Mittwoch, 19. Dezember 2007

Review: Gangland Odyssee [ 13/09/1990 ]

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Dass das Regiedebüt von Michael Chan Wai-man ausgerechnet in Triadenkreisen spielt, verwundert nun überhaupt nicht; hat er in dem Genre doch von den The Club [ 1981 ] Anfängen bis zu den Auflösungen bzw. Rekonstruktionen A True Mob Story / Young And Dangerous : The Prequel [ 1998 ] in nahezu allen Vertretern dieser Gattung als Systembetreuung mitgespielt. Chan ist mit zunehmenden Alter zwar häufiger nur einer der prominenten Nebendarsteller gewesen, teilt sich die Allgegenwartsrolle aber mit dem weiteren Aushängeschild Shing Fui On und gehört quasi zum Inventar im Führungsgremium. Eine Art Ein-Mann-Bereitschaftspolizei. Dass er sich lange genug mit der standardisierten Problematik befasst hat, besser als Jeder Andere in das Normmaß-Geschehen eintauchen kann und über die richtigen Beziehungen im Geschäft verfügt, verhilft Gangland Odyssey von vorneweg immerhin zu einer überaus soliden Grundlage mit instrumentalem Charakter, weitgehend vorgegebener Aufgabenstellung, der Rechtmäßigkeit von Stereotypen und solcherart einem hohen Gesamtanteil nicht beeinflussbarer Konstanten.

Chan hat bei aller Kenntnis der schon erkennungsdienstlich behandelten Materie dann auch weniger das Problem, sich von den traditionellen Reizen wieder zu lösen, sondern mit seiner Vorgehensweise zusätzlich den Kitzel unverbrauchten Appeals zu schaffen. Und wie viele Neulinge mit einer einmaligen Chance auch die Schwierigkeit, Informationen zu ignorieren, die für das Verständnis nicht weiter relevant sind und stattdessen nur abträglich Antrieb und Expression eindämmen.
Sein Film zerfällt sehr schnell in mehrere Stränge von Zusatzeigenschaft, Sonderfall und Ausnahme, die jeder einzeln schon keinen wirklichen Halt in der Gesamthandlung finden, auch addiert nunmehr ein Konglomerat ungenügend anskizzierter Faktoren und ein durch fehlgeleitete Bemühungen ausgebremstes Sammelsurium ergeben. Einzelne Verschleißfelder interpersonaler, miteinander verflochtener Gewalt, deren narrative Synopsis und damit auch die Hauptlinie vom üblichen Postulat der Gerechtigkeit so übel nicht sind. Aber mit einer asymmetrischen Dreiteilung im Fokus, viel unvorteilhaftem Gerede und leider auch übermächtigem Melodrama in liebloser Mechanik belastet werden, um den ganzen Plotstaub erst im letzten Drittel durch nachhaltige Stöße mit der Druckluft zu vertreiben:

Ex Cop Fan Chi Hung [ Alex Man ] reist aus San Francisco nach HK, um dem englischen Geschäftsmann Brown [ Ken Boyle ] bei der Entführung seines Sohnes beizustehen. Zusammen mit dessen Patenkind Che [ Andy Lau ] kann er den Gekidnappten befreien, muss dabei aber zwei der japanischen Geiselnehmer erschießen. Nakacho Nakamura [ Shikamura Yasuyoshi ] sinnt auf Rache und schickt seinen besten Mann Yoshida [ Michael Chan ] in die Metropole, der allerdings nicht nur Fan persönlich kennt, sondern auch der Bruder seiner großen Liebe Shirley [ Kelly Yiu Wai ] und der Onkel ihres Ziehkindes Cindy [ Regina Kent ] ist.

Da alle miteinander verwandt und verschwägert sind, sei es auch nur auf dem Papier, bleibt der liederliche Klüngel wenigstens immer in der Familie; die einzige Synthese im ansonsten eher antithetischen Allerlei. Der Prolog des Prozesses von Rückkehr unter veränderten Umständen und Anpassung an die oder Verneinung der frisierten Situation steigt bereits 1974 ein und macht dann einen back and forth Bogen in die Gegenwart; gar mit verengender politischer Metaphorik, wenn man den schädlichen Einfall von sowohl Engländern als auch erneut den Japanern in die einstige Heimat betrachtet.
Um sich dann auf drei Männer nicht nur unterschiedlicher Herkunft, Charakter und Ziel, sondern auch emotionaler Unvereinbarkeit zu konzentrieren und so eventuell erhellende Personenkontraste abzutasten. Eine breite Palette substantieller Qualifizierungen mit allzeit verfügbaren Handlungsfedern von wüster Revenge und größtmöglicher Vergeltung, bei dem die genaue Beobachtung kausaler Zusammenhänge und innerer Konsequenzen zwar nicht gänzlich auf der Strecke bleiben. Statt der eindeutigen Erklärung unterschiedlicher Positionen verschieden starker Gruppierungen aber die noch vorhandenen Spielräume abseits des meditationsartigen Rezitierens nach strikten Regeln weitergehend nur dafür genutzt werden, ein reihrum Ehemaligentreffen mit kollektivem Gedächtnis abzufeiern: Sowohl Fan als auch Yoshida klappern ihre alten Seilschaften Eleven [ Ng Man Tat ], Yun [ Alan Tang ], Maddie [ Shing Fui On ] und Pin [ Fong Yau ] ab, die mal wohlgesonnen, mal hinterrücks feindsam und mal auch gänzlich unbeteiligt sind. Eine verzögernde, leider nachteilig belanglose class reunion mit offiziellem Willkommensgruß, die das Durchbrechen der Gewaltdynamik in das weit ausholende Finale verschiebt und bis dahin die Auseinandersetzung zwangsläufig auf der sprachlichen Ebene ablaufen lässt. Improvisierte Selbstbehauptung mit dem latenten Hang zur Selbstzerstörung statt Selbstverteidigung.

Fan und Che und Yoshida arbeiten ab und an zwar zusammen und kommunizieren entsprechend dessen auch über den losen Augenkontakt hinaus, sind allerdings sonst Einzelgänger wie es im Buche steht und meistern ihr Leben folglich auch für sich allein; was erneuerte Fugen im eh schon bruchstückenhaft gehaltenen Gesamtbild nach sich zieht. Als Ausweichquartier für die so niemals entstehende Bindung und das Verweigern eines jeden male bondings hat man deswegen die Beziehung zwischen Mann und Frau gewählt; ein höchst spezieller Sachverhalt erzählerischer Offenheit, der einen kompletten Gegensatz zum vorherrschenden, schon fast gesetzmäßig bedingten Androzentrismus des Heroic Bloodshed darstellt. Die Wahrnehmung allen Lebens von einem männlichen Standpunkt aus und somit auch das Versagen, das Leben von Frauen richtig beschreiben oder auch überhaupt würdigend registrieren zu können, durchzieht sich bei allen maßgeblichen Regisseuren der Ära und wird hier trotz mehrfacher Versuche weiterhin in inkompetenter Phantasielosigkeit fortgesetzt.

Ein simples Einbringen von Liebesschwüren, Trauertränen, Schmollmündern, was im ehrwürdigen Männerkino und dazu noch unter einem Haufen lautmalerischer Chauvinismen nur misslingen kann. Den prahlerischen Big Brother kauft man den anwesenden Herren ja blindlings ab, aber doch niemals den Charmeur, den Kavalier, den Herzschmerzleidenden. Wenn der sonstig als schmieriger Paradebösewicht bekannte Alex Man seiner Holden beim ersten Wiedersehen erstmal eifrig unter den Rock geht, drückt das wohl wenig die romantische Ader aus, die seine tragische, ewig auf die Richtige Frau wartende Rolle laut Drehbuch und Szenensetzung doch versprühen soll. Auch der junge Andy Lau, der hier so etwas wie die "Der Verlorene Sohn, den man niemals hatte" Nummer geben soll, dies aber mit einem strapaziösen Pfau verwechselt und anscheinend eh nur für das weibliche Publikum besetzt wurde, verreißt sein Spiel in Richtung Chargentum.
Erst im Notfall wird auf dem viel beschworenen "Auge um Auge, Zahn um Zahn" aus der hebräischen Bibel zurückgegriffen.

Und in dieser Phase der über die Stränge schlagenden Regression hat Regisseur Chan sowie sein Choreograph für das Grobe dann doch manche Trümpfe in der Hand. Nicht nur, dass man sich mit einer verheerend zerstörten Wohnsiedlung, diesigen Bars, 5m² Zimmern und leer gefegten Straßen an der geographischen Verwüstung der B-Actioner orientiert und dessen auf repeat eingestellten Minimalistikscore übernimmt, auch die schlecht aufgelöst anmutende Optik in aschfahler Bleiche wurde adaptiert. Und die redescheue Dimension der Gewalt ist Gegenstand ähnlich spekulativer Darstellung. Ewig lange, bis hin zum freeze frame erstarrte Zeitlupen, um ja keine Sekunde der ungehobelt abgewetzten Aktion zu verpassen. Das Aufgeben der neutralen Erzählerinstanz hin zu beschleunigtem Rhythmus wechselnder Einstellungen. Der hochtourige Motor der Bewegungen der Beschränkung des Spielraums entgegengesetzt, in dessem passend geringwertig ärmlichen Ambiente mit kargem Interieur ein grosskalibriges, grimmig enthemmtes Zerfleischen stattfindet.
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Review: Exodus [ 13/09/2007 ]

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Dass Männer und Frauen soviel gemeinsam haben und sich vor allem auch gegenseitig so gut verstehen wie Katz und Hund ist keine bahnbrechende Erkenntnis.
Männlich und Weiblich als Gegensatz, als Geschlechterdualismus in sozialer Konstruktion, als das Spalten in zwei Geschlechter, zwei Wesensmenschen, zwei Parteien. Man braucht einander, könnte aber gut und gerne auch mal auf den Anderen verzichten, besonders dann, wenn man Denjenigen nicht versteht und sich sowieso über jede Kleinigkeit mit ihm reibt und zerstreitet. In Exodus tötet man die andere Spezies sogar, im ganz großen Maßstab. Weil sie das Übel der Welt sind.

Der Aufhänger ist es, der Edmond Pangs vorletztes Werk - die Anekdotensammlung Trivial Matters ist bereits abgedreht und startet Weihnachten 2007 - auch neugierig für die Klientel macht, die seiner sacht fragilen Arbeit bisher eher aus dem Wege gegangen sind. Pang macht auch Genre, aber mit eigener Handschrift, eine Art Auteur, der erstmalig wohl mit der Originalidee zu Fulltime Killer aufgefallen ist, in seinen fünf darauf folgenden eigenständigen Regietätigkeiten grundsätzlich mehr Anerkennung auch seitens der Kritiker und des eventuell aufgeschlossenen Publikums erlangt hat. Leicht Schwarze Komödien mit dem zunehmenden Drang zum Drama, tiefgründig, auf ihre Art wahrhaft bis hin zum blanken Zynismus, ruhig gedreht, aber nie gänzlich ohne Dynamik. Wenn man sich auf die Bilder, die Geschichten und vor allem die Figuren einlassen kann, was durch über-behutsames Zeichnen der Situation Manchen durchaus schwer fällt, so werden tatsächlich Sichtweisen erweckt, die zwar nicht neu oder gar wegweisend sind, aber verborgen in Einem schlummerten und nur auf die passende Assoziation zum Miterleben warteten. Auch wenn die harte Konfrontation mit sich selbst hier aufgrund ironischer Theatralität und karitativen Phlegma nicht erreicht wird.

Exodus formuliert zumindest die Ausgangsidee gallig präzise, mit einem diskret schwebenden Oberton aus Gewalt und Furcht, entwickelt sich trotz mehrerer Andeutungen aber weder in einen bipolaren Ausnahmezustand noch dem populären Diskurs über gesellschaftlich differenzierende Strukturen oder soziale Praktiken. Und auch nicht in die noch am deutlichsten als Vorlage benutzte chase novel, deren Spielarten des Kesseltreibens sehnlichst verwendet werden. Sondern wirft ein schon nachdrücklich prononciertes, dennoch dezent apartes Licht auf das Zusammenleben grundsätzlich verschiedener Menschen, auf die Intimität, die Emotionalität, das Vertrauen, besonders aber deren Verlust und auch dem Abschwächen der Liebe und dem Einzug der Alltäglichkeit.
Dass dabei anfangs viel prägnante Mysteryspannung entwickelt, in der die Zwischen- und die Zufälle die Geschichte ausmachen und die Ebenmaß-Methodik der tale of detection angewandt wird, ist der formale Trumpf:

Polizist Tsim Kin-yip [ Simon Yam ], Sergeant, Dienstnummer 4332, Taipo Division, Squad A, übernimmt eines Abends die Schicht für einen Kollegen, wobei er auch die Befragung eines eben gefassten Spanners übernehmen soll. Kwan Pin-man [ Nick Cheung ] gibt auch bereitwillig zu, dass er mit einer DV Kamera die Damentoilette belauert hat, aber nicht, weil er explizite Aufnahmen machen, sondern die Frauen über ihren geheimen Plan aushorchen wollte. Kwan ist der festen Überzeugung, dass die Männer getötet werden sollen und die heimliche Umsetzung bereits im Gange ist. Durch Gift z.b., geruchlos, geschmacklos, unsichtbar. Tsim nimmt die Aussage auf, kümmert sich aber nicht weiter darum, betrachtet seine Ehefrau Ann [ Annie Liu ] prompt trotzdem mit anderen Augen. Richtig stutzig wird er erst, als nicht nur Kwans Statement am nächsten Tag urplötzlich verschwunden ist, sondern dieser auch leugnet, etwas Dergleichen behauptet zu haben. Tsim fragt nach, wer ihn als Letztes besucht hat: Madam Fong Chi-tsing [ Maggie Siu ], die zufällig auch die Asservatenkammer mit Beweisführung leitet.

Die Regieführung verzichtet dabei auf jeglichen Knalleffekt, auch wenn man sich sonst als Spezialist für Konfliktmanagement erweist. Abgesehen von einem albtraumhaften Prolog, der in sehr bizarr perversen Ästhetik auch gut und gerne aus Uhrwerk Orange stammen könnte, wird sowohl von der akzentuierten Bestimmung als auch von anderem offensiven Gebaren abgesehen. Vielmehr macht man sich Kwans hysterische These zunutze und damit auch das Paradoxon, dass eine derart eigenwillig ausgefallene Ansicht überall auf Unglauben prallt. Selbst wenn sie denn wahr sein sollte. Tsim stößt bei seiner Nachforschung nicht nur auf die Barrieren des Zweifels bzw. Skeptizismus, sondern auf das Absprechen jeglicher Gültigkeit. Dass derartige Worte eines Einzelnen wider der Vernunft sind und auch in der Ausführung schon eine logische Absperrvorrichtung erfahren, irritiert ihn nicht weiter und tatsächlich findet er mehrere Ungereimtheiten, auch im Privatleben.

Warum Frauen denn nun zu Zweit ins Bad gehen und was sie dort machen, wird hierbei also auch geklärt. Ebenso, warum sie trotz des Tragens von Röcken eben doch die sprichwörtlichen Hosen in der Beziehung anhaben und dass keine Waffe so spitz ist wie die verallgemeinernden, aber umso hämischen Worte einer Frau. Natürlich arbeitet man dabei auch mit alten, nicht immer schlichtweg falschen Vorurteilen wie der scheinbar angeborenen handwerklichen Unfähigkeit, dem Kuscheln lieber mit der Katze als dem Mann, der quengelnden Schwiegermutter, dem der Beruf des Eidams nicht gut genug ist und die das auch unmissverständlich zum Ausdruck bringt.
Wahrheiten trifft man auch bei dem Portrait der Gemeinschaft der Tsims, die mal als große Liebe begonnen und sicherlich auch deren Essenz noch bewahrt, aber den Funken der Leidenschaft in befallener Midlife Crisis verloren hat. Der Kerngedanke mag existieren, aber die Nuancen haben sich aufgelöst; an der zunehmenden Konformität und am Verlust von Individualität.

Der Film bewahrt sich dies, den Impuls der Inspiration, die Einbildungskraft seines Gedankenguts, die Sorgfalt für das Mit- und auch das Gegeneinander; wobei die wenig bissige Inszenierung eher den als typisch weiblich zugeschriebenen kulturellen Stereotypen anspricht. Behutsam, friedlich, auch geschwätzig, ein wenig unentschlossen, aber attraktiv und aufreizend. Eine desillusionierende, beinahe paranoide Fernsicht mit illusionierender Spannungsdramaturgie auf die Intaktheit kontroverser Streitkultur und der deutlich spürbaren Distanz zwischen den Geschlechtern. Pang weiß um die richtigen optischen Anheizer, formuliert seine unaufdringliche Herangehensweise mit dem Blick für die vermeintlichen Nebensächlichkeiten und einem absolut nicht wettbewerbsorientierten Metrum, ein Rhythmus irgendwo zwischen schläfrig und süchtig machend. Hält sich bevorzugt an wenigen, dafür umso erstaunlicher anmutenden, beinahe entlang einer unwirtlichen Utopie entlang pirschenden Wohnstätte und lebensfremdem, in Glas, Licht und Treppen verwinkelten Gebäuden auf, kommuniziert nur mit einem sehr eingeschränkten Personenkreis und lässt die Handlung allein durch Eremit Tsim Kin-yip voranbringen.

Dreiundzwanzig Jahre im Dienst, nicht wirklich etwas erreicht, durch seine mangelnde Anpassungsfähigkeit im Kollektiv und dem bevorzugten Alleinsein abgeschottet von der Umwelt. Exakt durch das institutionelle Relikt Simon Yam verkörpert, ein Dinosaurier, der sich einst sehr wohl gefühlt zu haben scheint, aber nun kurz vor dem Aussterben ist.
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