahrhundert unter französischer Kolonialherrschaft. Die Last der stetig erhöhten Steuern, der Enteignung und Zwangsarbeit ruft die Bauern zum bewaffneten antifranzösischen Widerstand auf, der von der Verwaltung und der ausführenden Soldateska mit willkürlicher Beraubung, Internierungslager, Exekutionen und der Schaffung einer eigenen Eliteeinheit an vietnamesischen Agenten beantwortet wird. Le Van Cuong [ Johnny Nguyen ], der für Sy [ Dustin Nguyen ] und Colonel Derue [ Stephane Gauger ] tätig ist, ist des ständigen Mordens müde, ertränkt sein Schmerz im Alkohol und verhilft letztlich der gefangenen Rebellin Thanh [ Vo Thanh Thuy ] zur Flucht. Eine Menschenjagd durch Stadt und Land schließt sich an.

Die permanente Belagerung des Gebietes, das unterdrückende Drangsalieren und die Bürde der auferlegten Knechtschaft verbucht auch ohne ausführliche Schilderung eine Situation von Gefahr und Tod. Ein knappes Insert, das nur gering auf die Historie eingehen muss, um schnell die angespannte Lage zu umreißen, den Kampf um die Freiheit zum Kampf um das Leben zu verdeutlichen und die Seiten der Kontrahenten strikt zu veranschaulichen. Keine komplexe, schwer durchschaubare Semantik; so bedarf es auch weniger Worte und Ausführungen, um die Erzählung einer beginnenden Veränderung einzuleiten und ohne große Lücken und Hindernisse allein durch konkret artikulierende Vorgänge voranzubringen. Ein Illustrieren auf ausgedehntem Rahmen, allerdings nur auszugs- und abschnittsweise, ohne immense Vertiefung und titanisch voluminöser Ausbreitung. Ein leichtes Anskizzieren der allgegenwärtigen Despotie, von Repression und Terror. Die Darstellung unbemäntelter Assoziationen. Das Manifestieren einiger konkreter Akte, um mit didaktischem Anspruch die Negation gegen die ausländischen Teufel zu schüren. Bodenständiges, ablauforientiertes, prozedurales Denken und vor allem Handeln.

Besonders die Ausgangsdaten erinnern an eine Nachdichtung des gleichjährigen Dynamite Warrior [und wohl auch der Vorwegnahme des kommenden malayischen Kinta 1881]: Die Orientierung an derselben Problematik, realen Tatsachen und einem hypothetisch-kontrafaktischen Geschichtsverlauf sind ebenso offensichtlich wie die Übernahme des Funktionenmodells des Italowesterns, incl. der "Diener zweier Herren" - Frage. Nur diesmal nicht als Bizarro Trash im Anarchoklamauk, sondern mit schon ernstem Ansinnen.
Nebst einiger unverblümter verbaler Anklagen an die damaligen Schreckensherrscher, die auch manche Male ausgiebig Gelegenheit erhalten, ihre Unmenschlichkeit demonstrativ zur Schau zu stellen, ist es vor allem auch die spürbar dünne Rechtfertigung "Nicht alle Franzosen waren schlimm", die dem Film durchaus seinen Drang zur simplen, indiskreten Schwarzweissmalerei verleiht. Eine Figuren- und Szenenzeichnung, die abstrakt gesehen unstimmig übertrieben und vereinfachend banal gehalten sein mag. Aber vor dem Hintergrund der weltpolitischen Ereignisse besonders auch nach Ho Chi Minhs Unabhängigkeitserklärung im September 1945 und der Veröffentlichung zum 32igsten Jahrestag der Wiedervereinigung im April 1975 verstehbar, wenn nicht gleich komplett verzeihbar ist.

Gelungener als der Bezug auf Herrenmenschentum, Rassismus und Darwinismus ist der Einschub des Generationenkonflikts, die offenkundige Wanderung von der neu geschaffenen vermeintlichen Zivilisation in die noch jungfräuliche Wildnis und die Synopse über die Entscheidung zwischen Moral und Pflicht, Willen und Befehl. Als Le Van Cuong und Thanh aus der nunmehr französischen Stadt fliehen und sich in die ursprünglichen, von Fremdeinwirkung unberührten Wälder begeben, wechseln sie nicht nur Kleidung und Identität, sondern verlassen auch den gesamten Kulturkreis der Gesellschaften und legen den angeblichen Fortschritt von Wissenschaft und Technik ab. Auch die Ausrichtung der Personen auf ihre Eltern fällt vielfach auf. Einschließlich Jeder der Beteiligten steht entweder in der Schuld ihrer Vorfahren, in der Verantwortung für ihre Taten oder sieht sich gleich ganz als Vollstrecker ihres Erbes und möchte deren Lebenswerk fortführen bzw. das strikte Gegenteil dessen entgeltend verbüßen.
Ein immer während kontiniuerlicher Kreislauf, mit epochaler Gleichnisfunktion.
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Mittwoch, 17. Oktober 2007

Review: Big Job [ 1998 ]

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Es gibt auch Filme, bei denen kein Flattieren hilft, bei denen man noch so sehr säuseln, schmeicheln, sie aber dennoch nicht glaubhaft schönreden kann. Big Job ist eine große Aufgabe für die ganz Hartgesottenen. Für Diejenigen, die uneinsichtig, unbußfertig und wider besseren Wissens den Gang in das Übel wagen, sehenden Blickes noch jedem Schrecken trotzen und sich nicht zu schade dafür sind, zugunsten des Abklapperns der zu Recht unbekannten Werke auch mal herbe Niederlagen einzustecken. Zwar macht auch diese Dream Movie Entertainment / Tonrock International Investment Ltd. Produktion auf die ersten Meter und besonders den Ausgangs- und Eckdaten alles richtig, aber verliert dann schnell den Halt und fällt ungebremst ins filmische Aus.
Zumindest das Wissen um die weitere Karriere von sowohl Darsteller Chin Siu-ho als auch Regisseur Lee Chiu wurde hiermit ergänzend gdehnt und ein erneuter Schritt in Richtung Vervollständigung getan, wenn auch mit Schmerzen. In guten wie in schlechten Tagen.

Beide haben in den 80ern und frühen 90ern das kantonesische Actionkino vielleicht nicht erweitert, aber zumindest bereichert, auch da schon von der zweiten Reihe aus schießend die B-pictures veredelt und sich allgemein einen würdigen Namen mit kleinen, aber schnellen und knackigen Mittelklassereissern erworben. Die nunmehrige Tragödie im Wandel vom Qualitäts- zum Billigprodukt lässt nur noch wenig von der ruppigen, aber wenigstens effektiven inszenatorischen Kraft eines A Punch to Revenge [ 1989 ], Mission of Condor [ 1991 ] oder Marked for Murder [ 1992 ] anmerken, auch Akteur Chin ist hiesig weit davon entfernt, direkt neben Jet Li platziert auf der breiten Leinwand herumzuturnen. Das ernüchternde, vielleicht auch frustrierende Sichgehenlassen nach dem stetigen Hinabsinken in das trübe Loch der Gegenwart macht sich gerade bei ihm auch körperlich bemerkbar; neben einem losen Haarschnitt, der mit seinem flauen Pferdeschwanz höchstens einem small-time crop zur Ehre gereicht, hat man auch sichtlich Kummerspeck und unreine Haut angesetzt. Die ruhmreiche Vergangenheit formuliert ihn trotzdem zum Zugpferd des vorliegenden Geschehens; abseits dessen lassen weitere anreizende Lockmittel allerdings auch lang auf sich warten. Ein Masochistischer Behelfsplan für den Notstand, zwischen Abrissbirne, Verputzplatten und Brachland:

Als sein als Undercover-Cop tätiger Bruder von den Gangstern Lung [ Leung Hak-Shun ] und Wan [ Suen Kwok-Ming ] aufgedeckt und getötet wird, sucht der gerade aus England zurückgekommene A-Jei [ Chuek Wai-Man ] blutdurstige Rache. Dazu schmeißt er sich erst an die Tochter von Lung heran, werkelt sich dann in dessen Organisation nach oben und erschleicht sein Vertrauen. Währenddessen versucht Chang Jiaming [ Chin Siu-ho ], head of serious criminal events, sein Glück von offizieller Seite aus.

Der Film selber probiert es mit göttlicher Hilfe, experimentiert mit dem Heil in die Flucht und hält sich darüber hinaus noch schadlos an Bewährtem fest. Zu Beginn darf man noch frohen Mutes auf ein asketisch enthaltsames, aber die züchtigen Möglichkeiten zumindest ausnutzendes Sparprodukt aus dem Discounter-Regal sein, sich an strammen Einstiegstempo, rapide abgeschnittenen establing shots und kompromisslos verkürzten Dialogen erfreuen. Ein fliegender Start, der Hoffnung auf unkomplizierte, beweglich-agile, knochentrockene Basiswartung verspricht und für einige Minuten auch erfüllt. Die Handlung mitsamt einem Bandenkrieg und einer rabiaten Chinagang für Genre und Zunft fortdauernd bewährt; zwar jenseits jeder ingeniösen, kreativen oder sonstwie intellektuellen Anarchie am Rande des Bankrottes angesiedelt, aber wenigstens an ungebrochener Heimatpflege interessiert: Hemmungslos wird sich bei Andrew Laus To Live and Die in Tsimshatsui [ 1994 ] bedient; nicht einmal so sehr in der Gedankenlinie selber, aber in der Direktübernahme prägnanter Szenen, die unkollegial im regelrechten 1:1 übernommen wurden.

Die erste Ernüchterung kommt dann nicht einmal durch das hereinbrechende stock footage, dass sich zwar anfangs auch einer einleitenden Actionszene bedient - [könnte gar aus Mission of Condor sein, aber Schießereien auf Containerplätzen gibt es wie Sand am Meer] -, aber baldig darauf ausruht, einfach nur die Aussenlocation zu sparen. Das Budget lag wohl möglich so niedrig, dass wahrhaftig die Schauplätze aus anderen Filmen einspeisend vorgegaukelt werden; die Sicht auf das Polizeiquartier sowie eine Lagerhalle und ein Blick aufs Meer hinaus stammen aus einem schon von der Bildqualität und dem aspect ratio überdeutlich verschiedenen Material. Dass die Innenaufnahmen nun auch nicht gerade vor Anmut und Schönheit übersprudeln, sich die Oberen Triaden in etwas aufhalten, was wie ein sehr schmales Jugendclubhaus mit Plastiktisch und grünen Ledersesseln aussieht und man sich auch sonst nur in den schummrigsten, lumpigsten, beengtesten Orten aufhält, verwundert dann wohl Niemand mehr. Wenigstens konnte man sich mehrmals etwas Gutes für Leib und Seele tun: Dampfbad, Sauna und Massageparlour zählen ebenso zu den aufgesuchten Wirkstätten wie auch die anliegende Nachtbar, incl. der traditionellen Schlägerei.

Action selber ist dann auch so sporadisch gar nicht; spärlich in Bezug auf Quantität und Qualität im Vergleich zu finanziell und schöpferisch vorteilhafter versorgten Fabrikaten sicherlich, aber für Zweck und Herkunft erfüllt man trotzdem seine Mittel. Gleich als Opener stürzt Jemand durch einen Glastisch, weiter geht es mit einem missglückten Waffendeal, der Beseitigung des Spitzels, einer Kanaillenhaue, Attentat und Razzia; sogar der anonyme Hauptdarsteller beweist sich in den aktiven Einstellungen als halbwegs fähiger Könner, der sich in Aktion und Reaktion gewandt durch die gegnerischen Mauern schlägt. Schade nur, dass man dort die Kamera zu ungeschickt, widerspenstig, übermotiviert herum schleudert und der Ton + Toneffektschnitt nicht nur stetig gleich bleibend, sondern auch in heilloser Übersteuerung innehält. Diese Art der komplett verhunzten digitalen Nachbearbeitung kann man nur als Armutszeignis bezeichnen, selbst für einen schlechten Scherz reicht es nicht mehr.

Schlimmer erwischt es nur die Optik, die offensichtlich von behelfsmäßig arrangierten Streikbrechern arrangiert wurde und dem Begriff Zelluloidmüll seine wahre Daseinsberechtigung gibt. Natürlich wurde auch hier die DV-cam benutzt, allerdings bekommt man nicht die übliche steril-aseptische Klarheit, den unfilmischen Naturalismus ähnlich einem heißblütigen Heimvideo geboten. Sondern eine Sicht wie durch die verdreckte Milchscheibe, alles recht stumpf, dunkel, ausgebleicht und blass. Mit kaltem, unvorteilhaft verschandeltem Licht, ohne Glanz, ohne Klasse, mitten rein in die Bedürftigkeitsfalle.
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Dienstag, 16. Oktober 2007

Review: Blood Brothers [ 23/08/2007 ]

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Ein Neuanfang verbunden mit der Rückkehr in die Heimat. Ein Debüt, dass gleichzeitig ein Comeback darstellt, die Antrittsrede mit einer Wiederbelebung beginnt und den gesamten Erstauftritt auch als Regenerierung erscheinen lässt. Kein wirklich frischer Wein in die alten Schläuche, die nach der Haushaltsregel dann nur vor Vitalität zerreißen würden. Sondern eine Absicherung durch Erbe und Gepflogenheit, die einzig mit modernen Mitteln noch einmal und durch veränderte Zeit, Umstände und Blickwinkel auch noch einmal neu erzählt werden. Kein stures Nachempfinden vergangener Geschichten und verstorbener Bräuche, sondern das bewusste Ausruhen auf einstmals gebettete Lager, um mit wohlauf erhohlter Kraft eine unverbrauchte Vertrautheit mit Worten und Vorstellungen herzustellen.
Derartig kann man das momentane Hong Kong / China Kino am Besten, vielleicht ein wenig zu idealisierend umschreiben. Blood Brothers ist ein Musterexemplar.

Die Geschehnisse gab es Alle schon, auch die Bilder zehren von überlieferten Begebenheiten, von Hörensagen, Weitergabe durch die Alteingesessenen, von Alt zu Jung. Regisseur Alexi Tan, der zuvor als commercial director für Marketing und Promotion tätig und somit als ästhetisch kultivierter Gourmand beschäftigt war, hat sich dabei gleich von mehreren Quellen inspirierende Unterstützung geholt. Der Ausgangspunkt des Projektes, dass bereits vor drei Jahren seinen Anfang nahm, dürfte dabei durchaus in der anregenden Erleuchtung durch John Woos Bullet in the Head [ 1990 ] gelegen haben. Die impulsive pathologische Studie um drei fest verschworene Jugendfreunde, die auf ewig miteinander und für einander da sein wollen, selbst durch den Krieg nicht zerrissen werden, aber letztlich aufgrund unterschiedlicher Ziele und Werte doch verschiedene Wege gehen, war Woos persönlichstes, wütendstes, unversöhnlichstes und zerbrechlichstes Werk. Dass direkt durch reale Ereignisse und an eigenem Leib erlebter Erfahrung ausgelöst wurde und all den Grimm, Aufbegehren und Schmerz im Rahmen einer ausgeliehenen Genregeschichte mit eruptiver Brachialität regelrecht auf die Leinwand stiess. Obwohl bisweilen als Remake dessen propagiert und mit Woo selber als Produzent beworben hat Blood Brothers außer der Ausgangsidee ebenfalls dreier Männer, die sich seit frühester Kindheit kennen, einander vertrauen und gemeinsam in eine bessere Zukunft aufmachen, überhaupt nichts damit zu tun.

Der hiesige Film, in der direkten Übersetzung des chinesischen Originaltitels "Doorstep to Heaven" oder "Gate to Heaven" lautend, stellt vielmehr eine so stark variierte Übertragung dar, dass ihm die unnötigen und offenkundig einzig für die Verkaufsförderung addierten Querverweise bei einem strengen Blick nur schaden müssen. Tan hatte sich in privater Natur von den Erzählungen Woos animieren lassen, aber nicht nur den Schauplatz ins Shanghai der 30er verlegt, sondern auch die Handlung komplett umgruppiert, sie jeder gesellschaftspolitischen, sozialkritischen, [anti]militärischen Komponente und ihrem undogmatisch offenen Bau entledigt. Und sich statt eigenem Wissen und Wollen vielmehr auf die Grundzüge der Gattung verlassen. Heraus kam ein Gangsterdrama, das für sich alleinstehend gesehen immerhin visuell alles richtig macht, optisch auch blendend ausstaffiert, lieblich besetzt und in seiner geschmackvollen Schöngeistigkeit auserkoren makellos ist. Aber weder etwas Originales noch Individuelles oder zumindest Kreatives besitzt.

Kein eigenes Risiko. Kein eigener Gewinn.
Gesetzmäßigkeiten, die Grenzen setzen und man nicht überschreiten kann, solange man nicht den revolutionären Akt der Selbstbefreiung vollzieht.
Gleichfalls Motto für den Film als auch in ihm:
Jiaoli, in der Provinz Shaanxi. Der Fischer Ah Feng [ Daniel Wu ] wird von seinen Freunden Da Gang [ Liu Ye ] und dessen jüngeren Bruder Xiao Hu [ Tony Yang ] überredet, zusammen der Heimat den Rücken zu kehren, nach Shanghai zu gehen und dort etwas zu werden. Feng lässt sich durch die Aussicht auf Geld - die Freundin hat Schulden, die Mutter ist krank - überzeugen, muss aber schnell feststellen, dass auch in der Großstadt einem nicht alles zu Füßen liegt. Zwar findet er mitsamt den Brüdern bald eine Anstellung beim Gangsterboss Brother Hong [ Sun Honglei ], wird aber schnell mit der skrupellosen Brutalität und kaltschnäuzigen Erbarmungslosigkeit der Unterwelt konfrontiert. Dass er sich in die Nachtclubchanteuse Lulu [ Shu Qi ] verliebt, die sowohl Hongs Leibeigene als auch die heimliche Geliebte des Killers Mark [ Chang Chen ] ist, macht die Konstellation nicht leichter.

Das beehrende Spiel mit den strukturkonservativ-systemimmanenten Materialien gereicht dem Film genauso zum Vor- wie zum Nachteil; die Konzession an die Tradition erleichtert nicht nur den Einstieg, sondern auch die Übersicht über den desöfters kurzatmig stockenden Aufbau. Geschehnisse werden nicht in langwieriger Vorbereitung ausgebreitet, sondern im jeweiligen Jetztzustand angerissen; ein oftmals abruptes Hineinwerfen in die spezielle Situation, die auf zusätzliche Erläuterungen und detaillierte Entwicklung verzichtet und das wenige Gezeigte als Ausreichend betrachtet. Aktuelle Unannehmlichkeiten, Schwierigkeiten, Schwachheiten, Versagen, Probleme oder Verwirrungen werden abstrahiert von Bisherigen, nicht nahtlos miteinander verbunden, vielmehr mit harten Übergängen in Augenschein genommen. Ein vielleicht nicht diskontinuierliches Verfahren, dass aber recht gebrochen und unartikuliert, wie im Nachhinein stark abgekürzt wirkt und auch die ätherisch fragilen Figuren immer autark von den Anderen versiegelt. Dass man keine Probleme hat, der teuren Augenschmaus-Handlung voll weihevoller Noblesse zu folgen liegt an der Kenntnis der nahezu urkundlich beglaubigten Substanz und der ausreichenden Hinweise. Aber ein tieferes Eindringen in die apart fotogene Masse, hin zu Seele und Herz der Figuren, und ein Ausdrücken von elegischer Emotionalität und melancholischer Exzessivreflektionen gelingt damit allein nicht.

Wie auch in Woos Bloodshed-Werken, an die man einerseits erinnert, werden Vertrauen, Freundschaft, Brüderlichkeit, Loyalität, Integrität und ihre Antonyme als entscheidende Auslöser für den späteren Kampf um Leben und Tod herangezogen, allerdings nur in der rhetorischen Behauptung. Der Missbrauch von Glaube, Verlass und Sicherheit bleibt ein ebensolch hypothetisches Statement. Eingefroren in der edlen Ausstattung, dem formvollendeten Doktrin von Ritus und Zeremonie und dem Verstecken des inneren Seins hinter dem äußeren Schein erinnert man zuweilen mehr an das shakespearianische Drama der vorprogrammierten Existenzweise; zuletzt mit seiner "Konstante statt Selbstbestimmung" Formel in den vorjährigen The Banquet und Curse of the Golden Flower nachexerziert. Das komplette Gegenteil von zähnefletschend und zornentbrannt, eher Ungemein theoretische Gesten und Monolog und Dialog wie Amtshandlungen als rein funktionale Vorgänge gehalten. Mit genau inspiziertem Schematismus, der längst nicht nur zur Gewohnheit, sondern regelrecht zur majestätischen Selbstverständlichkeit geworden ist.

Auffällig dabei auch die Überschneidungen mit der damals beginnenden Filmindustrie, die immer wieder als gleichnishaftes Sinnbild, ja als schwärmerische Generalmetapher hinzugezogen wird. Brother Hong stellt in den Augen der Öffentlichkeit grosses Kino her. Lulu, die schon so zumeist vor dem Glitzervorhang parliert, möchte gerne ein Filmstar werden. Ah Feng lädt sie zum ersten Date in ein Atelier, in dessen sichtlich künstlicher Fantasielandschaft sie das einzige Mal unbeschwert sein kann. It's all in the movies statt it's all about love. Analog dazu das perfekte, aber ebenso ernüchternd artifizielle Setting von costume and image designer Tim Yip und production designer Alfred Yau, mitsamt Exaltierter Erzählweise und hochgezüchteter Inszenierung, die selbst die wenigen Actionszenen nach Theaterkunde aussehen lässt. Der unbedingte Stilwillen und die immerhin entsprechende Beherrschung der Festivaldramaturgie sind mittlerweile gängig, aber dennoch beeindruckend. Man verzichtet auf eine trockene Überanstrengung, einen übertrieben hartnäckig steifen Trott und den ewig wiederholenden Kreislauf, und konzentriert sich neben der annähernden Monochromatik der Bilder [eine gigantische Brau-in-Grau-Installation] immens auf den gnadenlosen Konkurrenzkampf von Licht und Schatten.
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Donnerstag, 11. Oktober 2007

Review: Hard Trail [ 1998 ]

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Dass auch die Schmiede Dream Movie Entertainment / Tonrock International Investment Ltd. sicherlich nicht alle tagelang die filmischen Goldnuggets aus dem Ärmel schütteln, vermerkt man an Hard Trail. Freilich lässt sich auch hierbei gut beflissener Funke und inspirierende Essenz hinter Produktion, Fabrikation und Distribution erkennen, das Pendeln an alten Traditionen entlang, die Sicherheit durch mehrere anerkannt bestätigte Mitwirkende vor und hinter der Kamera.

Dass allein dadurch noch lange kein Reißer für die nächste Generation herum kommt, dürfte klar und verständlich sein. Es geht um die seichte, eigengesetzliche, exotisch-fremde, unerforscht-fernstehende Unterhaltung fern des Einheitsbühnenbildes. Um das Wühlen, ja Suhlen im dunklen, feuchten, schwitzenden Sumpf abseits der tourismusverseuchten Blockbuster-Badestrände. Um die Essensaufnahme in der verwaisten, aber wenigstens individuellen Currybude mitten in der Einöde, statt nur die nächste Großküche anzupeilen und sich in die Schlange einzureihen. Natürlich braucht man noch zusätzlich das Hobbyfahnder-Faible für den Blick weg von den prunkend glitzernden Verlockungen, den vollmundigen Anpreisungen und den in monatelanger Werbestrategie entworfenen Überrumpelungstaktiken.

Hard Trail bietet diesen Kitzel der Attraktivität nicht, kann es auch nicht und leistet sich höchstens die kleine 08/15 Standardgeschichte voll privatem Ungemach, abgerundet mit einigen Ausflügen in die erwähnt versiffte Fast Food Stelle, einen sichtlich zerbombten Pferdestall, Hintergasse, engster Schmalspurbehausung und jeweils einer Büro- und einer Nachtclubhöhle. Bis auf die zwei Hauptdarsteller passt sich auch die äußere Erscheinung, speziell die Physiognomie der Figuren den lokalen Baracken an; außerdem tragen alle die Kleidung auf, die Michael J.Fox spätestens Ende der 80er vor Verschliss vom Leib abgeplatzt ist.
Die Handlung ist ähnlich neu:

Shenzhen, Huanggang.
Customs Officer Tang Chuen [ Chin Kar-lok ] regelt den Warenverkehr am Grenzübergang von China nach Hong Kong. Eigentlich ein rechtschaffener Mann, der nur die Einhaltung und Verteidigung der Gesetze und die bevorstehende Ehe mit Siu Fan [ Strawberry Yeung ] im Kopf hat, gerät Tang unfreiwillig in die Zwänge des Schmugglers Law Ching-yeung [ Mai Kee ] und seiner rechten Hand Wo [ Billy Ching ]. Diese erpressen Tang damit, dass er während eines Kampfes Lams jüngeren Bruder getötet hat und sie sich revanchieren, sollte er nicht wegen ihren Lieferungen ein Auge zudrücken.
Tang kommt ins Schwitzen.

Der Zuschauer nicht, dafür ist die Geschichte in seiner minimalen Vielfalt und der maximalen Einfalt zu lang gestreckt. Trotz aller finanziellen Auflagen und den Beschränkungen des damals sowohl gesättigten als auch baldig aussterbenden Marktes lässt sich ein eiserner Wille der Macher auf bestmögliche Ergebnisse immerhin registrierend schön reden, wenn nicht gleich komplett wohlwollender Betrachtung unterziehen. Nach einem gescheiten, wenn auch holprigen Start, bei dem ein blutiger Raubüberfall auf den Transport des Nationalschatzes vollzogen wird - [ = ein paar Schergen überwältigen ein paar Gepäckträger im Kulturpark, die gerade sichtlich leere Umzugskartons tragen ] - schweift die Handlung sinnigerweise erst einmal ab. Werden die großen Probleme ignoriert, so die Aufmerksamkeit auf weitere Dinge gelenkt und das Interesse durch narrative Umwege und der Herausstellung von Kontrasten statt dem geraden Gewaltmarsch erhöht. Wie der Mann vom Zoll an den Schmuggler gerät ist dabei gar nicht so ungeschickt gehandhabt, sogar mit einem kleinen zwischenzeitlichen Aha-Effekt und einem späteren Plottwist ausgestattet, die die Bonität kurzfristig verbessern. Das vielseitige Bemühen auf ein Mehr in Skript und Ausführung, in denen man gewisse Zutaten, Fähigkeiten und Entschlüsse zumindest im Vorsatz erkennen und in der beginnenden Ausführung erblühen sieht. Ist der Clou des unheilvollen Arrangements dann mal Anfang des dritten Viertels geknüpft, fehlt aber die frühherbstliche Zündung, der Druck aufs Gaspedal, das Schalten in die hochtourigen Gänge.

Gottseidank kürzt man die inneren Zweifel und überlegenden Gedankengänge von Tang Chuen auf einige ratschlagfragenden und tippgebenden Gespräche mit seiner angehenden Frau ab; auch die chinesische Bürokratie wird nicht über Maß strapaziert. Trotzdem vermisst man die Ausdrucksmöglichkeit hinter dem Geschehen, die Bedeutung und Bestimmtheit des Ganzen, die Momente von Bedrängnis und Gefahr, die Relevanz der moralisch widerstreitenden Kräfte und der beeinträchtigen Entscheidungsfreiheit. Dass sich Sachlage und Personenstatus unscheinbar schmächtig aufführen ist Eines. Dass Emphase, Energie und Intensität ähnlich pygmäenhaft kniehoch bleiben, eine andere.
Schnellere Abschnitte relativ rar, entwickeln sich aber ausdauernder und arbeiten dann gleichwohl mit der exakten Linie des gun fu Stils der 80er und 90er, sprich: Das meilenweit erkennbare Ärgernis, die pathetischen Ansprachen, das wilde Stürmen in die Deckung, die eigentlich unnötigen, hier auch etwas steif aussehenden Rollen vorwärts und seitwärts in die geeignete Schußposition, das insgesamt grobdynamische Bewegen, das wüste, ziellose Streufeuer, das gestrichene Nachladen, die deutlich auf Knopfdruck explodieren Blutpäckchen, die hohen Beinchen und fliegenden Fäuste beim infight.

Zum Teil schreiend lustig sind die typischen Logikklöpse nebenbei: Da wird so unpfleglich mit den entwendeten Dinosauriereiern umgegangen, als träge man nicht Darwins Erbe in der Sporttasche, sondern aufgepumpte Fußbälle mit sich herum. Die Polizei nimmt Telefongespräche mit einem verstaubten Tonbandgerät ähnlich dem DENON Tapedeck dr-m 11 auf und will dann noch weissmachen, dass man damit auch Hintergrundgeräusche heraus filtern kann.
Nicht nur da macht sich bemerkbar, dass mit Regisseur Heaven Yiu Tin-hung zwar dem Namen nach auch ein Fachmann für das ureigene Genre an Bord ist, dieser aber weder über die Filmographie noch das dahinter steckende Können eines Wong Jan-yeung verfügt und zackig exerzierte Action lieber mit unreifen Textpassagen zu geklautem Gary Chang Score ersetzt.

Yiu, dessen Karriere nie wirklich stagnieren konnte, da sie gar nicht richtig anfing, wurde mit der Zeit eher noch schlechter, gleichzeitig zu unbeholfen und zu statisch sicherer. Der Abstieg von Secret Police [ 1992 ] über Drugs Fighters [ 1995 ] zu Gold Rush [ 1998 ] zeichnet beispielhaft das rückläufige Nachlassen jeder speziellen Handschrift oder wenigstens einer spürbaren formalen Cleverneß hinsichtlich intrigantem Schwung auf. Die residierende Inszenierung mit linder Genauigkeit bleibt trotz aller vorhandenen Mobilität weitgehend gediegen, wie aus dem Episodenführer für angehende Telenovelas.
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Montag, 8. Oktober 2007

Review: To Kiss is Fatal [ 1998 ]

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Eine angenehme Überraschung, heimlich, still und leise, aber dafür mit Schleifchen aus dem Hause Dream Movie Entertainment / Tonrock International Investment Ltd präsentiert. Ein weitgehend unbekannter Vertreter ihrer durchweg anonymen, aber dafür zumeist erstaunlich gelungenen Produktionen, die im Subgenre der DTV Action oft kleine Glanzstücke darstellen. Da der symbolische Pfennig die nackte Wirklichkeit ist fließt auch bei Ihnen nicht Budget und Talent im Überfluss, aber das Haushalten und Wirtschaften mit den wenigen Penunzen gelingt häufiger und sicherer als üblich, und zudem zuweilen gar auf blendende Art und Weise. Sichtlich mit knappen Mitteln ausgestattet, verfügt man über den scheinbar unbedingten Willen, doch noch das Beste aus der allgemeinen Misere herauszuholen; es hilft natürlich auch, wenn man im Stabilitätspakt neben dienstbeflissener Energie und schöpferischer Kreativität bezüglich des geeigneten Skripts auch einen Regisseur vorrätig hat, der geradezu eine Ikone im Bereich des preiswerten Actioners darstellt: Wong Jan-yeung.

Für die Meisten ein großes Fragezeichen, aber besonders für die Anhänger derlei Arbeiten und deren einstweiligen Aushängeschilder Moon Lee bzw. Yukari Oshima durchaus einen anerkennenden Gruß wert, musste Wong wie Viele seiner Kollegen beim Niedergang des Filmgeschäfts auch mindestens eine Stufe hinabsteigen. Dass man auch hier in Wort, Bild und Ton eher an ein aufwendiges Heimvideo erinnert statt an einem Kinofilm ließ sich deswegen schwer vermeiden; aber im Gegensatz zu den anderen Nichtfachmännern und Scharlatanen kann Wong geradezu als prophetischer Heiliger auf seinem Gebiet zwischen Mangel und Mythos bezeichnet werden. Er bringt auch bei den Dialogszenen als besonders problematische Stellen durch flüssige Kamerawechsel, stramme Schnitte und interessante Bildeinstellungen Effektivität in das Geschehen, verhält sich auffällig betriebsamer und füllt den Raum statt mit den Klischees vom abgefilmten Theater und entsprechend trockenen Lückenfüllern tatsächlich mit einer Geistesblitz-Geschichte. Umrandet von einer fatalistisch-tragischen Liebe, die manch Zeit und Gelegenheit für asynchrone best of cantopop Karaokedarbietungen findet:

Kampfsportcrack Chen Xiong [ TVB semi-Star Frankie Lam ] kann es sich leisten, sein gesamtes Leben in der Turnhalle zu verbringen, wurde ihm doch von seinem mittlerweile verstorbenen Vater eine ganze Insel plus Villa vermacht. Als er seine Freundin Jin Li [ Jacqueline Law ] sowie seine Trainingskollegen zum Geburtstag in das Anwesen einlädt, passiert noch wesentlich mehr, als dass er nur die insgeheim in ihn verliebte Club-Partnerin Yi Hua [ Yukari Oshima ] vor dem Kopf stößt. Kaum auf der abgeschotteten Einöde angekommen, findet Chen Xiong mehrere Tote unter dem Dienstpersonal vor, auch sein Butler Fu [ Chan Lau ] wird bei einem Ausritt auf dem hauseigenen Motorrad durch ein quer über die Straße gespanntes Seil schwer verletzt. Die eilig herbeigerufene Inselpolizei kann allerdings keine Leichen finden. Und die Party fängt erst an...

Dabei ist die erste Hälfte der aktiven Liquiditätsauflockerung eindeutig die Geschicktere. Verbindet sie doch mehrere abweichende Elemente und standeswidrige Bräuche zu einem erfreulich stimmigen Ganzen, dass in Aufbau, Optik und Behandlung zuweilen gar an einen asiatischen Giallo erinnert und sich beileibe nicht hinter den artverwandten Death Curse oder Dating Death verstecken muss. Inhaltlich ein fortschreitendes Systematisieren, in der mehrere Spuren wie mit Brotkrumen ausgelegt verfolgt werden, die Praxis der Theorie vorauseilt und man sich rasch im Ungewissen verliert. Mysteriöses wie beim Wallace, incl. dem unheimlichen Schwarzen Kapuzenmann, der immer einige Schritte schneller ist und sein tödliches Katz-und-Mausspiel mit überlegener Allwissenheit zu treiben scheint. Und nebst dem subjektiven Blick, der den Zuschauer unweigerlich in die Täterposition zwingt.

Großartiges Setting - wie Schlosspark Pillnitz mit Pool - ,dass von außen schon den Eindruck der Sommerresidenz des sächsischen Hofes macht und sich alsbald reichlich Aufenthalt in einem geräumigen Salon verschafft, der wie viele Zimmer in diesem großherzoglichen Palais mit allen Schikanen der Innenarchitektur möbliert ist. Fein geschnitzte Rattanstühle, weitflächige Ölgemälder, Skulpturen, Gobelins und andere Ausstattungsgegenstände. Eine stabile Bar aus Eichenholz als angrenzender Zuschauermagnet, desweiteren klarweisse Marmorsäulen und edel gefüllte, mannshohe Pflanzenkübel quer durch die gesittete Arena verteilt, die in allen vier Enden mit jeweils einem ausgedehnten Treppenpodest versehen ist. Die für das sonstige Sujet komplett ungewohnte Mörderhatz verlagert sich einige Hilfeschreie, Grübeleien und Drohanrufe später in den Landschaftsgarten, wo man plötzlich kantige Martial Arts Eingebungen in den modernen Fulci speist und in die rapide Tritt- bzw. gar Schlag- und Nahdistanz wechselt.

Dergleichen waffenloser Zweikampf und Clinch-Situationen folgen dann noch häufiger, Plotteil #2 ist mit der handelsbeständigen Rachethematik formuliert, diesmal auch mitten in der Stadt angesiedelt und mit temporalen Ellipsen kreiert. Eine wesensfremde Abkehr von dem bisherigen Geschehen, nicht nur durch mehrere unvereinbare Rückblenden. Das nunmehr landläufige Einer gegen Alle wird durch einen knappen Hintergrund mit einem Juwelenraub, einer verbrecherischen Familiengeschichte und dem zurückliegenden Zwist zweier Gangster gefüllt. Mehrere logische Willkürlichkeiten, gar Idiotien sowie die gängige Bescheidenheit verwendeter Utensilien - die Juwelen sehen nicht nur auf den ersten Blick aus wie Glasperlen aus dem Kaugummiautomaten. Alle Figuren tragen unförmige Jeans sowie Polohemden aus dem Textildiscount - kann man leicht verschmerzen, wenn selbst die backflashs auf visuell temporeiche Anregungen konzentriert sind. Ein misslungener Geschäftsdeal sowie eine violente Polizeirazzia werden für Shootout, Minibömbchen und emsigen Sprüngen in die rettende Deckung benutzt, ein alter Kinosaal und dessen Hausdach für competitive catfights und Stürzen aus der Erhöhung. Auch wenn es technisch sicherlich auf eher mittlerem Niveau bleibt: Löblich die Cameos der Alteingesessenen Tony Liu Jun-guk und Robert Mak, der moderate Härtegrad, die Verwendung kompakter und gut organisierter Montagen, der Verzicht auf zu konventionelle Materialanordnung und damit die Herstellung einer intensiven rhythmischen Beziehung.
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Mittwoch, 3. Oktober 2007

Review: Fatal Attraction [ 2000 ]

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Die letzte Bastion ist gestürmt.
Die nach unten schon so sehr flexible Qualitätsskala im DTV-Bereich wurde gerade um ein weiteres Mitglied erweitert und scheint nunmehr gänzlich offen zu sein. Fatal Attraction beweist in seiner kleinkarierten Engherzigkeit alles Andere als eine Anziehung und wirkt vielmehr als abstoßende Kraft, als Abneigung, Widerwille und Mißbehagen.

Für eine Handvoll Renminbi Yuan in Shantou in der Provinz Guangdong produziert, verlässt sich das von konventionellen Funktionen entbundene Werk auf den allerniedersten Standard der Filmherstellung. Mit dem rudimentärsten Einsatz jeglicher Leistung, der hilfsbedürftigsten Sinnträchtigkeit und dem geringfügigsten Interesse an einem Gelingen.
Während die erbarmungswürdige Grundidee einer querköpfigen Handlung zumindest da ist, sei sie auch noch so wiedergekäut, kann man alles Andere in seiner benachteiligten Un-Kreativität komplett vergessen. Sogar in der eh schon wenig ruhmreichen Karriere von Philip Ko und seinen Handlangern sah man selten ein derart verkümmertes Werk geringster Impulse, zwischen Spott und Verachtung, Mitleid und amüsierter Duldung. Mehr missbraucht als gebraucht. Unter eigenen Schmerzen fremdes Elend sehen:

Ming [ Stephen Au ] hat wegen seiner Spielsucht Schulden beim Kleingauner Wong [ Philip Ko ], die sich dieser gerne mit einem Gefallen vergolden lassen möchte. Da Ming über Verwandtschaftsklüngel in der Chiu Chow Association angestellt ist, die ihr Geld mit Herstellung und Vertrieb von Video CDs verdienen, soll er die Firma intern ein bisschen in Bedrängnis bringen; was wiederum den Profit des Konkurrenten Wong steigert. Als Ming sich weigert, wird seine Großmama entführt und gefoltert. Doch die Manager und Mings engsten Freunde Wan Chung [ Vincent Wan ] und Chow Siu Lai [ Lily Chung ] bekommen Wind von dem schändlichen Treiben.

Mal etwas Anderes als der übliche Schmonzens um designierte Killer und Triadenfehden, eher ein schockierend substanzloser Tumult aus Soap, Krimi, Bloodshed und Drama. Fehlerhaft bis zur totalen Unglaubwürdigkeit und trotz der Sicht von Finanzabenteurern weder aufschlussreicher als gewohnt noch anderweitig faszinierender gehandhabt. Das hiesige Setting ist mit seinen drei Innenräumen scheinbar eigens dafür angelegt, noch mehr Geld als üblich zu ersparen, schließlich kann man sich jegliche Action und andere budgetverspeisende Glanztaten mit Hinweis auf die Schreibtischhengste und ihren Aktenbergen komplett verkneifen. Für adäquaten Ersatz als Lückenfüller wird aber so gar nicht gesorgt, in punkto Unterhaltung wurden alle ideellen Werte verraten und verkauft.

Darstellerisch wieder mal am Rande der Resignation entlang, ohne Feuer, ohne Lust, anscheinend gar aus Zwang. Tatsächlich fragt man sich beim Betrachten, warum die Teilnehmer der Städtereise im Wintermonat der Intelligenz überhaupt zur Arbeit kamen, oder ob sie ähnlich wie Oma Ming mit brühend heißen Wasser vor die Kameras überredet wurden und deswegen im törichten Unmut agieren. Action bis auf etwas Zunder im Finale komplett passé, es sei denn, man zählt ein wenig trostloses Getrete und Geschubse mit; noch zusätzlich nahezu durchweg in den finsteren Spelunken mit zugezogenen Vorhängen positioniert und mit hinterwäldlerisch-steriler Kameraarbeit fotografiert. Das Cat III Siegel ausnahmsweise nicht wegen nackten Frauenleibern, sondern einigen Gewalt- oder Foltertaten verliehen; zwar absolut nicht explizit oder anderweitig ausführlich, aber im kläglich jammervollen Kontext durchaus wirksam gehalten: Kaum Bewegung, reizlos leer, stetig dieselbe Einstellungen, die repetierend dröge Musik, das belanglose Umherschlendern zwischen Einkaufsbummel, Telefonaten und ein wenig Büroarbeit.

Ein verknöchertes Totschweigen wahrer Gefühle und reeller Emotionen, stattdessen das Festhalten an blindgläubigen Ritualen, steifen Bewegungen und trotziger Mimik. Lebensfremd, weltentrückt, wirklichkeitsfern. Selbst als anfangs neugierig machende Insidergeschichte funktioniert man nicht, da die Problematik der VCD Herstellung wie bei Lieschen Müller erklärt wird und man ausser reichlich abstrakten Geschäftstalk und Aktientransaktionen - "Panama, Mauritius und Nicaragua kaufen unsere Filme. Wir machen Millionen." - jedwede Einblicke und aufschlüsselnde Informationen schlichtweg vergessen kann. Immerhin reicht der Gesprächsnonsens über die kontinentevereinende Luxusmarke VCD zu Beginn noch einige humoristische Höhepunkte, aber da sich die Dialoge wie beim Tarantino ins Immense stapeln und es baldig zu elend wird, fällt auch dieser Vorzug schnell flach.

Punkten tut man sowieso nur in der haarsträubenden Absurdität; wenn man denn auf Wohlwollen der geneigten Zuschauer trifft, sich auf wirklich jeden Schwachsinn einzulassen.
Da greifen die gesellschaftsführenden Anteilseigner bei vertraulichen Bestrafungen hinter verschlossenen Türen zum Rohrstock, um die drohende Geschäftsschädigung mit 35 Schlägen auf den Allerwertesten auszutreiben.
Der alte Hausmeister der boomenden Firma wird beauftragt, den Besen gegen Messer und Taschenlampe zu tauschen und Nachts allein das offene Warenlager zu bewachen.
Oma Ming, die blind, krank und alt auf Nachkommen in letzter Sekunde wartet, tastet erstmal alle weiblichen Gäste ausführlich in Gesicht und Hintern ab - "round enough and elastic".
Ihr Enkel verzockt sein Gehalt bei einer staatlichen Lotterie, die live in Wongs Nachtclub übertragen wird und in ihrer bestimmt zehnminütigen Ziehung den wahrhaft aufregenden Einstieg des Filmes und die spannendste Sequenz gleich mit darstellt. Schließlich starren auch jeden Samstag Abend Abertausende Menschen auf Lottofee Franziska Reichenbacher.
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