Donnerstag, 27. September 2007

Review: Tequila Sunrise [ 2000 ]

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Heutzutage ist der kantonesische Filmausstoß so gering, dass man die Gattung der direct-to-video Action schlichtweg vergessen hat; entweder es rentiert sich überhaupt nicht mehr und wird deswegen gar nicht produziert. Oder es verhält sich dermaßen still, dass die Fabrikation und Distribution praktisch unsichtbar und nicht über gängigen Versandhandel zu beziehen ist. Wie so oft hat auch dieses zwei Seiten: Der geneigte Liebhaber notdürftigst lumpig wirkender und möglichst unbekannter Ware fern von Kostenaspekten geht mit aktuellem Nachschub leer aus. Dafür darf er sich allerdings daran erfreuen, dass der gescholtene cast mangels anderweitiger Beschäftigung anscheinend wieder den Weg zurück auf die große Leinwand geschafft hat.

Zumindest im Fall von Mark Cheng und auch Collin Chou ist dies so; beide mussten während der Krisenzeit die Stufen hinab in den Keller des Filmgeschäfts steigen und beide durften die letzten Monate auch wieder das Licht erblicken. Cheng bereitete in Election 2 ein Achtungszeichen, spielte sich souverän durch die Hauptrolle in Gong Tau und setzte in Invisible Target ein Gegengewicht zu den aufstrebenden Jungspunden.
Chou agierte sich in Nebenrollen in amerikanischen Blockbustern oder deren Möchtegernvarianten und wurde als direkter Kombattant in Flash Point eingefügt.
Sieben Jahre zuvor war dies noch ferne, rosig umrankte Zukunft.

Tequila Sunrise, nicht zu verwechseln und auch absolut nichts zu tun mit Robert Townes schwüler KrimiLiebelei, ist eines der Werke, die knapp um die Jahrtausende gesetzt den weitgehend allgemeinen Markt bevölkerten. Für Großproduktionen war wenig Geld über und keine Risikobereitschaft vorhanden, talentierte Jungregisseure noch nicht herangereift und vom Comeback alter Hasen ebenfalls noch nichts zu sichten. Die vermeintliche Elite war nach Hollywood abgewandert bzw. kam gerade irritiert, schikaniert, verstimmt wieder von dem Erlebnis zurück; für die Daheimgebliebenen hieß es Warten, die Zeit vertreiben und die Büros in Sozialwohnungen umwandeln. Der vorliegende Film scheint seine Handlung samt Inszenierung auch exakt auf diesem Nickerchen-Motto aufzubauen und gestaltet sich über das Meiste der eh schon arg knappen Laufzeit auch als ein bisschen sehr ausgebrannt. Behaglich und erstarrt, etappenweise mit vielen eingelegten Pausen, still, stoisch und stockend bewegt man sich voran; mühsam den abgeschlafften Leib vom Start bis ins Ziel in fußläufiger Entfernung schleppend.

Eine Reise durch Thailand – Lohnfertigung in fernen Ländern und Endmontage sowie Vertrieb daheim –, wobei der peppig kolorierte Urlaubsort eine derart lethargische Anziehungskraft haben muss, dass die Strahlen des Phlegmas Jeden und Jedes in Besitz ziehen und etwaige vorhandene Kraft unweigerlich inhalieren.
Nach zwei flinken, nichtsdestotrotz äußerst dämlichen Attentaten zu Beginn ist deswegen auch schnell die Luft aus der zerlesenen Geschichte um drei Killer, die mit der Gegenwart unzufrieden in aller olympischen Ruhe ein neues Leben suchen:

Sunny [ Mark Cheng ] und Coco [ Irene Wan ] fahren mit ihrem Zögling Sam [ Dond ] nach Bangkok, um ihren alten Freund Rocky [ Collin Chou ] zu treffen und sich die Augustsonne auf den Pelz scheinen zu lassen. Während Sunny sich noch mit Drogen betäubt und Sam der Inaktivität überdrüßig mit Rockys Schergen abhängt, schnappt sich Coco den Landwirtschaftsstudenten Joe [ Chris Cheung ]. Der mit ihr die Zukunft im Gewächshaus planen möchte, aber von der tödlichen Vergangenheit nichts weiß.

Spannend ist das in seiner raubdruckerischen Praxis nicht; da hilft keine rapide Verkürzung auf lediglich 75min und auch keine anwesende Schauspielerschar, die vorher und nachher schon viel bessere Tage gesehen hat. Vor allem die Hauptakteure haben sichtlich keine Lust auf die bornierte Aberwitz-Mär vom Ausstieg aus dem Killerdasein, der von den alten Kollegen gehindert wird und verhalten sich analog zur arbeitsscheuen Aufführung ebenso bequem eingewurzelt. Cheng, der immerhin aussieht wie ein altersschwaches Drogenwrack, verlässt sich auch beizeiten auf die hoffentlich nicht im method acting erprobte Erscheinung und schleppt sich meist nur bedächtig auf dem Sofa oder gleich am Erdboden herum. Chou dagegen bereitet sich während dem Dreh sichtlich nur auf seine noch folgenden Matrix-Auftritte vor; sprich: Er trainiert seinen eh schon formidablen Körper noch weiter zur Höchstleistung und konzentriert sich bei den wenigen postulierten Textzwischenträgern allein auf seine Eisen-, Calcium- und Phosphordiät.
Anders lässt sich jedenfalls nicht erklären, warum ihm vor jedem gesprochenen Satz immer ein Teller geschnittener Pitahayas bereitgestellt wird; sowieso hat die nahrhafte Drachenfrucht mehr Präsenz in der Handlungsebene als jede andere vorkommende Figurenzeichnung.

Irgendwelche Fortschritte im Plot werden mit ominösen Hintermännern begründet oder ganz einfach aus den Fingern gesaugt. Da werden während eines Autotelefonats von außen schnell mal ganz unauffällig alle Türen mit Paketband verklebt, um die Flucht vor einer Bombe zu verhindern. Der eigentlich streng geheime Aufenthaltsort einfach dem Nächstbesten Anrufer verraten, weil man denkt, es sei der Klempner dran, der die defekte Toilette reparieren soll. Fangnetze der Beschränktheit. Verwahrlosung der Wahrnehmung. Eine leere Anwesenheit von bleierner Schwere, Desinteresse, Schneckentempo, noch zusätzlich gepeinigt von schaudervollstem Thai Rap, der in seiner jämmerlichen Grausamkeit die Ohren zum Ausbluten bringt. Die gestörte Metrik und Verflachung des Ausdrucks nur mühsam mit manchen Außenaufnahmen der ewig gleichen Bangkok-Silhouette, Ausflügen des Gärtners in die belaubte Biokultur und einigen abrupten Gewaltausbrüchen gefüllt; vor allem Letztere sind nicht ohne und pumpen in ihrer plötzlich überraschenden Drastik kurzzeitig durchaus drakonisches Leben in den sonstigen Dornröschenschlaf. Ein Waffelhörnchen im Auge und Essstäbchen durch die Wange sieht man dann doch nicht alle Tage. Wer lieber richtige Action haben möchte schaut dafür umso mehr in die habsüchtige Röhre, darf sich aber wie als Entschuldigung an so richtig sinnlosen Geschwätz und unvernünftiger Torheit in allen Bereichen erlaben.
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