Dienstag, 18. Dezember 2007

Review: The Detective [ 25/09/2007 ]

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Je düsterer, trüber, kälter die Jahreszeit desto interessanter die Filme; zumindest im HK Kino eine alte und auch diesjährig erneut bestätigte Binsenweisheit, die die wahren Paradestücke immer direkt nach der Herbstdepression bereithält. Zwischen den engherzigen Romantischen Komödien des Sommers und dem baldig entstehenden knall bunten, aber bärbeißigem Klamaukbonbon für das Chinesische Neujahr sind die grob als Erwachsenenmaterial eingestuften Produkte an den Start gegangen. Ebenfalls empfänglich für Klischees, dennoch mit eigener Prägung versehene Varietäten, die unter einfarbig lackierten Glanz mit dunkel geneigten Spielflächen kontrastreiche Schatten aufweisen. Johnnie Tos Mad Detective, Derek Chius Brothers, das exquisite corpse Projekt Triangle und eben auch Oxide Pangs The Detective, die im finalen Endspurt mit einer spürbaren Intensität der künstlerischen Darstellung noch all den Verlust wettmachen wollen, der in den Monaten zuvor von meist belanglosem Flickwerk bereitet wurde.

The Detective ist dabei genau das, was im unmissverständlich handfesten Titel vorbereitend angekündigt wurde: Ein Thriller mit verworrenem Kriminalplot, mit notarierten Definitionen und Maßstäben, um Aufgaben, Probleme, Rätsel und der Suche nach einer Lösung, die vom blindlings eintretenden Zuschauer begleitet und vom Detektiv geleitet wird. Ein beratschlagend Führen lassen, seinen Blicken und Worten und gar den Gedanken folgen, ohne ihn selber auf Kurskorrektur bringen zu können. Verbrechen, Induktion und Deduktion, vom Allgemeinen zum Besonderen, vom Einzelnen auf die Regel. Rationale Kriminalistik, die mit dem Gespür für die Wahrheit hinter all den widersprechenden Fakten verbunden wird und das Kartenhaus aus Lug und Betrug letztlich zusammenfallen lässt. Ein erst ahnungsloses Stochern, dass nach und nach, viele Mühen und Gefahren später zur einzig möglichen, wenn auch nicht erhofften Antwort führt.

Regisseur Pang beherrscht diese Methodik der mannigfaltigen Indizien, die Metamorphosen der Entwicklung, das Legen von Spuren und das Vortäuschen von Tatsachen, verläuft sich aber trotz formal bestechender Beschaffenheit selber in seinem finsteren Gespinst aus komplexer Personenbeziehung und der Analyse der Erzählung. Auch hat nachvollziehbare Logik und Wahrscheinlichkeit nicht mehr Bedeutung als die Zitate der Schwarzen Serie, dafür ist die Besetzung mit Talent für Charakterdarstellung gesegnet und die Prämisse mit bizarren Formen von Exotik überzeugend greifend genug:
Privatdetektiv Chan Tam [ Aaron Kwok ] wird von dem Trinkkumpan Lung [ Shing Fui On ] beauftragt, eine Frau zu finden, die ihn verfolgt und ihn töten will. Er hat zwar ein privates Photo der Dame, aber kennt ihren Namen nicht und weiß auch nicht, wo sie wohnt. Tam willigt erst bei einem großen Stapel Geld als Anreiz ein und macht sich auf die Erkundung nach der Mysteriösen, wobei ihm laufend Tote in den Schoß purzeln.

Schauplatz ist Bangkok, paradiesisches Reich des schnellen Geldes, das tropische Savannen-Klima mit bisweilen drückender Wärme zusätzlich von Korruption, Besitzgier und Illegalität erhitzt.
Tam bewegt sich selten in der lichtdurchfluteten Öffentlichkeit, arbeitet spät nachts, sucht abseits der vollen Verkehrszonen nur die ominösen Hintergassen und diesigen Behausungen auf. Immense thai pop Lässigkeit mit gleichmäßigem Rhythmus und wohl proportionierter Spannung. Nachforschung, Klinkenputzen, name-dropping, treppauf, treppab. Eine breite Schiefertafel wird mit den Ergebnissen beschrieben, mit Motiven und Zeitangaben ergänzt. Dann Fahndung, dann Hetzjagd. Die Rolle vom Verfolger zum Verfolgten dreht sich schon beizeiten, die Recherche nach der Frau führt zu Morden, die wie Selbstmorde aussehen, Unfällen die keine sind, und Personen, die entweder nicht existieren oder sich für Jemand Anderen ausgeben. Nervös gekreuzte Ketten, ein sukzessiver Blick hinter die Fassade der banalen Alltäglichkeit, ein wörtliches Wühlen im Müll, zwischen Wach und Traum, zunehmend manisch-obsessiv, halb im Wahn, halb sonnambul.

Am Ende der Möglichkeiten und kurz vor völlig hieroglyphischer Erschöpfung angelangt werden zunehmend Effektszenen rein professioneller Natur eingestreut, die die bisherige Entschleunigung in treibendes Tempo verwandeln. Vom thriller zum shocker zum actioner. Verfolungsjagden per Auto und per pedes, Kühlschränke fallen vom Himmel, Wohnungen explodieren, Tam wird niedergeknüppelt, fast überfahren, springt Brücken hinunter und wird anschließend noch beschossen.
Ein Ereignisgetümmel, das spätestens jetzt die narrative Priorität vom Objekt auf das Subjekt gelenkt hat. Der Alternativ- und Arbeitstitel lautete The Photo. Tam bekommt ein Bild der Gesuchten, er findet bei dem ersten Toten ein Handy mit weiteren Aufnahmen und auch in dem bombardierten Zimmer liegt ein Lichtbild. Noch wichtiger: Er macht selber bei jedem wichtigen Schritt seiner Unternehmungen einen Abzug, hält die Entwirklichung der Existenz fest, erstellt eine faksimilierte Collage seiner Investigation nach dem expert killer, bei der er seitens der Polizei selbst seit langem zum Verdächtigen Nummer Eins wurde.

Auch wenn man die "neue Vergrößerung, andere Zusammenhänge" Methode aus Blow Up nahezu völlig verschenkt wird: Das Spezifikum des Kriminalromans und seiner Umsetzungen sind dabei penibel genau beachtet; eine Entfaltung mit aus Tradition angesammelter Gelehrsamkeit, allerdings auch mit einer gewissen Überlänge, die vor aller Akzentsetzung und abseits jeder gültigen deduktiven Beweisführung einen Umweg zu viel und damit auch prompt manche Abstecher in die Vergessenheit einlegt. Man verliert die Kontrolle über die Vervollkommenheit des Handlungsverlaufs, schweift in die psychologische Komponente ab, deutet obskuren Humor, burleske Elemente und nützliche Katharsis an, um dann doch in die enttäuschend banalste Auflösung zu verfallen.

Ein stilistischer Missbrauch mit irrtümlicher Dosierung. Große Diagonalen mit stützenden Linien und extremer Kadrierung. Im permanent grün-weiß-schwarz gehaltenen Grundton werden so spektakulär viele optimale Druckgrafiken für die Kamera gefunden, dass man sich die Einstellungen für den entscheidenden Fixpunkt wahrlich zusammenbasteln kann. Entsprechend der antizipierenden Aquarelldramaturgie und der topographischen Marksteine sind auch der Puzzles zu viel, der Toten zu emsig, wer war nun Ming [ Chaiyapong Settagam ], wer Wing [ Wayne Lai ], wer Hung [ Kenny Wong ], wieso heisst Lung plötzlich Choi und was hat Tams Jugendfreund, der zunehmend gereizt werdende Polizist Chak [ Liu Kai Chi ] mit alldem zu schaffen ? Strammes Rohmaterial, als wenn die Inszenierung des halbseiden poetischen Abenteuers noch beim Dreh auf Inspiration wartet und selber nicht überschaut, wie die Geschichte letztlich aussehen soll und die volle Bedeutung auch niemals erkennt.
Statt Bloßlegung, Demaskieren und Entlarven dann doch nur äußerliche Fakten. Eine ungeheure Masse an Andeutungen, Tatsachen, Nebenumständen, deren Einordnung in ein logisches Muster so schwer fällt wie der Überblick eines Außenstehenden über Kapitalmarktorientierte Aktenindizes; was dann auch tatsächlich die raison d'être für all das Unheil darstellt, aber schlichtweg nicht mehr verblüfft oder wenigstens fasziniert.
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Review: Devil Fetus [ 07/09/1983 ]

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Wenn man sich das Horrorfilmarchiv der letzten Jahre, nicht nur einschließlich des Neuen Jahrtausends, sondern zurückreichend bis mindestens 1990 anschaut, könnte und muss man geradezu den Eindruck bekommen, dass die Kantonesen es diesbezüglich überhaupt nicht drauf haben. Ausnahmen nur als die bestätigende Regel, außerdem lässt sich der aufmerksame Blick auf die japanischen und später koreanischen Kollegen nicht vermeiden, deren Ansichten mehr schlecht als recht mit fast durchweg weit abträglicheren Ergebnissen übernommen wurden. Das Gruselgenre durch die materiellen Mängel, unbeholfenes Plagiieren und das formal täppische Nacheifern selber nur als Abschreckung.

Eine malade Sparte mit beständig zu registrierendem Unvermögen. Bemerkenswert ist da nur noch die Tatsache, dass dies einmal so ganz anders war. Ab der Hälfte der 70er wurde eine Dekade lang bereits das Augenmerk auf das Unheimliche und die Fundamente der Angst gelegt, sich dort sicherlich auch an anderen, damalig amerikanischen oder italienischen Vertretern orientiert, aber die Zitate und Inspirationen zusammen mit der chinesischen Mythologie zu eigenständigen Formen erhoben. Trotz oder vielleicht auch gerade wegen der Anfänge dieser ungewöhnlichen Sonderabteilung, der noch wohlgemuten Suche nach Modus und Ordnung der neu entdeckten Lexikologie und dem recht schnellen Herausbilden der Übersichtstafeln einer für das Land modernen Gattung von Film gelang die illustrative, informative, instruktive Kategorie der extreme films and video nasties nicht nur weitaus interessanter als die heutigen Ansammlungen. Sondern durch das Anzapfen von frischen Blut auch nahezu durchweg beflügelnder, ausgefallener, reizvoller und so entwaffnend offensiver.

Vorreiter der breiten Welle waren natürlich die Shaw Brothers, die auch bald ihre eigenen Spezies dafür entwickelten; Nachahmer angesichts des Erfolges vor allem auch im Auslandsmarkt flink alle Anderen, die wie ein Teenager mit erstmalig stubenfrei die lange Enthaltsamkeit und die Gunst der Stunde zum destruktiven Austoben nutzten. Lo Wei, ehemaliger Shawregisseur zahlenmäßig unübersehbarer Trash/Pulp-Fabrikate und später "Entdecker" von Jackie Chan war als Produzent im eh schon aktiven Jahr 1983 verantwortlich für einen der herberen Trittbrettfahrer: Devil Fetus, lange Zeit allein schon wegen dem effektiven Titel und dem entsprechend munkelnden Rumoren einer kleinen Klientel emsig gesucht und eifrig begehrt. Ein rares Produkt mit einer umso weiter verbreiteten Komposition aus Nachruhm, Übertreibung und Verklärung, die beim Kundigen ein sinniges Lächeln zauberte und beim Nichtinformierten für ungläubige, aber spitze Ohren sorgte, auch wenn es nur an die Aufzählung der obligaten Goregroßtaten ging.
Der Teenager und die Nekrologe sind allerdings auch anwesend:

Die Chengs sind nach einem doppelten Todesfall in der Familie umgezogen. Als die Schreine der damals Gestorbenen durch die aus Singapur angereiste Cousine Juju [ Shirley Lui ] für einen Moment verrückt werden, bricht erneutes Chaos über die Verwandtschaft herein. Das Böse breitet sich aus.

Ein rauer Schrecken, der trotz aller obskurer und später auch phantastischer werdenden Effekte durch die äußerst banale Wirklichkeit durchaus etwas schmerzdurchdrungen Realistisches an sich hat. Die gezeigte Gemeinschaft bekommt sicherlich keine immens erläuternde Charakterisierung ab, funktioniert im Kontext aber als eindimensionales Abbild des Jedermann. Die Eltern, denen die aufgezogenen Kinder langsam über den Kopf wachsen und ihre eigene Wege gehen. Der Jüngere der beiden Söhne, der noch passiv tatenlos den Liebesabenteuern des Erwachsenen Kent [ Eddie Chan ] zusehen und so immer hinter diesem zurückstehen muss, obwohl er auch auf dessen Gespielin abfährt. Der Dienstbote und Chauffeur [ Ho Pak Kwong ] der Familie, der getreu seiner Rolle immer nur dann durchs Geschehen huscht, wenn es irgendetwas zu erledigen oder Rüffel abzuholen gibt. Die noch rüstige Grossmutter [ Ou-Yang Sha Fei ], die trotz dem beizeitigen Verlust der Kontrolle weiterhin versucht, die Auflösungserscheinungen eines sich selbst vernichtenden Systems aufzuhalten.

Ähnlich wie sich die Kategorie der Filme über die verschiedenen Phasen [ Thriller, Mystik, Martial Arts Horror etc. ] in die deutlicheren Subgenres, vor allem dem Tierhorror entwickelt hat, so transformiert sich auch das Grauen im speziell vorliegenden Fall. Nicht nur, dass sich der Auslöser des Übels zwar klar definieren lässt, dann aber seine Gestalt, die Mittel und Auswirkungen stetig der jeweiligen Situation anpasst; auch die desolate Inszenierung weist dem schwarzseherischen Fortgang unterschiedliche Schwerpunkte zu und nimmt dabei ebenso abweichende Haltungen und Blickwinkel ein. Die anfängliche Unsicherheit und das seelenwunde Unwohlsein angesichts des Kommenden bereits in den ersten Minuten wird noch mit einer alles im Überblick behaltenden Draufsicht aus der Vogelperspektive beobachtet. Gleichermaßen kurzerhand wie sich die Gefahr im eh schon freudlosen Leben der Chengs ausbreitet, so detailliert eidetisch wird auf die veränderte Situation eingegangen. Die sich stetig novellierende Herangehensweise, der von Abschnitt zu Abschnitt zunehmend heterogene Ton samt eigentlich wesensfremden Einspielern [Zombies, Kannibalen, Okkultismus, Tödliches Spielzeug, Poltergeist, Spukhaus, Primatenattacken, dem Exorzismus, das Neue Fleisch u.a.] wird dennoch überraschend phantasievoll und auch schlagfertig zu einem stimmig leidenden Ganzen entwickelt. Ein disparates Experimentierfeld, dass zwar theoretisch gegensätzlich oppositionell aufgestückelt ist, aber die widersprechenden Bausteine punktweise zu einem produktiv schöpferischen, wenn auch gramgebeugten Puzzle formieren kann.

Bedanken darf man sich bei der Erschaffung einer sofort unangenehmen Atmosphäre, die nie auch nur die Illusion einer friedvollen Welt glücklicher Menschen in Eintracht erlaubt, sondern von Beginn weg keinerlei Chance oder anderweitig Optimismus und Zuversicht zulässt. Es ist nie wirklich taghell, nie richtig warm, nie heimisch, nie angenehm. Kein Poesiealbum mit Wunschträumen. Kein Hinauszögerndes Versprechen, keine ausführliche Schilderung eines harmlosen Alltags, der vielleicht von familiärer Sicherheit, dem Trost der eigenen vier Wände und dem Vertrauen des Zukunftsglaubens gespeist ist. Sondern das Eindringen des Grauens ohne weitere Vorwarnung und der fehlenden Aussicht auf Hoffnungsanker und rettender Hintertür. Ein unangekündigter Rapport im Schlafzimmer, in dem die allein gelassene Ehefrau Suk Ching [ Lo Pooi Pooi ] mit einer frisch erstandenen Jadevase masturbiert, kurz darauf Sex mit einem riesigen Schleimmonster hat und dabei von ihrem gerade von Geschäftsreise heimgekommenen Mann erwischt wird. Der zwar das unheilvolle Ziergefäß zerstört, aber dessen Gesicht von den Dämpfen der Splitter zu Pestbeulen verwandelt, die Schicht unter der Haut freigelegt wird und sich dort bereits die Maden tummeln.

Überraschendes, böses, zweifelndes, aufgrund des absurden Gewaltspektakels auch befreiendes Gelächter. Gepaart mit paradoxem Schock. Der erste, aber beileibe nicht der einzige Moment des hämisch-niederträchtig Entsetzens, dass Regisseur Lau Hung Chuen hier in seinem Regiedebüt veranstaltet; eine little less ritual and a little more terror Dramaturgie, die neben einer permanent schwachen Ausleuchtung besonders auf ein erbarmungsloses Prinzip setzt, indem Alles denkbar und Auch Alles Ausführbar ist. Kein empfindsame Pflänzchen der Emanzipation in die Splatterwelt, sondern eine ermunternd ertragreiche und gleichfalls perfide Abart aus der anregenden Dogmatik der internationalen Quellen, die mit autarken Dialekt vertont werden und deren Ableger der eigenen Veranstaltungen mit dem raschen Erfolg ebenso flink gegenseitig zu überbieten versuchen [Boxer’s Omen, Brutal Sorcery, Calamity of Snakes, Crazy Blood, Red Spell Spells Red, Seeding of a Ghost allein in dem Jahr]. Die obsessed & possessed Figuren werden in der hiesigen Spielwiese der Maskenbilder und Trickexperten von Schäferhunden angegriffen, zerquetscht, essen und speien Würmer, höhlen Eingeweide aus und goutieren die Gedärme..
Werdegang und Endprodukt einer Gesellschaft, die keine Schutzbefohlenen mehr kennt; weit vor der Einführung des Cat 3 Siegels, in dessen Auswertung man eben diese morbide, krank-kreative Grundhaltung noch einmal aufnimmt, ohne sie trotz moderner Behandlung wirklich intensivierend verstärken zu können.
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