Sonntag, 25. November 2007

Review: Isle of Fantasy [ 21/12/1985 ]

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No parents. No teachers. No rules... No mercy.

Isle of Fantasy ist kein Herr der Fliegen und will es auch nie sein. Arbeitet in Grundzügen aber mit dem Urgedanken Vieler, wie es denn wäre, mal abgeschieden von der Gesellschaft auf einem verlorenen Eiland inmitten des Ozeans zu stranden, dort tun und lassen zu können was man selber will und fern jeder Aufsicht, Ordnung und Zwängen sein eigenes Leben zu bestreiten. Ein Auswandern aus der Zivilisation hinaus, direkt in das Paradies hinein, deren verlockende Exotik und Freiheit man scheinbar nur erwirbt, wenn man sich von allem Materiellen als Eckpfeiler eines jeden Systems entsagt und mit Nichts in den Händen neu anfängt. Der ultimative Aussteiger-Traum, die kindlich-schwärmerische Phantasie, die Utopie eines Luftschlosses, in dem man Vergangenheit und Gegenwart abstreifend hinter sich lässt und die Zukunft mit eigenen Händen errichtet.

Trotz einiger angeschnittener Metaphern, die selbst die hiesige adventure comedy mit allen offensichtlichen Anstrengungen zur banalsten Harmlosigkeit eben nicht vermeiden kann, ist man mehr als einen Steinwurf entfernt von jeder noch so politisch interessierten Gleichnisrede, dem Anfordern einer Dystopie, des psychologischen Terror oder einer anthropologischen Analyse. Sondern ergeht sich vielmehr in einer kulturell assimilierenden Robinsonade, die ihren einzigen Anspruch auf schäkernden Witz am Augenfälligsten schon in der veränderten Besetzung geltend macht. Hier stranden keine Gruppe heranwachsender Jungs, in der Jeder des anderen Wolf ist, oder ein gemischt rassiges, ja sogar hinsichtlich Herkunft, Nationalität, Sprache, Religion und Ethnie vermischtes Völkchen [ Lost ]. Sondern ein ganz simpler Handelsvertreter sowie eine kantonesische girl scout Einheit. Ein Mann und Sieben Frauen. Ein sichtlich biederer Mensch mit großer Klappe, ein Schmähtandler, der in seiner naiven Tugend und den einfachsten Bedürfnissen geradezu als Inbegriff des Normalen zu gelten hat. Und die liebreizend knospende Kindchenschema-Pracht von Ann Bridgewater, Loletta Lee, Fennie Yuen, May Lo, Charine Chan und Bonnie Law, die von einer älteren, rundlichen, schon leicht vertrockneten Anstandsdame [ Teresa Carpio ] als Trainerin und Erzieherin geführt und im Aufschwung ihrer Hormone kurz nach der Pubertät nur mühsam kontrolliert werden.

Dergestalt sicher auch ein Traum von Vielen, zumal die matriarchale Fähnlein Fieselschweif Truppe eben aus durchweg rosig anmutsamen Teenies besteht, die erst in Uniform, dann in sehr legerer Freizeitkleidung in Form von knappen hot pants und losem T-Shirt und schließlich auch im einteilig-fliederfarbenen Badeanzug antreten. Verständlich, dass sich Autor Raymond Wong beim Niederschreiben dieses jungfräulich erotischen Trugbildes auch selber die wichtigste Rolle gegeben und als Miteigner der produzierenden Cinema City & Films Co. auch dafür gesorgt hat, dass man trotz offensichtlicher Defizite im Spiel nicht nur seine Idee verwirklicht, sondern ihn auch direkt in ihr beteiligt. Sein Cannon Wong ist der Glückliche, der nach einem Flugzeugabsturz als Einziger mit hemizygotem Erbgang auf dem idyllisch-lauschigen Atoll landen und sich dort mit einer erstmal argwöhnisch feindlichen Jugendgruppe anfreunden darf. Die zwar durch weise Voraussicht und weiblicher Natur mit Ordnungssinn weit besser auf den castaway Notfall vorbereitet sind, aber vor aller Disziplin, Pflicht und Baumpflanzaktionen scheinbar noch Niemand mit Y-Chromosom in ihrem Leben gesehen haben und nun lernen müssen, auch dies Phänomen als Bereicherung und nicht als Bedrohung der eigenen Existenz wahrzunehmen.

Die unvermeidlichen Konflikte, die Furcht vor dem Feind, der Weg zum Toleranzprinzip mit einer für Alle akzeptablen Lösung und der sodann freie [Gedanken]Austausch nehmen den ersten Teil des flachen Lustspiels mit abgedroschenen Liedeinlagen ein. Nachdem der obligate systemumwälzende Geschlechterkrieg und damit die Altherrenphantasie mit inneren Hemmschranken vorbei ist, tritt die erste gemeinsame Prüfung und damit der schwerwiegende Kampf an. Denn die mit der Flucht ins Nirgendwo so schändlich hintergangene Allgemeinheit, deren Autorität man nunmehr ablehnt beziehungsweise gegen dessen autoritäre Normen man sich gewendet hat, streckt ihre neidischen Greifarme aus und schickt Abkömmlinge auf die karibische Oase des Friedens: Ein Gesindel Drogenschmuggler, die als moderne Seeräuber in der Blauen Lagune ihr Opium anpflanzen.

Also erst Organisationssoziologie, dann Interaktion, bindende Wirkung von Sozialintegration und schließlich "Männerjagd" von existentieller Bedeutung; eingerahmt durch einen entnervenden Gute-Laune-Pakt einfältigster Gags. Abgesehen von der plagenden Humorrate mit äußerst niedriger Trefferquote kann man mit dem dreigliedrigem Schwerpunkt der Erzählführung + finalem hell in the pacific Showdown durchaus auskommen. Zumal vom geographischen Setting, dem Ansprechen kompletter Gegensätze zur Urbanität und dem Weglassen der Hinterlassenschaft von Kummer, Nöte und Sorgen genügend Identifikation für die zivilisationsmüden Großstädter vorhanden ist. Die begrünte Insel mit zwei Bergen, das klar schimmernd blaue Meer, die blühende Flora und Fauna, die man sonst nur im "Delikatessen aus aller Welt" Spezialitäten Versand beziehen kann, der strahlend Himmel, die saubere Luft. Sonne statt Schatten und Wärme statt Kälte.

Im Fixpunkt die jungen, sommerlich fidelen, unbeschwert übersprudelnden Menschen, die Tag und Nacht ohne Blick auf Uhr und Kalender verbringen und keine Rechnungen, Mahnungen und unliebsame Terminaufforderungen auf dem Tisch bekommen. Es geht nicht ums Überleben oder die Verzweiflung wie sonst im Abenteuergenre, sondern um das Ablegen von falschen Vorurteilen und das Ausleben von Spaß, Wein, Weib, Gesang, barockem Kostümball und Grillabend. All dies als vervollkommnter Gegensatz zur grauen Alltagswelt, die im Prolog nicht umsonst mit einem kriminellen Delikt im beengten Hochhaus eingeführt wird. Dort ein schon zur Gewohnheit gewordener Raubüberfall unter Leuten, wo Einer dem Anderen im pseudodemokratischen Staat nicht die Butter aufs Brot gönnt. Hier ein schwesterlich vereintes Teilen, ein Geben und Nehmen, gemeinsam Sähen, gemeinsam Ernten, gemeinsam Konsumieren. Natürlich gibt es auch unter freiem Himmel kurzzeitig Streit – Himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt. Das Erwachsenwerden bringt so manche Nöte mit sich - , wobei Vergnügen, Verlangen und die Liebe die Verursacher sind, sich das aber alsbald in frohgestimmt, leichtherzig, pflichtvergessen Wohlgefallen auflöst. Da es auf der Fantasy Island mit eigens ländlicher Freizeitindustrie ja noch weitere Dinge außer dem anderen Geschlecht zu entdecken gibt.

Neben den erst am Ende auftauchenden Bösewichten in Stirnband und Hawaiihemd sind dies ein gefräßiges [Gummi]Krokodil, eine fleischfressende Pflanze, ein Riesengorilla mit besonderem Interesse für Playboy und Spitzenunterwäsche; selbstredend ebenfalls alles Synonyme für das chauvinistische Mannsbild. Und der uralte Einsiedler Duncan Tang [ Tang Kei Chan mit ergrauter Indianerperücke ]. Der zwar einen Schießprügel aus dem Zweiten Weltkrieg hat, diese Antiquität aber nicht mehr funktioniert und er nicht nur deswegen keine Gefahr mehr darstellt. Wenn selbst der Phallusersatz nur eine Attrappe ist, müssen sich stattdessen die Mädels getreu der Anerkennung weiblicher Dominanz durch physische Gewalt in waffenstarrende Amazonen verwandeln. Wenigstens lässt Regisseur Michael Mak - immerhin Macher der crunch encounter Long Arm of the Law 2-4, The Shootout, Train Robbers, Island of Greed -, am Ende die Puppen tanzen und setzt bisherige theoretische Überlegungen über Strategie und Taktik in die Praxis um, auch wenn dies statt erhofftem Blutrausch nur Wasserfallen, Kokosnussbömbchen, Plastikfelsen, Stolperdraht und Pfeil und Bogen beinhaltet.
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