Dienstag, 15. Januar 2008

Review: Beauty and the 7 Beasts [ 26/09/2007 ]

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Womit ein Wong Jing mittlerweile sein Geld verdient und wie lange er sich mit seinem Konzept noch finanziell über Wasser halten kann, bleibt bis zur drohenden Insolvenz sein eigenes kleines Geheimnis. Die Strategie, sich wie die Jahre zuvor mit dem Kopf voller fremder Ideen an Altbewährten zu vergehen und die üblichen Elemente einfach noch einmal neu zu verrühren geht jedenfalls nicht mehr ewig auf. Fast jede frisch angekündigte Wong - Produktion hat bereits von vornherein den abgestandenen Geruch längst welk gewordener Beschwörungsformeln; ein flauer Nachgeschmack x-mal durchgekauter Themen und Motive, der mittlerweile auch nicht einmal mehr über die sonst überraschend flotte Besetzung gerettet werden kann. Ein unappetitliches Lameng, dass so gestrig ist wie der einstige Box Office Magnet selber. Die versiegende Dynamik und nachlassende Mobilität eines Haudegens, der früher auf zehn Filmsets gleichzeitig war und heute als müder Betrachter fast immer entsprechende Handlanger für sich arbeiten läßt. Kein Wunder, dass im inaktuell-fortschrittsfeindlichen Produktionsplan in der zweiten Hälfte des Jahres 2007 auch eine Fabrikation anstand, die das veraltet unzeitgemäße Support-Dilemma mit Verliererstatus ganz dick in allen Lettern ausstrahlt: Beauty and the 7 Beasts.
Gefangen in den 70ern.

Dem Anschein und verbreitetem Glauben nach eine ehrerbietige Wiedererzählung von Richard Yeung Kuens Lucky Seven [ 1970 ], der zu damaliger Zeit als Riesenerfolg prompt wenige Wochen später die obligate, ebenfalls im kristallklaren Schwarzweiss gezeichnete Fortsetzung Lucky Seven Strike Again nach sich zog.
In Wahrheit dient diese Vorlage aller höchstens als assoziatives Bonmot, als möglicherweise adelnder Aha-Effekt. Ein Service des ungetrübten Andenkens, der mitsamt dem Klassikerbonus die eigentlich vorhandene Exspiration und folglich Rückwärtsorientierung von Revierförster Wong verbergen soll. Sowohl dieser als auch Zweitproduzent Eric Tsang haben das anschließende Subgenre mit der Chasing Girls - Formel bereits eifrig in den Achtzigern beackert; How To Pick Up Girls oder Perfect Girls noch als die bezeichnendsten Titel.
Per Zeitmaschine heimwärts in die ruhmreiche Vergangenheit, zusammen mit der rhetorischen "Erkennen Sie die Melodie?" - Frage und einer Handvoll Binsenweisheiten, die handwarm wieder aufbereitet die Traditionslinien publikumsfreundlicher Übersetzung für das Hier und Jetzt weiter spinnen. Eine Dublette der bestehenden Situation, verdoppelt bei einer Begegnung mit sich selbst. Erinnerungsphantasie, zurückgekehrt aus der Zukunft:

Der alternde Filmstar Teddy Tam [ im Roy Orbinson-Look: Eric Tsang ] hat den Höhepunkt seiner Karriere längst hinter sich und lebt jetzt nur noch vom Ruhm vergangener Zeit. Die heimlich in ihn verliebte Haushälterin und Sekretärin Wendy [ Jo Kuk ] kümmert sich mühsam um das Nötigste; Teddy selber hat nur noch Mädels im Kopf, weswegen er sich ständig wechselnd diverse Stewardessen einfliegen lässt. Als das Geld knapp wird beschließt er, Fünf wissbegierigen Männern aus Tai Kok Tsui Nachhilfeunterricht im scheinbaren Prominentenmilieu zu geben. Tony [ Eddie Cheung ], Bruce [ Wong Cho-Nam ], Broke-back [ Gordon Lam ], The Preacher [ Chin Kar-Lok ] und Casanova [ Alex Lam ] zahlen auch fleißig für die Lehrstunden; vor allem, als Teddys uneheliche Tochter Pearl [ Natalie Meng Yao ] die illustre Runde betritt. Probleme tauchen erst auf, als Teddy vom einstigen Berufskollegen Rocky [ Nat Chan ] heimgesucht und erheblich unter Druck gesetzt wird.

Die Standards von gestern in digitaler Retrokultur, mit viel Entstellung, überhöhtem Extrem und second hand Vintage Oldies, die das Spaßmobil der Altherrenkutsche trotz allem Ballast auf die Überholspur bringen und das bereits imaginäre Publikum anlocken sollen. Ein für den Moment durchaus klassisch anmutendes Ambiente, die zwar die Illusion eines Freudenhauses verbreitet, allerdings mehr puritanisch als frivol und kindisch statt erwachsen formuliert ist. Wie auch bei den bisherigen Arbeiten des ausführenden Strippenziehers Chung Shu-Kai [ Nine Girls and a Ghost (2002), Feel 100% 2003 (2003) ], der als Wongs Handpuppe dessen wenige Ideen in provinzieller Langeweile bebildert, findet ein schlichtes, scheinbar wahlloses Ausschöpfen einer Reprise statt. Ein brüchiges, gleichzeitig konstrukthaft und konstruktionsloses Echo glorreicher Tage. Ein poussierendes Recyceln der Vergangenheit, dass seinen Spagat zwischen altersschwach hochbetagt und angesagt jung bloß mit der schillernd artifiziellen Einrichtung, farbkrachend balzenden Modeerscheinungen und dem Bedienen am Repertoire längst aussortierter Stile schaffen möchte. Ein Kokettieren mit der Gleichzeitigkeit von Alt und Neu, einer fälschlich abgeschabten Pseudo-Glaubwürdigkeit, in der Dekoratives und Verspieltes schon die halbe Miete darstellen sollen; und man sich trotzdem nur zwei Schauplätze leisten kann, die sich entsprechend schnell auch in dieser Mikrohistorie satt sehen lassen.

Eine bassinartige Kartonschachtel mit massig Sperrholzplatten stellt sowohl Teddys Heim als auch seinen Arbeitsplatz am Filmset dar; ein Schöntun in der Form, dass keinen direkten Bezug auf eine außermediale Wirklichkeit werfen vermag und mit Perücke, Schlaghose, Plastik, Glimmer und Glitter die üblichen Mängel im Inhalt und Zweifel an der Authentizität nur zeitweise überbrücken kann. Um beizeiten in einer Montage unlustiger, unter der Gürtellinie zielender, bisweilen geschmackloser Momente voll Zudringlichkeiten und Spott anzufallen; wie sie Wong seit eigentlich jeher, auch in derselben additiv kolorierten Mischung aus den Grundtönen Orangerot, Grün und Violettblau gestaltet hat.
In der anhaltenden Krise der Kreativität folgt Wongs gewohnte Überlebensstrategie: Eine Kopie privater Lieblingsnummern, deren Quellen sich trotz eventuell satirisch verzerrtem Bezug auch rasch im Fremdmaterial identifizieren lassen; obwohl man keine reine Parodie darstellt, ist der übernommene Anteil an Verknüpfungen, Verstrickungen und Verknotungen mit dem Themenkomplex von sowohl Stephen Chows King of Comedy als auch Neil Simons The Sunshine Boys zu offensichtlich entlehnt, um nicht aufzufallen.

Sobald es zu dem folgenschweren Zusammentreffen der einstigen Verbündeten im Filmbusiness kommt und es für ein geplantes Comeback zurück an den streitumwitterten Drehort geht, wird aus der gar nicht so nostalgischen Privatfehde eine konkret einbezogene Kintoppillusion mit dem anführenden Leitmotiv vom Sein und Schein. Eine plötzlich überraschend treffende Überschneidung von Dichtung und Wahrheit. Wie auch in derzeitig trauriger Realität werden die Lebenslügen, die Verblendung und Verwirrung der Beteiligten deutlich, eine radikale Demontage des eigenen Selbstbildes: Ein abgetakelter Produzent [ gespielt von Wongs Vater Wong Tin-lam ], der händeringend einen Hit braucht. Zwei bejahrte Schauspieler, deren Glanztaten längst passe sind und die dem Ruhm retour trotzdem krampfhaft weiter nachjagen. Mehrere schon sympathische Nebenfiguren, die gewiss auch etwas dazulernen wollen, denen aber sichtlich schon die Grundvorausetzungen für das Scheinwerferlicht fehlen. Ein Regisseur, der sich vom Endergebnis distanziert und aus Scham ein Pseudonym zulegt.
Die Welt ist eine Bühne, aber das Stück ist schlecht geschrieben und besetzt. Das bewusste Rollen- und Verkleidungsspiel ist im Film und vom Film eine steif formelle Knochenarbeit, spürbar nach Ansage und Probe und trotzdem mit missratenem Timing und ungeschickter Pausensetzung statt lebhafter Improvisation gehalten.

Trotz Potenzierung der Figurenzahl und Beschleunigung des Spieltempos kommt es zu keiner fortschreitenden Intensivierung auf der materiellen Ebene; aus der sensiblen Nachdenklichkeit über das Altern und dem versperrten Zukunftstraum im jeweiligen Original wird hier eine Varietéshow mit possenhaften Hofnarren an der Grenze zur Debilität. Ein zwischen Theaterklamotte und Maskeradenkomödie schwankende, rein mechanisch äußerliche Unterhaltungswelt mit unfreiwilligem Vorführcharakter. Ein durch anspruchslose Funktionalität auszeichnendes Skript, dass in seiner ebenbürtigen Inszenierung ohne die Verwechslungssituationen zu verinnerlichen rein oberflächliche Hindernisse auf türmt, und daraus folgend auch weder die Auflösung der Anspannungen erreichen noch ein Leben in Erinnerung und Sehnsucht, dem entgegen vielmehr nur einen Kehraus-Trauermarsch formulieren kann.
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