Mittwoch, 3. Oktober 2007

Review: Fatal Attraction [ 2000 ]

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Die letzte Bastion ist gestürmt.
Die nach unten schon so sehr flexible Qualitätsskala im DTV-Bereich wurde gerade um ein weiteres Mitglied erweitert und scheint nunmehr gänzlich offen zu sein. Fatal Attraction beweist in seiner kleinkarierten Engherzigkeit alles Andere als eine Anziehung und wirkt vielmehr als abstoßende Kraft, als Abneigung, Widerwille und Mißbehagen.

Für eine Handvoll Renminbi Yuan in Shantou in der Provinz Guangdong produziert, verlässt sich das von konventionellen Funktionen entbundene Werk auf den allerniedersten Standard der Filmherstellung. Mit dem rudimentärsten Einsatz jeglicher Leistung, der hilfsbedürftigsten Sinnträchtigkeit und dem geringfügigsten Interesse an einem Gelingen.
Während die erbarmungswürdige Grundidee einer querköpfigen Handlung zumindest da ist, sei sie auch noch so wiedergekäut, kann man alles Andere in seiner benachteiligten Un-Kreativität komplett vergessen. Sogar in der eh schon wenig ruhmreichen Karriere von Philip Ko und seinen Handlangern sah man selten ein derart verkümmertes Werk geringster Impulse, zwischen Spott und Verachtung, Mitleid und amüsierter Duldung. Mehr missbraucht als gebraucht. Unter eigenen Schmerzen fremdes Elend sehen:

Ming [ Stephen Au ] hat wegen seiner Spielsucht Schulden beim Kleingauner Wong [ Philip Ko ], die sich dieser gerne mit einem Gefallen vergolden lassen möchte. Da Ming über Verwandtschaftsklüngel in der Chiu Chow Association angestellt ist, die ihr Geld mit Herstellung und Vertrieb von Video CDs verdienen, soll er die Firma intern ein bisschen in Bedrängnis bringen; was wiederum den Profit des Konkurrenten Wong steigert. Als Ming sich weigert, wird seine Großmama entführt und gefoltert. Doch die Manager und Mings engsten Freunde Wan Chung [ Vincent Wan ] und Chow Siu Lai [ Lily Chung ] bekommen Wind von dem schändlichen Treiben.

Mal etwas Anderes als der übliche Schmonzens um designierte Killer und Triadenfehden, eher ein schockierend substanzloser Tumult aus Soap, Krimi, Bloodshed und Drama. Fehlerhaft bis zur totalen Unglaubwürdigkeit und trotz der Sicht von Finanzabenteurern weder aufschlussreicher als gewohnt noch anderweitig faszinierender gehandhabt. Das hiesige Setting ist mit seinen drei Innenräumen scheinbar eigens dafür angelegt, noch mehr Geld als üblich zu ersparen, schließlich kann man sich jegliche Action und andere budgetverspeisende Glanztaten mit Hinweis auf die Schreibtischhengste und ihren Aktenbergen komplett verkneifen. Für adäquaten Ersatz als Lückenfüller wird aber so gar nicht gesorgt, in punkto Unterhaltung wurden alle ideellen Werte verraten und verkauft.

Darstellerisch wieder mal am Rande der Resignation entlang, ohne Feuer, ohne Lust, anscheinend gar aus Zwang. Tatsächlich fragt man sich beim Betrachten, warum die Teilnehmer der Städtereise im Wintermonat der Intelligenz überhaupt zur Arbeit kamen, oder ob sie ähnlich wie Oma Ming mit brühend heißen Wasser vor die Kameras überredet wurden und deswegen im törichten Unmut agieren. Action bis auf etwas Zunder im Finale komplett passé, es sei denn, man zählt ein wenig trostloses Getrete und Geschubse mit; noch zusätzlich nahezu durchweg in den finsteren Spelunken mit zugezogenen Vorhängen positioniert und mit hinterwäldlerisch-steriler Kameraarbeit fotografiert. Das Cat III Siegel ausnahmsweise nicht wegen nackten Frauenleibern, sondern einigen Gewalt- oder Foltertaten verliehen; zwar absolut nicht explizit oder anderweitig ausführlich, aber im kläglich jammervollen Kontext durchaus wirksam gehalten: Kaum Bewegung, reizlos leer, stetig dieselbe Einstellungen, die repetierend dröge Musik, das belanglose Umherschlendern zwischen Einkaufsbummel, Telefonaten und ein wenig Büroarbeit.

Ein verknöchertes Totschweigen wahrer Gefühle und reeller Emotionen, stattdessen das Festhalten an blindgläubigen Ritualen, steifen Bewegungen und trotziger Mimik. Lebensfremd, weltentrückt, wirklichkeitsfern. Selbst als anfangs neugierig machende Insidergeschichte funktioniert man nicht, da die Problematik der VCD Herstellung wie bei Lieschen Müller erklärt wird und man ausser reichlich abstrakten Geschäftstalk und Aktientransaktionen - "Panama, Mauritius und Nicaragua kaufen unsere Filme. Wir machen Millionen." - jedwede Einblicke und aufschlüsselnde Informationen schlichtweg vergessen kann. Immerhin reicht der Gesprächsnonsens über die kontinentevereinende Luxusmarke VCD zu Beginn noch einige humoristische Höhepunkte, aber da sich die Dialoge wie beim Tarantino ins Immense stapeln und es baldig zu elend wird, fällt auch dieser Vorzug schnell flach.

Punkten tut man sowieso nur in der haarsträubenden Absurdität; wenn man denn auf Wohlwollen der geneigten Zuschauer trifft, sich auf wirklich jeden Schwachsinn einzulassen.
Da greifen die gesellschaftsführenden Anteilseigner bei vertraulichen Bestrafungen hinter verschlossenen Türen zum Rohrstock, um die drohende Geschäftsschädigung mit 35 Schlägen auf den Allerwertesten auszutreiben.
Der alte Hausmeister der boomenden Firma wird beauftragt, den Besen gegen Messer und Taschenlampe zu tauschen und Nachts allein das offene Warenlager zu bewachen.
Oma Ming, die blind, krank und alt auf Nachkommen in letzter Sekunde wartet, tastet erstmal alle weiblichen Gäste ausführlich in Gesicht und Hintern ab - "round enough and elastic".
Ihr Enkel verzockt sein Gehalt bei einer staatlichen Lotterie, die live in Wongs Nachtclub übertragen wird und in ihrer bestimmt zehnminütigen Ziehung den wahrhaft aufregenden Einstieg des Filmes und die spannendste Sequenz gleich mit darstellt. Schließlich starren auch jeden Samstag Abend Abertausende Menschen auf Lottofee Franziska Reichenbacher.
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