Samstag, 12. April 2008

Review: 49 Days [ 17/02/2006 ]

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Mit den Masken und Formen der Epik erzählter Historien / Mystery / Thriller im Nachtmahr-Gewand, der neben dem period piece Setting auch weite Schritte zurück in das Zeitalter aktiv blühender Shaw Brothers Gruselwerke und der hinlänglichen Abarbeitung des dort notwendigen Kriterienkatalogs macht. Aufbau, Ausstattung, Weltsicht, die allgemeine Themenpoetik und die spezielle Betonung dieser erfundenen, überweltlichen, schrankenlosen Wirklichkeit lassen sich nahezu detailgetreu auf die Arbeiten bis einschließlich Hex [ 1980 ] beziehen. In denen der Schrecken noch nicht durch die abstrakt herausgestellte Deutlichkeit graphischer Effekte und überzogenen Spiels erlangt wurde, sondern man sich mehr auf den leisen Nachklang, die dunkle Lust und die märchenhaft erscheinenden Konstruktionen samt geheimnisvollen Metaphern, ethischer Rechtfertigung und Erlösungsreligion verließ.

Statt dem simplen Blutdurst und drastischen Gewaltgewitter das ergänzende Nebeneinander verschiedener Genres und entsprechender Stilmittel, zu dem zusätzlich noch die Aufhebung der Grenzen von Traum und Handlung, die Lust am Zitieren, die Illustration von unveränderlichen Begebenheiten und ewigen Wahrheiten hinzukommen. Eine vordergründig anschauliche Wiederholung und Variation bekannter Formeln früherer Werke vor allem eben der 70er.

In einer plastischen Expressivität irgendwo zwischen Freizeitpark und Geisterbahn zum einen und Feng Shui und Karma zum anderen wird mit visueller Wonne, aber ansonsten reichlich gedrosseltem Innenleben und sträflich wankelmütig die alte Geschichte von Jemand, der auszog das Fürchten zu lernen erzählt. Ausgehend von einer Warnung, einem Versprechen, dem Bruch diesen, dem falschen Vertrauen und der versuchten Wiedergutmachung wird sich auf eine grundanständige, aber pflichtschuldige Identifikationsfigur und ihrem direkten Gegensatz konzentriert. Ebenso wie auf die Gegenüberstellung von der Welt, wie wir sie zu kennen meinen und dem Riss in ihr, der die Bruchfläche zwischen Gut und Böse darstellt. Als Entzweiung der bis dahin scheinbar so stabilen Sicherheit dienen wie so oft die niederen Beweggründe emotional nicht gefestigter oder einfach von Geburt schlechter Menschen, als anheizende Elemente hinzukommend primär die Brauchtumspflege, der Volksglauben und die Volkskultur:

Arzt und Apotheker Lau Shing [ Stephen Fung ] hat Ehefrau Lau Man-Wai [ Jess Zhang ] und Tochter Lau Ling-Gi [ Kau Lap-Yi ] mitsamt seinem Tross verlassen, um in einer anderen Stadt ein florierendes Geschäft mit der mit westlicher Medizin praktizierenden Susie [ Debbie Goh ] einzugehen. Die Trennung soll aber nur vorübergehend sein, nach Ablauf von drei Jahren will Shing zu seiner liebenden Familie zurückkehren. Doch die Rückkehr verzögert sich nicht nur um ein weiteres Jahr, kurz vor dem endgültigen Aufbruch in die Heimat wird sein Lager durch den Angestellten Pang Shi [ Raymond Wong ] absichtlich in Brand gesetzt. In dem rasch ausbreitendem Feuer werden die Bestände ebenso zerstört wie die weiteren Arbeitnehmer getötet; aufgrund der Falschaussage von Pang Shi wird Shing wegen mehrfachen Mordes angeklagt und trotz seiner Anwältin Lam Siu-Chin [ Gillian Chung ] auch zur Hinrichtung geschleift. Doch dann kann er mithilfe vom Wärter Fong Lik [ Steven Cheung ] und des Vollstreckers Chun Bo [ Lo Meng ] fliehen.

Doch Beobachtungs- und Gedächtnistäuschungen sowie selektive Erinnerungen und umgeschlagene Bewusstseinszustände inclusive [Nah]Toderfahrungen treiben das Geschehen über einen klar nacherzählbaren Ablauf hinaus. Mehrere Zeit- und "Dimensions"Sprünge, des weiteren asiatische Mystik, buddhistischer Glaube, metaphysische Einschübe und konkurrierende Schicksalslinien heizen die sonst eher eingleisige Konfrontation zwischen den komplett unterschiedlich gesinnten Lau Shing und Pang Shi auch auf den Nebenszenerien gründlich an und weiten den eigentlich linienförmigen Film zu einem transzendenten, wenn auch nur begrifflich getarnten Doppelleben aus. Richtig Atmen und mit einem eigenen Herz schlagen tut das, was unter der Fassade steckt allerdings nie; dafür ist nicht nur das Schauspiel seltsam ungelenk, sondern auch die Anbiederung an das Massenpublikum und das Ausruhen auf der mechanischen Attrappe zu auffällig. Die Passivität des flachen, sichtlich aufs Stichwort hörenden Reagierens aller Beteiligten, die spürbare Ratlosigkeit gegenüber all dem zusammengeschmuggelten Material und das Ausweichen in Plottwists und die technische Effektschiene [ Brandanschlag, Krähenattacke, Rattenplage ] als Folge der Unsicherheit, Instinktlosigkeit und wohl auch Gleichgültigkeit einer nichts sagenden, nur aufs Solide abzielenden Illusionsindustrie.

Die Gemeinsamkeiten vom durchwachsenen 49 Days als Stippvisite, Nachspiel und Reprise zu den glorreichen Altbeständen der Gattung und der damit einhergehende Kontrast zu dem eher betrüblichen Hier und Jetzt geben der offensichtlich auch finanziell besser gestellten Produktion von Beginn weg eine arteigene, wenn auch sattsam flatterhafte, ausgesprochen kopflose Aura bei. Ein vererbtes Gedächtnis, mit der Idee für Mehr, aber noch ohne eigene Willens- und Triebbetätigungen. Eine Kunstempfängliche Konventionalität. Selten sah moderner Horror aus aktueller kantonesischer Schmiede derart edel gediegen und auch in visuellen Kleinigkeiten so schmuckvoll verziert aus, machte man sich diese Mühe mit der Herstellung einer schwärmerischen Residenz von Setting und des Füllens mit hypothetischer Schwermut, Sehnsucht, Seligkeit, Neid und Verachtung. Ein irritierend beseelter Schauplatz, ein umhegter Wallfahrtsort, der sich mal nicht in der üblichen asketischen Bühne ein und desselben Betonwohnblocks und entsprechender Klitschen ergeht, sondern tatsächlich mit Raumkonzept, Sinnesfreude und Schaffenskraft errichtet wurde.

Der idyllische Reiz der Bilder und ihre anfangs durchaus individuell wahrnehmbaren Emotionen, das Schaurig-Schön des Nervenkitzels, sind neben dem Personenüberschwang, der chronologischen Ausbreitung all der fadendünnen, aber wenigstens zeitweise engmaschigen Erzählstränge und ihrer Umgestaltung durch Wandel der Sichtweise und wechselndem Kontextbezug bis zuletzt die positiven Faktoren, mit denen der streng genommen unbedarft arbeitende Regisseur Lam Kin-Lung dennoch wuchern kann. Sein zweiter Regieeintrag nach dem höchstens B - lastigen Triadenflick The Warning Time [ 2000 ] vertraut aus gutem Grund der äußeren Erscheinung, macht doch gerade die zeitgenössische Faszination an Sensation und Attraktion sowie die publikumswirksame Besetzung mit gefragten Jungdarstellern den Film erst zum leidlichen Medienereignis. Öffentliche Showbusinesspräsentation. Hinterglasmalerei mit grell medialer Selbstdarstellung. Und folgerichtiger Aufmerksamkeit, wenn auch nur über die neonblinkende Oberfläche.
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Review: The Army [ 2004 ]

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Regisseur Kevin Chu Yen-ping ist mit seiner individuellen Charakteristik sicherlich Vieles; je nachdem, wie man seinem Werk gegenübersteht fallen die entsprechenden Attribute positiver oder doch eher nicht aus, wird geschwärmt oder wenigstens verziehen oder auf der anderen Seite gehetzt oder müde abgewunken. In einem sind sich allerdings Alle einig: Er ist kein Poet des Phantastischen. Kein Bildhauer, der das Duell der toten Seelen in den Irrgarten der Ausweglosigkeit verlagern und dort theaterwirksam Enge, Krisis, Not verbalisieren kann. Niemand, der auf der Suche nach fatalen Themen, sündigen Träumen, bitteren Reflexionen oder mörderischen Hirngespinsten ist, der die motivierte Lust auf Neugier oder Furcht mit sich führt, für seine Effizienz bekannt ist oder die Bereiche des Realen noch die des Imaginären überzeugend kontrollieren oder wenigstens ergründen kann.

Chu für einen Horrorfilm einzusetzen bedeutet neben einer Attraktivitätssteigerung auch eine schiere Unmöglichkeit, nicht mal bloß ein unnatürliches Wagnis mit erhöhtem Betreuungsbedarf, sondern ein Unding, ein frommer Wunsch, der das Endergebnis entweder zu einem eigentümlich behandelten Wunderwerk macht. Oder zu dem, was The Army letztlich darstellt.

Die Lagerfeuergeschichte selber baut sowohl auf der einschneidenden Methodik der Wiedergeburt mit religiösen idealen Gehalt als auch auf den ersten Dingen des Lebens auf, die der junge Mann beim Eintritt in die Welt der Erwachsenen vollziehen muss. Dem Wehrdienst, das Mann-Werden mit der Waffe in der Hand, wobei ihm neben allerlei Schießtraining und Laufen um den Block auch noch beigebracht wird, wie man außerhalb Hotel Mama das Bett richtig bezieht und den Kragen korrekt schließt. Eine seltsame Außenwelt, eine fast sektenhafte Abschottung, für die Meisten zeitlich begrenzt und mit absehbarem Ausgang, eine Erfahrung, die mehr mit Ritual als Magie zu tun hat und mehr mit Widerwillen als mit Faszination. Eine kuriose Abnormität, die Chu bereits ausführlich in Augenschein genommen hat, auf seine abwegig kürzertretende Art und Weise wohlgemerkt. A Home Too Far, End of the Road, Forever Friends spielen mehr oder weniger direkt allesamt in dem Milieu von Schlachtreden, Dienstgrad, Befehlskette, Befehl und Gehorsam sowie der historischen Bedeutung nationaler Begebenheiten der Vergangenheit und Gegenwart, dessen beherrschende Ordnungsrelation auch ausdrücklich im folgenden Fall Bestand hat und über mehrere Stationen im Film noch einmal erneut herauskristallisiert wird:

Taiwan. 1992. Frühling.
Vier sich einander wildfremde Männer haben das bescheidene Glück, während ihrer Rekrutenzeit alleine mit einem forschen, reichlich ungehobelten Ausbilder auf einer isolierten Insel ausgemustert zu werden. Nicht nur, dass der Fanatiker in Uniform sie bei der körperlichen Ertüchtigung ran nimmt und im Gegenzug mit seltsamer Ernährung in Form von Schlangen, Ratten und Fröschen abschreckt, auch stellt sich beizeiten heraus, dass das Atoll trotz Zauber des begrünten Lokalkolorits seit über sechzig Jahren verwunschen ist. Im Zweiten Weltkrieg als Exekutionscamp der Japaner benutzt, streifen die ungesühnten Toten durch die besudelten Hallen, darauf wartend, das Unrecht zu vergelten.

Das Unerklärliche, das Übernatürliche und die Gerüchte um diesen alten Fluch dienen dabei erst als Spiel im Spiele, später gar als Film im Film. Ein eigentlich legendäres Sujet, hier aber als kleinbürgerliche Kommißpostille, als kinematographische Improvisation voll falscher Finten und realer Magiertricks, die dem später tatsächlich herrschenden Schrecken vorher bereits die Aura des faulen Zaubers verabreichen. Verdrängungsmechanismen, ein Ausweichen in die gaukelnde Fiktion, um sich von dem Feind im Rücken [ Japan ] und dem, der stetig vor der eigenen Haustür steht [ China ], abzulenken. Um sich die Zeit alleine zu vertreiben, vor den Anderen als Wagemutiger hinzustellen und auch um die allgegenwärtige Beklemmung an diesem unheimlichen Ort in ein befreiendes Gelächter aufzulösen wird unter den Vieren als dramatische Vorstufe ein sich gegenseitig Überraschen und Überrumpeln betrieben. Als verschrobener Intrigenplan und eigenartige Rückkopplung die Doppelbödigkeit und Neuorganisation von Schein und Sein. Als immer wiederkehrendes, mehrfach variiertes Leitmotiv zwischen Kunst und Manipulation ein derart eifriges Dunstbild erschaffen, dass man bald und selbst in Situationen etwaiger Gefahr nicht mehr erkennen kann, was nun echt und Praxistest ist, was Sackgasse und was nicht. Plötzliche Stimmungsumschwünge, Ausbrüche fieberhafter Aktivitäten, extremes Misstrauen und dann die Abgestumpftheit und bitterer Zynismus aufgrund der unendlichen Mannigfaltigkeit von Scheinhandlungen und Täuschungsmanöver kennzeichnen schnell die Trümmer einer einstmals aufs Genaueste disziplinierten Atmosphäre. Hinzu kommen die alltäglichen Sinnlosigkeiten, Zank und derbe Späße der Pflichtjahre, die mangels konkreten Daseins auch die Darstellungsmittel der ohnehin schon labil schmalbrüstigen Regie restringieren.

Das stagnierend-verweilende Drehbuch selber baut auf einer wenig komplexen Netzwerkstruktur auf und ergeht sich statt der Konzentration auf den mystifizierten Rachegedanken im Reich der Dunkelheit zumeist im simplen und auch noch blutleeren Abklappern der wenigen vorhandenen und umso nüchternen Haltepunkte. Aufenthalts- und Schlafsaal, die Wache, die Latrine, das freie bzw. wildbewachsene Feld und der Strand als Begrenzung der reichen Naturumgebung. Außerdem der Gelass vom evil sergeant, ebenfalls einfachster architektonischer Anordnung. Und eine etwas abseits befindliche Behausung, die zwar von Weitem wie nach einem aus riesigen Stück Berg gehauenen Hochhaus ausschaut, aber beim Näherkommen ebenfalls bloß als schäbige Baracke entpuppt. Ein Teufelskreis.

Ähnlich wenig erbaulich ist der statuarische, seltsam unzusammenhängende und eher behäbig hin- und herpendelnde Fortgang zwischen diesen Etappen. Unzeitgemäß weitschweifig; eine wahllose Vermischung tragischer und komischer Elemente, die trotz der Stimmung des bedrohten Friedens und den üblichen Genrezutaten wie Wahnwesen, Todesbote, Vollmond, Mitternacht und Ouija-Brett weder physische Ausdrücke noch konkrete Expressivität oder anderweitig Virilität oder Virilität erreichen vermag. Stattdessen ein emotionsloser Gleichschritt Marsch im Tarnfleck, der neben einer seltsam dünnhäutigen Optik, einer recht verqueren Assoziationsmontage, aufdringlicher Effektbeleuchtung und der vorherrschenden Sprechhandlung samt Propagandaliedern im Hintergrund vor allem deswegen keinen nachdrücklichen Rhythmus erlangt, weil Chu auf Gedeih und Verderb kein Gespür für Timing dieser blockartigen Aneinanderreihung entwickelt.
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Review: Yes, I can see Dead People [ 04/01/2008]

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Grau und leer ist das Gebäude, wie ein riesiger gusseiserner Sarkophag, eine aufgebahrte Totenlade, aus einem groben Stück Stein gemeißelt und in schockierendem Frost erstarrt. Ein Wohnblock nur dem Namen nach, der selbst mit beschäftigten, ein- und ausgehenden und innerhalb der Familie miteinander oder den Nachbarn gegenüber kommunizierenden Mietern schon ein trauriges Fleckchen Erde wäre. Aber nun, da kaum noch Jemand in der Gegend wohnt, Niemand zu Besuch kommt und die Polizei samt Leichenwagen fast öfters anwesend ist als die eigentlichen Anwohner nur noch ein heimatlos verwinkeltes Grab am Rande der Gesellschaft darstellt.

Warum überhaupt noch Jemand in dieser einbalsamierten Gruft haust, in dieser betrüblichen suizidgeschwängerten Einöde im Hinterland, die auch bei seltenem Tageslicht mehr an einen Maschinenraum im Keller als eine Wohnstätte erinnert und ähnlich feucht warmen Brodem absondert, ist sicherlich ein Rätsel. Allerdings nicht die Frage, die sich das Regiedebüt von David Lee Kwong-Yiu stellt. Die Logik, die Wissenschaft und der Fortschritt spielen keine Rolle, in Sachen Erklärung wird der Verzicht gepredigt, die Form steht im Vordergrund, die aktive Raumauflösung als angsteinflößendes Motiv. Weniger ist bei Farbgestaltung und Lichtsetzung ebenso mehr, wie die absolute Hingabe an eine Welt des Übernatürlichen verlangt wird und erforderlich ist. Der schiere Aberglaube steht im Mittelpunkt des Geschehens, ein robuster Zugriff des Bösen, ein auswegloser Kampf zwischen dem Okkultismus, dem Mystizismus, dem Spiritismus, der Besessenheit, dem Exorzismus, zwischen der Vorsehung und dem Schicksal, der Rettung und dem Verderben. Zwischen der menschlichen Seele gegen die beseelte Natur. Grusel im klassischen Sinn, neu aufbereitet.

Das Drehbuch als pechschwarze Karma-Soap mit stark begrenzten Personal und einer narrativen Prädestination, die den eigentlichen Erstauftritt schnell und unvermeidlich in Richtung fatalistischer Endabsicht schiebt. Besonders das Setting kommt Einem mehr als bekannt vor; ist sicherlich möglich, dass es nicht exakt derselbe Dreh- und Angelpunkt wie bei sowohl Dating a Vampire [ 2006 ] als auch House of the Invisibles [ 2007 ] ist, aber das verschachtelte Häuserviertel trägt genau das entsprechend gleichartige Totenhemd. Ein ähnlich schwach bevölkerter Gebäudekomplex, nicht näher definiert, nur mit einer kränklich grünen Lichtquelle der Taschenlampe gespeist, mit den gleichen Materialisierungs- und Destabilisierungphänomenen heimgesucht und auch den identischen Bewusstseinsspaltungen versetzt.

Nun ist das kantonesische Kino besonders in Sachen Horror ein Meister der Selbstbeschränkung. Eine kleinmütig konservative post mortem - Show, für die das fortdauernde Zitieren und somit Repetieren ebendieser Eigenschaften für alle Ewigkeit eine unumstößliche Gültigkeit hat und so immer wieder die gleiche chronisch unterernährte Materie durchquert. Bahnbrechende Innovationen darf man von einem augenscheinlich recht kleinen, weitgehend mit unbekannten Namen ausstaffierten und mit wenig Aussicht auf Erfolg platzierten Produkt möglicherweise auch gar nicht erwarten:

Der junge, sich als Kellner mehr schlecht als recht durchs Leben schlagende und weitgehend in den Tag hineinschlurrende Wah Koon-nam [ Steven Cheung ] hat ein Problem. Er kann Tote sehen, mit ihren unruhigen Geistern kommunizieren. Nicht nur deswegen fällt es ihm schwer, sich in seiner eigenen Realität zurechtzufinden, oder wenigstens mit der hübschen Stewardess von Nebenan, Mei Chee [ Kathy Yuen ] ein Gespräch und Mehr zustande zu kriegen. Nams Bruder Tung [ Kris Gu Yu ] dagegen hat zwar eine florierende Beziehung mit der attraktiven Modeverkäuferin Charlie [ Mandy Chiang ], kehrt nach einem gemeinsamen Wochenendausflug allerdings schwer verstört zurück. Durch eine geheimnisvolle antike Dollarnote hat die schwarze Magie von ihm Besitz ergriffen und weitet ihren unheilvollen Sog rasch auf die nächste Umgebung aus. Während Nams Eltern [ Amy Chum und Sun Limin ] dem folgenden Verderb weitgehend ratlos gegenüberstehen, weiß der Hauswart Fuk [ Lau Kong ] umso mehr Bescheid.

Abgesehen davon, dass der hiesige Vertreter nicht nur seine beiden "Vorgänger" samt allgemein gültigem Handlungsgebot ohne weitere Probleme in die Tasche steckt, und auch sonst die letztjährig aktuellen Kollegen wie Haunted School oder Naraka 19 weitgehend mühelos auf die hinteren Plätze verschiebt – was anerkennenswert, aber auch so die Kunst nicht ist: Auch hier wird beizeiten deutlich, warum gerade die Trilogieform in diesem Genre so populär ist. Für eine diesbezüglich ratifizierte Troublesome Night Episode mit 30min Länge wäre das sinistre Ausgangsmaterial im Spiel mit Wissen und Erwartung vielleicht nicht gleich vorzüglich, aber mutmaßlich besser geeignet als für einen abendfüllenden Spielfilm. Zwar kann Neuling Lee mit einem schräg humoristischen bis zynischen Einschlag zu Beginn, einer korrespondierenden Portion Erschütterung, Erschrecken, Entsetzen, und einer wenigstens konsequent urwüchsigen, fast rustikalen Regie samt tatsächlich schöpferischen Bewusstsein aufwarten.

Anders als die Figuren im Film vermag man den Zuschauer selber allerdings bei weitem nicht in die unnahbare Sphäre des Anderen, des feindselig Nebulösen, des beklemmend Unerklärlichen einbeziehen und trotz intensiviertem Schauerambiente auch keine dämonische Indolenzzone von Wach und Traum und Verfall und Zerlegung formulieren. Der sich bemühende Schritt in die richtige Richtung von schleichendem Grauen samt der aufhebenden Distanz und latent vorhandenen Poesie bleibt in einer auf Dauer eintönig faden Halbdunkelwelt-Optik, dem üblich expressiven Sounddesign, einer bald ermüdenden Blitz-und-Donner Dramaturgie und ganz allgemein auch der gängigen Ikonographie des Genres hängen, ohne eine eigenständige Vision beschwören zu können. Es wäre gerne Dorm, ist aber trotz manch dezenten Zwischentönen nur ein monoton nebelwallender Kunstkosmos mit unbedeutender Tiefenpsychologie, schmalem Innenleben und dem Ausbleiben anderweitiger Subtilität.

Die wahrhaft gespenstische Aura speist sich in knappen Einzelmomenten aus ausgerechnet alten Erinnerungen; nicht aus dem Umherirren in möglichst abbruchreifen, leer gefegten, bis auf den Mondschein stockfinsteren Orten nahe Verrottung und Verwesung, sondern der kompositorisch geschickten Mahnung an alltäglich vorstellbaren Ereignissen. Da sich die Aufklärung bezüglich des Fluchs, seiner Ursächlichkeit und seiner Auswirkungen ein wenig verstockt verhält und man lange Zeit entweder immer nur dasselbe, aber nie wirklich etwas Genaueres erzählt, halten zwei unselige Vorkommnisse als Anhaltspunkte der aufgelösten Panik her. Der verheerende Amoklauf eines Geistig Behinderten in dem einstmals blühenden Milieu. Und ein fürchterlicher Busunfall, der fast einer gesamten Grundschulklasse das Leben gekostet hat. Hier vollzieht sich nicht der Übertritt von der realen Welt in die phantastische als Schock, sondern umgekehrt, im Aufbrechen verdrängter Erfahrungen und der direkten, mal eben nicht sublimen Konfrontation mit Schuld und Sühne.
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