Samstag, 29. September 2007

Review: Blood on Bullet [ 2003 ]

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Ratten und Küchenschaben überleben einen Nuklearkrieg, Menschen nicht. Dass es der Hong Kong Filmindustrie nach der Jahrtausendwende arg schlecht ging, merkt man spätestens daran, dass sogar ein Philip Ko Fei von der Bildfläche verschwand. Wenn selbst das Unkraut vergeht, sind die letzten Stunden bereits gezählt.

Genuine Auteur Ko, der als Investor, Regisseur, Action Director und Darsteller von den frühen 70ern an bis knapp 2003 alle Auf- und Abstiege mitgemacht und spätestens ab 1990 auch entscheidend bestimmt hat, war lange Zeit so etwas wie der mutige Krieger der C-Action. Er lernte erst mit Weniger, dann mit Gar nichts auszukommen, agierte Energie sparend in mehreren Funktionen, sorgte für vermehrte Nachkommen mit identischer Handschrift und profilierte sich so weiterhin als Aushängeschild des Genres. Und er konnte sich scheinbar wie die Ratte vom falsch entsorgten Müll ernähren: Immer zur Stelle, um einen nicht mehr gefragten Schauspieler vor der Arbeitslosigkeit aufzufangen, ihm ein hübsches Heim im Billiglohnland der Republik der Philippinen zu besorgen und mit mehr oder weniger attraktiven Komparserien vom lokalen Hostessenservice zu umgeben.
Gerade im rapiden Sinkflug der Filmemacher um ihn herum stieg er zur Höchstform auf, brachte es auf etwa ein halbes Dutzend Werke pro Jahr und legte so einen gebunkerten Komposthaufen für den geneigten Liebhaber an; neben zahlreichen Sexschmonzetten im Softcoreverfahren auch die ermäßigte Actionware oder deren Zwitter. Handlung Nebensache:

Shantung guy Ma Fai [ Vincent Wan ] musste aus der Heimat flüchten, weil ihm Jemand bei einer Hilfsaktion fahrlässig ins Messer gerannt ist. Nun tut er Dienst für den Gangsterboss Master Lung [ Phillip Ko ], der gleich mehrere Probleme am Haken hat. Sein Sohn Prince [ Jin Xiang Xu ] soll zwar Nachfolger werden, kann sich allerdings noch nicht so richtig durchsetzen. Ziehsohn Jimmy [ Jimmy Ko ] praktiziert heimlich mit dem verstoßenen zweiten Ziehsohn Wing, der wegen Lug und Betrug in Ungnade gefallen ist. Als Ma Fais schwangere Frau durch Wing vergewaltigt und umgebracht wird, platzt ihm und Lily, der Schwester des Opfers [ Lily Chung ] der Wollkragen.

Wobei missverständlich zum reißerischen Titel kein Kugelballett geboten wird und die wenigen, an einer Hand abzählenden Schüsse gar nur im Off verpuffen und man weder Choreographie noch Mündungsfeuer noch Einschusstreffer zu sehen bekommt; das Thema wird bewusst flach gehalten, vor allem preislich. Das nicht vorhandene Geld lieber in Schwertkämpfe bzw. deren artverwandten Kompagnons gesteckt. Sollte die traditionelle Hieb- und Stichwaffe mal nicht vorrätig sein, tun es auch Knüppel, Rohre und Buttermesser.

Ähnlich sparsam ging man mit den aufgefahrenen Darstellern, den establing shots und ganz allgemein der Produktion an sich um, verlegte den Drehtermin gleich mitten in den Urlaub der Crew und filmte am Liebsten auch während dem Abklappern der touristischen Sehenswürdigkeiten, besonders der Restaurants. Dabei sollte sich als Glücksfall erweisen, dass neuerdings Korea als Reiseziel ausgesucht und mitten im Winter gebucht wurde.
Denn auch wenn die wenigen Pluspunkte schon bei der äußeren Veröffentlichung aufhören:
Sowohl die aufgeklarte Luft als auch die kalten Temperaturen bis hin zu leichtem Frost, die weißen Schneeflächen und das allgemein zugige Klima sorgen für ein Wechsel der Gangrichtung, für ein verändertes Aussehen und den Abwechslungsreichtum der frisierten Umgebung. Durch ihre Unbekanntheit erfrischende, saubere, untervölkerte Schauplätze und die allgemein teurer, da edler wirkende Aussicht verleihen dem von Budget verschmähten Projekt zumindest zeitweise den Anschein von Erhabenheit.

Der hiesige no name Regisseur David Leung weiß immerhin darum und baut darauf, die jeweilige Szenerie auch ansprechend in der Totalen zu präsentieren. Von einem vornehmen Setting zum nächsten. Wenn sich die warm eingepackte Triadenorganisation mitten in der abgeschiedenen Einöde am Ruhepol buddhistischer Tempel zum Gebet verabreden oder einen Drogendeal vor dem kristallklaren Fluss mit der Skyline im durchfrorenen Hintergrund durchführen, erweckt dies unweigerlich mehr Anmut und Eindruck als etwaige Begegnungen im verschwitzten Hinterhof direkt vor der eigenen Haustür. Auch lässt man Hawaiihemd und Pluder- bzw Trainingshose im Schrank und kleidet sich den Witterungen im Land der Morgenstille notgedrungen angemessen. Killer und Schergen in grau oder schwarz sind doch ernstzunehmender als im sonst beliebten schreiend bunten Kakaduoutfit.

All dies ist natürlich nur eine vorübergehende Sinnestäuschung, die als Halluzinogen der Fassade nicht lange verbergen kann, dass der große Rest der übliche dreck ist. Allein das Skript schert sich einen Deut um Interesse. Auch wenn man durchaus bescheinigen muss, dass man hier und da per Zweistufenschalter mehr Tempo als gewohnt in die Szenerie bekommt, sind angefangen von den Figuren bis über die Dialoge und Szenenbeschreibungen allesamt ungenügend, elend, ja stümperhaft gehalten. Die Geschichte klaut von vorn bis hinten, legt auch gut los, kommt aber trotzdem nicht über das Vorwort mit vielen Fragezeichen hinaus und verhaspelt sich dann schnell in wertmindernden Unsinn.

Personen werden irgendwann ab der Hälfte ausgetauscht, weiterhin wild addiert, bleiben aber nur für eine Duschszene mit Frontalunterricht über und sind ebenso rasch verschwunden wie gekommen. Die Macht-Fehde wird erst emsig betrieben, dann mittendrin ausgesetzt weil man auf einmal Beweise will und keine hat und sich prompt in ein ganz anderes Land mit neuen Schurken verlagert wird. Da stellen sich Leute der Polizei, die überhaupt Nichts mit der Angelegenheit zu tun haben, sondern nur die gänzlich unbeteiligte Freundin sind und man sich kein plausibleren Grund für das Ausscheiden ausdenken mag. Der bad guy rennt ständig mit einem rosaplüschigen Grinseschwein auf dem Arm durch die Gegend. Der Held lässt Alle Gegner fortwährend laufen, spielt aber daheim trauernder Samurai im Schneidersitz. Das Tin Cup Poster im Wohnzimmer wird andauernd derart ehrwürdig in Positur gesetzt, als wär es ein Original-Picasso aus dem Louvre. [Im Schlafzimmer hängt Fair Game.]
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