Mittwoch, 2. Januar 2008

Review: Seeding of a Ghost [ 29/12/1983 ]

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Nach der Pflicht die Kür.
Die folgerichtige Weiterführung von Richard Yeung Kuens Hell has no Boundary, der ein Jahr zuvor zwar nicht den Inhalt, aber die Thematik und auf jeden Fall die Machart samt konzeptueller Grundlinien und Aufmerksamkeitsraster bereits mit sicherer Hand vorexerzierte. Ohne auch nur annähernd den beinahe schon legendären sagenumwobenen Ruf von Seeding of a Ghost zu erreichen. Ein unvoreingenommenes Herangehen an das Produkt ist aufgrund der Schauermärchen um den lange Zeit nur unter der Hand zu habenden Film und der entsprechend traditionsreichen, aber eben weltabgeschiedenen Aufbahrung in den idealisiert verherrlichenden Erinnerungen nahezu unmöglich. Bis in die hintersten Ecken der Hörensagens nehmen die zu enormen Auswüchsen verklärten subjektiven Bühnenerlebnisse vor allem bezüglich der prädigitalen Gewalteskalationen "Zerstückelung, Ausweidung, Verwesung" mehr die Form einer andenkenden Empore als eine bloße retrospektive Sicht ein.

Das Heraufbeschwören im schönen Schein und das Ausrufen der absoluten Maxime im Splatterpunk nimmt der ansonsten durchaus würdigen Erzählung um die Zersetzung einer bestehenden Ordnung im üblich bunten Videogramm leider ein wenig die Überzeugungskraft. Nach alldem Tamtam ist ein konsequentes Die Dinge zurecht rücken mit eigenen Augen allerdings nicht nötig; besonders im Inneren des damals aktuellen Horrorgenres nimmt das Werk dennoch herausragende Stellung und fast schon einen Platz auf der alles überschaubaren Galerie ein.
Auch wenn Regisseur Yeung auf stark tradierte Genremuster zurückgreift, die ebenfalls gewohnte Sakralarchitektur derlei gefragter Arbeiten wie seine Artkollegen Kuei Chi-hung und Ho Meng-hua nutzt und ein gleicherweise böses Märchen von den modernen Ansprüchen einander widerstrebender Prinzipien formt.

Vor allem gelingt ihm Einschnitt und Einsturz der orakelhaft spiritistischen Welt in das Alltagsleben der Figuren überzeugender als bei den anderen Vertretern. Die Zeichnung vom Hier und Heute nimmt trotz konsequenter Reduktion nicht nur wesentlich mehr Raum als sonstig ein, sondern vollzieht sich tatsächlich an nachempfindbaren Gefühlen und Situationen von Befangenheit und Unfreiheit, die abseits vom sonstigen Camp und Ironie lauern. Die Mitte der Gesellschaft als profanes Miteinander puritanischer Ideologie, mit wahrhaftigen, aber dann auch entsprechend banalen Kontakten zur Umwelt. Einer schlichtweg einfach gehaltenen Soziologie entsprechend konstituierter Erwartungshaltungen, in der die Wechselwirkungen zwischen den Menschen nicht aus irgendwelchen Phänomen, sondern rein aus dem gemeinem Handeln, der Orientierung des eigenen Verhaltens entstehen:

Als der Taxifahrer Chow [ Philip Ko ] des Nachts aus Versehen beinahe einen verfolgten Grabräuber überfährt, ihn dann aber vor der jagenden Meute rettet, warnt dieser ihn vor kommenden Unheil vor. Der frisch Verheiratete gibt nicht viel auf das vermeintliche Geschwätz, muss sich allerdings bald dem Schrecken stellen. Seine Frau Irene [ Marsha Yuen ], die währenddessen eine leidenschaftliche Affäre mit Anthony Fong Ming [ Norman Chu ] begonnen hat, wird kurz darauf von zwei jugendlichen Rabauken vergewaltigt und getötet. Chow, der sowohl von den Angreifern als auch dem Nebenbuhler Rache will, nutzt die Zufallsbekanntschaft des Fakires und die Leiche seiner Frau für ein höllisch knüppelhartes Teufelswerk.

Was klingt wie ein eskatisch verfilmter Derwischorden in geistiger Versenkung ist über die komplette erste Hälfte der angenehm kurzen Laufzeit ohne weitere Ablenkung ein relativ bodenständig, ja gar geerdetes Miteinander mit Wiedererkennungswert in voller Nacherlebbarkeit. Fang sucht die Abwechslung von seiner Frau Ak Kit [ Tin Mat ], während Irene einfach aus ihrem Trott des gewöhnlichen Durchschnitts ausbrechen möchte, da die Ehe trotz der Kürze bereits nach dem routinemäßigen Fahrplan des eingewurzelt regelmäßigen Trotts abläuft.
Aufgrund der Einstiegsszene und der warnenden Drohung des Magiers mit bereits eingeleiteter fragiler Dimension steigert sich die Unruhe, ohne dass irgendwelche Beweise für eine tatsächliche Gefahr vorgebracht werden und das Geschehen sinnlicher Befreiung sogar eine komplett andere Sprache spricht. Dass man sich als Zuschauer sowohl an dem schnell beginnenden horizontalen Bratkartoffelverhältnis mit dem einseitigen Drang zur Romanze und Mehr als auch der rasch schwülstiger werdenden Bildsprache, dem verschnörkelten Klaviergeklimper und besonders den allzeit neckischen Wasserspielen erfreuen darf, formuliert vielmehr eine theatralisch kitschige, sprichwörtlich spannungslose Behaglichkeit mit softcore Attitüde. Ein Bild des idyllisch geschwollenen Friedens, dass in seltsamer Melancholie fast zu schön ist um wahr zu sein. Eine vertraut geläufige Vorstellungswelt mit normativen Beschränkungen – Die Zehn Gebote in ihrer Kurzfassung – , die dem düsteren Jenseits des Verdrängten weichen muss.

Da man nicht ewig in weicher Zeitlupe am Badestrang entlang springen oder die Bettlaken durchwühlen kann und auch den Widerstreit zwischen Form und Substanz nicht heraufbeschwören möchte, greift der Ernst des Lebens in Form der eigenen Gefühle und der des Anderen umso heftiger ein. Schon aufgrund dessen, dass der Horror sich immer den Maßstab zur Gewichtung nimmt, wie eng man sich an die streng reglementierten Regeln hält oder eben nicht hält. Wenn man auf [full frontal nudity] Abwege gerät, begibt man sich in Gefahr. Die Antinomie der Wünsche, die Disparität der Erziehung und das Brechen der zutiefst bürgerlichen Moralkonstruktion verlangen die Strafe für die verboten lüsternen Blicke, die Provokation der außerehelichen Berührungen und das wilde Ausleben der Sexualität; als die Differenz zwischen Sehnsuchtsvorstellungen und Realität offenbar wird, wird aus Liebe Hass, aus Begierde Gewalt und aus Leben Tod. Der erotische Impuls als die Metapher für die verschlossene Tür, die man mangels innerer Verbundenheit, religiöser Festigung und eigener Frömmigkeit nicht öffnen sollte. Und wenn doch, aus schmachtendem Verlangen alsbald Perversion in Form von Missbrauch, Inzucht, Nekrophilie und der Genusssüchtige sowie der Rechtsbrecher in zielstrebiger Ausstreuung des Übels vernichtet wird.

Ein denkbar einfaches Erzählprinzip, fern kinematographischer Improvisation. Vom Wahrhaftigen mit Sinn für emotionale Nuancen, Stilbrüche und Intertextualitäten in die geradlinig unverblümte Imagination. Von der Ordnung ins Nichts. Eine Sphäre der Einbildungen, indem sich alte Religion, Schwarze Messen und unerklärbare Relikte in strenger Befolgung ihrer Bräuche unter schwersten Bedingungen vereinen. Fassbare Erlebnisse treten in den Hintergrund, langes Hinauszögern, hier und da kleine, oft nur angedeutete Kostproben, in der die Sprödheit des Anti-Buddhismus zum Ausdruck kommt. Ein unheilschwanger drohend Grollen, um zunehmend in die visuelle Explikation nahezu orgiastischer Deutlichkeit zu verfallen. Auf die letzten Meter gar ein Umkippen ins Monströse mit ausufernder Eskalationsästhetik. Mutierte Angriffe auf Geist, Seele, Leib und Organismus. Aderlass und deftige Bluttransfusion in various deaths / creative killing Entkoppelung: Einer der Täter darf Würmer speien, der Andere etwas Unangenehm nach Gehirn aussehendes Fleischiges essen. Seine Wirbelsäule wird durch transzendentale Kräfte bei vollen Bewusstsein aus dem Rücken hinaus gebrochen. Bäuche explodieren oder werden durchbohrt, Arme abgetrennt und Gesichter zur Hälfte abgerissen...
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