Dienstag, 15. April 2008

Review: Kung Fu Dunk [ 07/02/2008 ]

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Charakteristisch für den Film ist bereits eine frühe Szene, die das Denken dahinter und das Motiv für das Schaffen von Regisseur Kevin Chu Yen-ping überhaupt in wenigen Momenten zusammenfasst. Als zwei Leute, die sich ein richtiges Mahl nicht leisten können, abends dennoch in einem edlen und offenkundig auch ebenso teuren Restaurant speisen wollen, serviert ihnen eine blutsverwandte Angestellte ein Gericht, dass sich aus den Überresten der anderen Gäste zusammensetzt. Für die beiden so Verköstigten jeweils das Beste, aber trotzdem von den Vorgängern verschmäht, aus dem Zusammenhang gerissen und auch ohne Sinn und Verstand zu einem gegensätzlichen Gefüge verbunden.
Eine Überhebung der Mechanik, die nur der eigenen Selbstzufriedenheit dient.

So wie dort die Tropfen verschiedener Jahrgänge des Weines in einem frischen Glas dargereicht werden, so inszeniert Chu seit jeher, aus den Ruinen anderer Filme trägt er Schutt und Trümmer zusammen und baut sich sein eigenes, oftmals sehr spezielles, windschiefes, von Anderen meist ignoriertes oder höchstens mitleidig belächeltes Haus zusammen. Kreativität ? Eher friert die Hölle zu. Berühmt berüchtigt sein wohl bekanntestes Werk Fantasy Mission Force [ 1983 ], wie in delierender Trunkenheit zusammengestoppelt, wirr durch Raum, Zeit und Genre springend und im bewußtseinsgestörten Rausch alles aufnehmend und in Schnappschussfolgen wieder verwertend, was wahllos greifbar in der Reichweite ist. Auch die besseren, zumindest auf den ersten Blick und im Vergleich fast homogen wirkenden Arbeiten wie Island on Fire [ 1990 ] lassen die Parallelstellen erkennen, die Hommage oder auch die Plagiatie, ein Blendwerk der Nachahmung in dramaturgischer Unbeholfenheit, dass bereits gestaltete Materie nur noch einmal neu als wertverschiebende Randbemerkung zusammenfasst. Annexion als gängige Praxis:

Fang Shijie [ Jay Chou, als verpeilter Beatle mit Haarschnitt aus Salon Pott ] wurde als Baby bei einer Martial Arts Schule ausgesetzt, wo er unter dem Leiter Wang Biao [ Wang Gang ] und seinem persönlichen Trainer [ Eddy Ko Hung ] die Kunst des Kung Fu erlernt hat. Erwachsen geworden streift er weitgehend ziellos und auch ohne Erfolg bei der Damenwelt durch die Gegend, bis der auf der Strasse lebende Zhen Li [ Eric Tsang ] sein wahres Talent erkennt. Fang trifft immer, egal aus welcher Entfernung oder mit welchem Gegenstand, er versenkt Alles mit einem Wurf. Sofort meldet er ihn bei der Basketballmannschaft der First University an und bringt ihn als "basketball orphan", der über den Sport nach seinen Eltern sucht auch propagandaträchtig in die Medien. Der Captain Ding-Wei [ Wilson Chen ], seine Schwester Lily [ Charlene Choi ] und der beste Spieler im Team, Xiao Lan [ Baron Chen ], sind zwar ebenso wie der Dekan Zhou [ Wong Yat Fei ] erst etwas misstrauisch gegenüber dem seltsam treuherzigen Neuling, benötigen aber dringend Verstärkung für das bevorstehende Turnier gegen den ehemaligen Kollegen Li Tian [ Will Liu ]. Als mit harten Bandagen und miesen Tricks agiert wird, greift Fang auf seine einstigen Gelehrten [ Leung Kar-Yan, Ng Man-Tat, Huang Bo und Yan Ni ] zurück.

Gesellschaftliche Aussenseiter, die Individualität entwickeln. "Oliver Twist" im comichaften Popuniversum.
Eine verlässliche Erkennbarkeit von typenhaft unrealistisch porträtierten, in ihrem Verhalten dürftig motivierten, mit dem Hang zu drastischen Gesten ausgelasteten Figuren, die im hanebüchenen Maskenspiel unpsychologischer Erzählweise aufeinandertreffen und hysterisches Gestürm anrichten. Dass copycat Chu für Kung Fu Dunk, den Jahrmarkt der Eitelkeiten, den angepeilten chinese new year Blockbuster, die direkte Konkurrenz zu Stephen Chows CJ7 ausgesucht wurde, hat demnach offensichtlich seine Bewandtnis. Auch wenn seine Mitarbeit aus mehr als heiterem Himmel kommt und den Meisten, die sein häufiges, aber sehr klein gehaltenes Werk verfolgt haben, bis über den Abspann und die bereits angekündigte Fortsetzung hinaus Rätsel aufgeben wird. Als teures Prestigeobjekt, dass in der wichtigsten Zeit des Jahres die gesamte Familie während den Feiertagen ins Kino locken und drumherum auch das Merchandising bedienen soll. Als einstmals proklamierte Verfilmung des ab 1990 immens erfolgreichen "Slam Dunk" Mangas, der auch in einer Fernsehserie und OVAs verwertet wurde. Als unartikulierte Nachfolge des die vergleichbare Methode ausschöpfenden Initial D und als technische Weiterentwicklung: Schien die Produktion sowohl für die taiwanesische Chang-Hong Channel Film & Video Co. Ltd. als auch eben Chu, der noch nie gross mit Geld hantiert und auch nicht erwirtschaftet hat, mehrere Nummern zu schwer zu sein.

Während finanzielle Hilfen und somit auch die entsprechende Abtretung der Gewinnbeteiligung seitens kantonesischer Studios generös ausgeschlagen wurde und man stattdessen die landeseigene Regierung zur Teil-Übernahme der Kosten von US$10 Million anrief, bediente man sich auf gleichem Wege allerdings dennoch bei den umliegenden Nachbarn. Nicht nur, dass man sich entsprechende Fachkräfte für die aufwendige Effektumsetzung auslieh, allen voran Choreograph Tony Ching Siu-tung für die überbordenden Drahtseilaktionen und Zhang Yimous Hauskameramann Zhao Xiao-Ding, der scheinbar bitter nötig war, dem Tollhaus aus herumspringenden, fliegenden, kickenden Massen folgen zu können. Auch die Quellensammlung wurde vom japanischen Grundstoff des Mangas von Takehiko Inoue weg vermehrt auf Stephen Chows internationalen Durchbruch Shaolin Soccer [ 2001 ] verlegt. Eine mißliebig aufgenommene, aber sicherlich weise Entscheidung, bei der angesichts des damaligen Triumphs es eher verwundert, warum darauf bisher nicht Jemand anders gekommen ist.

Zwar passiert im stereotyp saloppen Drehbuch letztendlich ein wenig mehr, als dass ohne die Suche nach neuen Ansätzen nur die Sportarten von Fußball auf Basketball gewechselt wird. Aber wie üblich bei Chu formuliert er auch hier derart intensiv im kollektiven Bildergedächtnis folkloristischen Arrangements, dass neben der Verknüpfung der simplen Ideen gerade die reproduzierte Erinnerung der Äußerlichkeit entscheidend ist. Das Beeindrucken über den 1:1 Nachahmeeffekt, ein Fortwirken der vergangenen, aber fest abgespeicherten Erinnerungen und Empfindungen, die beim Betrachten der neuen Substanz sofort eine Allianz mit der alten eingehen. Reaktivierung der Phantasie. Ungehemmte Schaulust. Vertraut. Bewährt. Funktionstüchtig.

Sicherlich lassen sich schon allein vom Vorwurf der - wenn auch nicht sklavischen, aber zumindest taktgenauen - Imitation ausgehend bereits die ersten hämischen Worte über das strikt ökonomisch denkende Doublee ergießen, gefolgt vom Teeren und Federn wegen der Perlen vor die Säue, der kitschigen Pseudosubstanz, der toten Gewissheit, der bräsigen the air up there Philosophie, der bubblegum-Optik, der phrasenhaften Welt des Scheins, dem Anbiedern an den Superkommerz. [Auch beliebt, aber sehr verquer ist die Anprangerung der Missachtung der Basketball-Regelkunde.] Chu und sein Räuber-Beute-Modell waren schon immer und auch nicht zu Unrecht ein leichter Fang, ein rotes Tuch. "You are all swine! You have brought shame to your houses! Losers!", wie es in Dodgeball so enttäuscht glühend angeklagt wird.

Aber. Als brodelnde Unterhaltungsmaschine, die in betont perfekter Illustration ohne höhere Ambitionen nie etwas anderes sein will als das Publikum umschmeichelnd zu reizen und eventuell auch den Gegenwert ausschließlich über den visuellen Charakter und die urlaubshafte Gelöstheit zu liefern, macht der Film dann doch Vieles, wenn auch Beileibe nicht Alles [und vor allem nicht das prätentiöse Ende] richtig. Es kommt auch nie die Euphorie, der unschuldige Genuss, die positive Überraschung und das Beschwingtsein durch den Befreiungsschlag wie beim Original auf, aber man kratzt zumindest, wenn auch banal und eben veräußerlicht an genau dieser Assoziationsofferte.

Die trivial sterilisierte Schale dafür wird auf jeden Fall geboten, die affektive kulturelle Dekadenz, viel Labsal für Auge und Ohr, eine kalkulierte Schwelgerei in aberwitzig großräumiger Architektur spiegelglänzender, glattgeleckter, komplett entkorrodierter Atmosphäre und fortschreitender Intensivierung. Für den Massenmarkt werbeästhetisch polierter Bombast in konzentrierter Entspannung, den man dem das letzte Jahrzehnt in Minimalismus, schlichter, unmoderner Machart samt Unordnung, Beliebigkeit und Zufälligkeit tätigen Chu ebenso wie den zuweilen aufblitzenden Sinn für angenehm verschmitzten Humor so gar nicht zugetraut hätte. Eine aufwändig energiegeladene Gestaltqualität voll digital verschönter, dynamisch montierter Bild-Tonsequenzen und furioser [CGI] Artistik, die den Unkenrufen und dem Schmäh zwar die volle Breitseite bieten, aber gerade wegen ihrer aufgekratzten Schunkellaune, der fröhlichen Nichtswürdigkeit, der kindlichen Beharrlichkeit und der beherzten Tatkraft auf unbesonnene Art durchaus verlustieren können.
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