Dienstag, 8. Januar 2008

Review: Brothers [ 18/10/2007 ]

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Zwei Monate von der Ankündigung bis zum Kinostart, zwei weitere bis zum Erscheinen auf DVD. Brothers vollzieht zumindest in der Produktion die altbewährte Ex-und-hopp Formel im selbstgewählten Schnelldurchlauf. Ein in aller Hast Einprägen, dass durch rasches, aber umso eindrückliches Aplomb seine Wirkung nicht verfehlt. Ein sicheres Auftreten mit gehörigem Nachdruck, dass in der Erinnerung kramt und längst Vergangenes wieder zum Vorschein holt: Der Film als die Reunion der TVB Five Tigers; einer Gruppe Schauspieler, die gemeinsam in den Achtzigern im kantonesischen Fernsehen für Furore und entsprechend hohe Einschaltquoten gesorgt haben, eigentlich bereits 1991 mit The Tigers wieder vereinigt auf die Kinoleinwand gebeten wurden, aber nun doch noch einmal ihren zweiten, wenn nicht gleich dritten Frühling feiern dürfen.

Als Produzent des wallfahrenden Comebacks der wahrlich nicht immer erfolgreichen und in den letzten Jahren doch eher vernachlässigten, bzw. immer noch oder erneut auf der Mattscheibe gestrandeten Altherrenriege legte sich verstärkt ihr fruchtbarstes Mitglied Andy Lau ins Zeug. Lau, der seit den ehemaligen Tagen eigentlich ununterbrochen Kassenmagnet Nummer Eins und Liebling aller Printmedien ist, sorgte durch seine als Cameo gedachte Teilnahme im Film auch gleich für das nötige Prestige und den entsprechenden Rummel um das verspätete Klassentreffen mit Stufenfestcharakter. Der Gastauftritt wurde gebührend der bankability Prominenz zur eminenten Nebenrolle ausgebaut; auch um von der Tatsache abzulenken, dass einstiges Mitglied Tony Leung Chiu-wai nicht nur nicht in Erwägung für eine Rolle, sondern auch nicht einmal kameradschaftlich zur Premiere eingeladen wurde. Um böses Blut unter einstigen Gesinnungsgenossen, um die Veränderung der Gegenwart zur vermeintlich glorreichen Vergangenheit und um die im Kollektiv verhandelten Debatten über Machtstrukturen und Diskurshoheiten geht es dann auch im Prozessions-Film:

Gangsterboss Yiu [ Miu Kiu Wai, der schon im Ruhestand war und sein Geld im Optikergeschäft verdiente ], der nach dem Rücktritt seines Vaters Tin Tam [ Wang Zhiwen ] die Geschäfte übernommen und sie zumindest nach außen hin in die Legalität gezogen hat, hat mehrere Probleme am Hals. Nicht nur, dass ihm ein Gehirntumor im Spätstadium zu schaffen macht, auch die Konkurrenz mit Uncle Nine Yim [ Henry Fong Ping ], dessem Sohn Kui [ Ken Tong ] und Scherge Chacha [ Teddy Kin ] wagt sich sehr dreist in den offenen Aufruhr. Dazu nutzen sie auch die Mithilfe der Polizei, dessen ständigen Durchsuchungen durch Inspector Lau [ Andy Lau ] und Sergeant Lam Sun [ Gordon Lam ] der empfindlich genervte Yiu bloß abgespannt durch seine Freundin und Anwältin Chong Ching [ Betty Huang Yi ] niederschlagen kann. Als sein Vater durch ein Attentat schwer verletzt ins Krankenhaus kommt und die an Alzheimer leidende Mutter [ Elaine Kam ] auf sich allein steht, holt Yiu seinen die letzten zwanzig Jahre in den USA lebenden Bruder Shun [ Eason Chan ] zurück; um gemeinsam mit Adoptivbruder Ghostie [ Felix Wong ] die Vergeltung zu starten.

Ein mit sichtlich Personenaufwand gestütztes Handlungsgerüst, dessen narrativer [Dialog]Vorbau auch gut und gerne für eine weit ausschweifende Abhandlung als hiesig vorgestellt ausreichen würde. Wenn man denn Intuition und Konzeption besitzt, aus dem Umfeld voneinander losgelöster, aber stetig überschneidender Herrschaftsverhältnisse auch das Eigenleben dieses undurchschaubaren Soziotops zu erforschen und beschreiben.
Geschickt sind die Verweise auf die Historie der Tang-Dynastie, speziell dem "Aufruhr am Tor des dunklen Kriegers", eine tödliche Rivalität unter Brüdern am 02.07. 626.
Das Drehbuch Selbsterfüllender Prophezeiung gibt sich allerdings nicht die Mühe, die Ursachen des Seins, die über das Erfahrbare und Wahrnehmbare hinausgehen in dem nun vorliegenden Fall zu entschlüsseln, sondern ruht sich mit vermeintlich gutem Gewissen auf der ebenfalls innerhalb zweier Dekaden geschaffenen historischen Überlieferungen, der Denkmalpflege im Gänsemarsch und seinen folgerichtigen Ellipsen aus. Nicht zum Verständnis erforderliche Dramenteile werden einfach weggelassen und ergeben so eine verkürzte Satzkonstruktion.

Wenn man schon in der Besetzung mit Institutionen allerorten aufwartet – selbst Kleinstrollen sind mit Blickfängen wie Wong Ching, Yu Rong Guang, Lam Suet und Eddie Cheung vertreten – kann man das Sichbewegen innerhalb von Organisationen auch per Weitergabe und Wiedergabe von Traditionen ausstaffieren. Sowohl die Problematik als auch Anlass, Motiv, Handhabe sind demnach wie weiland 1987 gehalten: Dem Beginn des Heroic Bloodshed- und des Triadenfilmes im ausdrücklichen, zumindest auch auf den Auslandsmarkt einwirkenden Sinn. Rein thematisch schon ein relativ eingeschränktes Subgenre. Ein Intarsienkabinett, dass sich gattungsmässig um die Konfrontation von Loyalität, Solidarität, Zuverlässigkeit und Anständigkeit gegenüber der Gruppe, der man sich verbunden fühlt und den eindeutig materiell bestimmten Werten und Zielen dreht und viel Augenmerk auf Durchgliederung, Rangordnung, Staffelung legt. Eine Auffächerung an widerstreitenden Individuen mit selten demselben Leitgedanken, noch seltener dem gleichen Beweggrund und schon gar nicht den identischen Arbeitsmethoden. Die Unterscheidung der Subjekte sowie die beginnende Reibung der Interessen und die handfeste Verdeutlichungsfunktion nimmt hier wie gewohnt den ersten Teil der Laufzeit ein. Das Ausleben des aufgestauten Grolls den zweiten.

Vom Einfachen das Beste, obzwar in Anachronismen, mehr Schau- als Überraschungseffekt und der schleichenden Erkrankung am sättigenden Überdruss. Ein reiner Demonstrationszug, in verlangsamt zerdehnten Blickwinkel. Ein leicht biederes Fernsehspiel mit Drang zur sterilen Stagnation. Zu erhaben, zu erlaucht, vielleicht auch zu selbstgefällig für die oberflächliche Aktion, die sich in einer späten Autojagd und kurzen Schusswechsel im Treppenhaus und Freien schon wieder erschöpft. Mit der überhand nehmenden Tendenz zum bürokratischen Formalismus, fern von Einsichten, Gemütsbewegung und Erregung.

Größere Facetten hat diesem schon in Stein gehauenen Material eigentlich nur Johnnie Tos Election - Zweiteiler abgewonnen, während der zahlenmäßig weit überlegene Rest sich genauso eng an die einstmals vorgebenden Gesetzmäßigkeiten hält. Das Verbindende in fast allen Entwürfen erleichtert für den Kundigen den Einstieg und bringt ihn um so manche inhaltliche Verlegenheit herum, bereichert ihn allerdings auch nur marginal. So wie der Film gedacht ist, als vorübergehende Wiederbelebung alter Recken, als kurzzeitige Besinnung auf einen Klassiker, so ist er auch formuliert und inszeniert. Mit stets wiederkehrenden Formen, zahlreichen Auftrittsankündigungen, die die Anhaltspunkte und Triebfedern eher vervielfachend hektographieren statt sie zu reinterpretieren oder gar zu brechen. Eine Arbeit der Restauratoren, die das über die Jahre verdunkelte Gemälde mit abermaligem Anstrich Aufputzen; unter Aufsicht von Museumsdirektor Lau, der als Finanzier neben der Beigabe von Wissen und Bekanntheitsgrad auch dafür sorgt, sich bei der Abwägung der Renovierungskosten gegen Neukosten für das Richtige zu entscheiden. Verdienen statt Ausgeben. Untergänge statt Aufbrüche. Ein leises Scheitern ohne Revolte.

Beschäftigt mit Richtlinien, Regelungen und der versuchten Glorifizierung sowie wiederholten Neuerfindung und auch dem Widerstreit zwischen Vergangenem und Jetztgefragtem, aber ohne Zukunft wirkt das Projekt ein wenig zu geräumig, zu überzentralisiert, zu leer und zu träge, um richtig Fahrt aufzunehmen. Zwar kommen vor allem gerade in einigen Massenszenen die momentan entscheidenden Emotionen auch zum Tragen und ist das Geschehen selbst im Stillen mit mehr Temperament als vielleicht ein Wo Hu - Operation Undercover gefüllt, so stellt sich die Regieführung dennoch mehr als ein routinierter und auch distanzierter Versuchsablauf längerer Plansequenzen als eine mutwillige Inspiration dar. Das starre System von monokausalen Abhängigkeiten, das meist passive Spielball-Verhalten, der spröde Kampf gegen die Mythen und die wie erschöpftes Desinteresse wirkende Mimik und Gestik der Darsteller bremsen die bestechende Professionalität immer wieder in Richtung geläufiger Gewohnheitsarbeit mit Durchschnittspraxis aus. Der Film ist nicht klein, aber auch beileibe nicht verschwenderisch und fern von opulenten Extremsituationen oder enthemmten Bildphantasien gehalten; das Meiste der glockenrein gepflegten Optik schlägt sich in der Ausstattung nieder. Ein regelmäßig zwischen brauner Holztäfelung, ergänzt mit Schattierungen, Gravuren, Einfärbungen und schneeweiß-glasklarer Technikfassade abwechselnden Architektur, die die verschiedenen Ebenen der dramatischen Bühnenplattform voneinander abtrennt. Eine zweidimensionale Illusion in konventioneller Filmsprache. Hell und dunkel. Gut und böse. Selbsterkenntnisprozesse und leidige Erfahrungen. Weissagung und Erfüllung.
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