Mittwoch, 19. September 2007

Review: The Plot [ 11/05/1991 ]

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Nur bei einem sehr genauen Blick in den Actiongülletopf, ganz unten am Sediment zu entdeckendes Kleinod, dass sich seit seiner eigentlichen Herstellung vor 16 Jahren aus Angst oder Scham vor breiteren Zuschauermassen hinter viel Unrat versteckt haben muss. Trotz einiger bekannter Namen im cast ohne einen wahren Ruf ausgestattet und zudem nur auf einem Medium verbreitet, von dem a ) Tausend wohlklingendere Vertreter existieren und b ) dessen bescheidene Bildqualität nicht gerade zu den Vorlieben des visuell verzärtelten Cineasten gehört. Die VCD, nur im Schnell- und Billigkonsumkontinent Asien wirkliche Verbreitung findend und dort sogar noch der DVD bevorzugt, wirft die Optik wie ein schlechtes Tape mit Klötzchen vom Beamer an die Wand, ist allerdings mit einem Preis von vielleicht 3,60€ auch konkurrenzfrei nicht zu schlagen.

Der hiesige Sensationsfilm im Konzept einer Multivisionsschau hätte eine edlere Aufmachung sicherlich verdient, braucht sie aber nicht und erwirkt gerade durch die verblassten Farben, die unscharfe Konturierung und die kompensierte Abtastung sein natürliches Flair. Man kann sich weder vorstellen, wie dies im remastered ausgeschmückten Hochglanz fungieren soll noch dass die Herstellung der D&B Films Co. Produktion viel teurer war als die seines Kommunikationsmittels.
Dafür steckte man jeglich vorhandenes Budgetvolumen genau dahin, wo es das abgenutzte Genre der B- bis C-Action verlangt: In die entsprechend substantiellen Schießereien, die hereinbrechenden Fights und das explosiv zündelnde Drumherum, wobei dies originäre Trümmerfeld noch durch ein paar bedauernswerte Seiten Skript voller Sinnlosigkeit und Stupidität als Erfüllungsgehilfe verbunden wurde:

Waffenhändler Wang Kwanty-san [ Simon Yam ] beseitigt bei einem Deal erst die arabischen Verkäufer und dann noch seinen Boss Chiu [ Kenneth Tsang ] gleich mit. An der Spitze der Macht kann ihn jetzt noch dessen Tochter Amy [ Wan Yin Hung ] sowie sein Partner Chen Nan-eh [ Shaw Venom Sun Ching ] gefährlich werden, der gerade ahnungslos von dem Betrug am Dienstherren aus dem Gefängnis kommt. Chen muss sich schnell unliebsamen Angreifern aus dem Nichts erwehren, findet aber noch Zeit, sich um die Schwester Lily [ Emily Chu ] des Zellenkumpels Min Fei [ Alex Fong ] zu kümmern. Was er nicht weiß: Lily und Min Fei sind Polizisten.

Als Zuschauer weiß man Alles, kann und muss wohl auch etwaige Wendungen bis ins Gröbste vorhersehen und darf sich so alsbald darüber freuen, hier ausnahmsweise mal ein Glückstreffer gemacht zu haben. Das Tempo, ab den ersten Minuten wie beim Sprintwettbewerb auf Hochdruck zirkulierend, verliert sich erfreulicherweise auch nicht nach den diversen Openern und verlagert sich vielmehr auf die Aufbrechung der Erzählsprache in verschiedene härtere Tonfälle. Ein Schichtgestein von physischen Auseinandersetzungen am laufenden Band als einziges Residuum; mit einer anrüchigen open fire Struktur, die erst handelt und sich dann prompt in die Konsequenz stürzt. Faustgroße Logiklöcher werden nicht mit dürftigen Ausreden ausgebessert, sondern schlichtweg nicht beachtet. Die zuweilen inhumane Idiotie einfach mit der nächsten grobschlächtigen Angriffs-Verteidigungscollage gefüllt. Da mag es schon vorkommen, dass schwer verletzte Mitwisser tagelang durchs Unterholz stolpern, und sich erst Bleikugeln, einen zu laut bellenden Schäferhund, eine abgeschlagene Hand und einen Autounfall einheimsen müssen, bevor sie ihr gehütetes Geheimnis preisgeben können. Wieder andere halten gar nur für eine sehr unerotische, fast schon abstoßend inszenierte Sexszene aus dem heiterem Himmel her und dürfen dann noch rasch eine Warnung an ihren Liebhaber aussprechen, bevor auch sie das Leben aushauchen.

Dergestalt mit dem Bodensatz von Motiven und Charakterisierung ausgestattet und so befreit von ausschweifenden Dialogen, verstandesbetontem Szenenaufbau und anderen narrativen Bedenkenträgern kann man sich ganz unbesorgt in den schäbigsten Gegenden wie abgestorbenen Felsküsten, zerbombten Fischerdörfern, staubigen Gebäuderuinen und herrlich abgewirtschafteten Schiffsfriedhöfen bekriegen. Besonders das Setting ist dabei ein Willkommen an den Liebhaber derartig räudiger, heruntergekommener, verschmutzt-scheppernder Reißer; neben der architektonischen Zerstörung geben sich auch Schnitt und Darsteller alle Mühe, nicht durch zu viel Achtung auf der wohl gefeiten Erscheinung aufzufallen. Da man scheinbar auf Frisör und Makeup Artist beim Dreh verzichten musste, laufen sämtliche Figuren wie vorübergehend aus dem Bett gefallen durch die vierschrötige Szenerie; ein Merkmal, was auch die mittlerweile in die A-Kategorie aufgestiegenen Yam und Fong betrifft, die hier nur wie das müde, schlecht ondulierte Abbild ihres Jetzt erscheinen. Dabei sind sie noch die Ansehnlichsten in der Besetzung, wobei neben dem emsig präsenten Sun Chien und dem fast nur als Photo auftretenden Kenneth Tsang alle weiteren Akteure auch vermehrt unbekannt erscheinen und sich eher als hässliches no name Kanonenfutter im Durcheinander der Räuberpistole präsentieren.

Der Bodycount verhält sich entsprechend hochgestuft; kein Wunder, wenn selbst die Polizei nur auf konstanten Artilleriebeschuss aus allen Rohren setzt und sich nicht wirklich um etwaige Haft- oder Durchsuchungsbefehle oder andere zivilisierte Kleinigkeiten sorgt. Auch die Möglichkeit einer Deckung vernachlässigt und höchstens mal wahllos herumstehende Gasflaschen als sinnigen Schutz erwägt. Beständiges Trommelfeuer ohne erkennbare Choreographie, ebenso kantig gehandhabte, archaische, muskulär gesegnete Tritt- und Schlagkombinationen, Stürze gegen Laternenmasten, Postkästen, aus fahrenden Bussen, mit dem Gesicht voran in Fensterscheiben, den steinigen Abhang hinab. Der Schnittrhythmus dieses Partisanenkrieges gekennzeichnet durch das Fehlen von Anschlüssen, dem mangelnden Augenmerk auf die Nuancen von Mimik und Gestik, dem in seiner Schludrigkeit ausbaufähigen Timing und der ausbleibenden Akzentuierung. Da liegt es einzig an der Kamera, zwar nicht die intellektuell oder emotional, aber sensuell interessantesten Momente des Stunt-Sammelsuriums einzufangen: Eine schroffe Unmittelbarkeit der Betrachtung, die den Reiz der Destruktionen, die Ballung der Extreme und die strikte Kampflinie durch die Simplizität noch verstärkt statt sie in der Montage zu verstellen.
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Review: The Big Brother [ 01/10/1987 ]

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Von der Besetzung, dem Zeitrahmen, dem Titel und allgemein dem äußeren Anschein nach sieht es wie ein weiterer der damals in Myriaden auf den sicheren Absatzmarkt geworfenen Heroic Bloodshed Werke aus. Nach A Better Tomorrow, der auch dem hiesigen Filmemacher Tommy Faan und seinem Co-Writer Tony Leung Hung-wah unzweideutig ein Begriff ist, erschienen reihenweise die Inspirationen, Modifikationen oder Plagiate; nach einem beizeitigen Sättigungspunkt greift der geneigte Zuschauer heutzutage schon wieder sehr gerne zu einem der damaligen Vertreter. Mit The Big Brother wird er allerdings einen Fehlkauf machen, wenn er fälschlicherweise seine Berechnung allein auf diesen Zweck des Sehvergnügens ausrichtet und nur auf die impulsive Befriedigung der Zuversicht getrimmt ist.

Statt einem Shootout-Spektakel unter Triadengangstern bekommt man das Apogäum: Eine Slapstick - Komödie über den Sklavenhändler Richard Kar Ho-tsuen [ Simon Yam ], der seine Mädchen wie Randy [ Emily Chu ] erst auf massiven Junggesellenparties verschenkt, sie dann zurück entführt und so lange im Verlies hält, bis er sie in den Mittleren Osten verschifft.
Mit einem Cop namens Willie [ Miu Kiu Wai ], der als Pantoffelheld geboren wurde und mehr Angst vor seiner eigenen Frau hat, die ihm zudem noch ohne Skrupel Hörner aufsetzt. Und dem Drehbuchautoren Stephen See [ Alex Man ], der sich den Kato - Verschnitt Ah Wai [ Jimmy Au ] als Diener hält und wie weiland in Inspektor Clouseau - Ein Schuß im Dunkeln auch von diesem auflauern und angreifen lässt.

Vor allem diese deklarative Mixtur, anfangs noch uneinnehmbar wie eine Matroschka in mehreren Ausführungen, verhilft der eher missachteten Golden Harvest Produktion dann auch zu seinem spendablen Unterhaltungswert; auch wenn man mit diesem Ausflug zuweilen schon arg an die Grenzen der harmlosen Belustigung gelangt. Zu Beginn in alle möglichen Richtungen pendelnd und mit mehreren etwaigen Prämissen und Modalitäten ausstaffiert, die niemals den eigentlichen Inhalt der Handlung durch den Anfang der Handlung selbst anzukündigen versuchen, spielt man in geschickter Weise mit den Mutmaßungen und Vorstellungen des Zuschauers.
Lange kann man sich überhaupt nicht sicher sein, worum es nun eigentlich geht und was die lose Szenenreihung mit viel Aufweichung, Ausschweifung und beständiger Erneuerung letztlich mal bezwecken soll. Ein dubioses, paradoxes, wildfremdes Blendwerk, dass moralische Prinzipien längst über Bord geworfen hat, auch wenn es am Ende die Liebe und die Ehe gleich mit hochhält.

Ohne Hand und Fuss, ohne Sinn und Verstand, ohne Rücksicht auf die äußerlichen Umstände rollt sich die erste halbe Stunde über die Leinwand aus, so unbekümmert und ungebunden, dass jegliche Bedenken angesichts der Holprigkeiten wachsweich dahinschmelzen. Objektives Nachvollziehen war seit jeher nicht die Stärke der kantonesischen Kinematographie gewesen. Der beizeiten getrübte Erwartungshorizont wird durch materiellen Extremismus und auf exzentrische Art modulüberschreitende Behandlung stetig weiter verschoben, um erst irgendwann kurz vor Ende nachhaltig aufzuklaren. Zu einem Zeitpunkt, indem man mindestens drei verschiedene Filme gesichtet hat, sich aber durch diese geringfügigen Verstimmungen nicht von dem erforschenden Streifzug durch die Genres hat stören lassen. Die Harmonie des Ganzen, der programmatische Zusammenhang, sogar das Konsonanzempfinden bleiben noch zusätzlich zum stechenden Reisefieber dieser Wanderschaft erhalten. Alles eine Frage der Gewöhnung an plötzliche abwechselnde Affekte und Übergänge in andere Töne.

Aufgefüllt wird die inhaltliche Leere des screwball-plots mit viel Allotria, was sich dehnbar um jedwede Unreinheiten und Fremdkörper anschmiegt und sein Heil in der Flucht in die Absurdität des Schabernacks sucht. Simple, aber trotzdem zündende Witze um die Schwierigkeiten, eine Tür zu öffnen, den falschen Dresscode, Sprachübungen und Leseschwächen, unverblümter sexuelle Pikantere, Schlüpfrigkeit und geschmackloser Obszönität, Verwechslungen, Fehldeutungen, Missverständnisse, Irrtümer, die obligaten Parodien. Sowie eine turbulente Abendgesellschaft feierlustiger Singlemänner, die sich mit Wein, Weib und Gesang vergnügen und einmal von der Etikette losgelöst analog zum Film wie kleine Kinder durch den Raum tollen, um gleichwohl die nötige Abwechslung und höchste Lebhaftigkeit empfinden zu lassen und sich und andere zur Fröhlichkeit zu ermuntern.

Rapide um jeglichen Verdacht und Vermutung herum geschrieben, ist allerdings nur eine Sache. Gut inszeniert, möglicherweise noch mitreißend trotz der Inkompatibilitäten und offensichtlichen Fehlanreizen die andere; vor allem dann, wenn dieses Merkmal brach fällt und sich vielmehr als recht unergiebige, trockene, denaturierte, wenig um Disziplin und Klarheit der Darstellung bemühte Aufführung charakterisieren lässt. Denn spätestens wenn der Schleier der tarnenden Verhüllung ab ist, ist auch gleich der Lack von der Oberfläche gesplittert. Der Placebo-Effekt wird deutlich. Wirksam ohne Wirkstoff, aber nur solange, wie man über die Wahrheit im Unklaren gehalten wird. Die Spannung ergibt sich schlichtweg nur aus dem nächsten Effekt, der erneuten Fragestellung, was eigentlich vor sich geht, wer was warum macht, wohin dies alles führen soll.

Doch einmal enthüllt auf die letztlich bloß konventionelle Dramaturgie von Gut gegen Böse kommen die bisher verborgenen Regie- und Schauspielschwächen umso transparenter zum Vorschein. Wenn man endlich zum Kern der Sache vorstürmt, wandelt man sich vom Triumph zur Stagnation, vom Profit zum Verlust. Auffallende Konsequenzen dieser Entflechtungsaktion sind, dass sämtliche maskuline Rollen nur dem Namen nach von Herrschaften des starken Geschlechts verkörpert werden und eigentlich alle Anwesenden weniger die Hosen anhaben, als ziemliche Waschlappen darstellen. Der Schreiberling stilecht mit Brille kostümiert sowieso, aber der Cop unter der Fuchtel seiner Mamsel auch und der Diener / Leibwächter noch dazu. Sogar bad guy Simon Yam hat mehr mit seiner überfordernden Haartolle und dem viel zu großen Sakko zu kämpfen als das er echte Bedrohung entströmen kann; seine henchmen Ma Chao und Robin Shou halten auch eher als Witzfiguren statt als virulente Gegner her. Ein Manko, dass sich unweigerlich auch auf die eher raren Actionszenen auswirkt und deswegen selbst im Final-Drittel keine autarke Eigendynamik entwickeln kann, um das Erlahmen der Aufmerksamkeit und das Gefühl der Abmattung zu verhindern. Zu leichthin und liederlich die kurzen Martial Arts Anwandlungen, trotz manch gescheiter Stuntfertigung zu wenig Druck und Drang, mehr Hektik als Dominanz.
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