Donnerstag, 17. Januar 2008

Review: Bullet and Brain [ 15/11/2007 ]

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2007 war kein gutes Jahr für Wong Jing, dessen verspannte Burlesken Niemand mehr sehen und schon gar Keiner darüber lachen konnte. Als löbliche Ausnahme in seinem sonstigen Komödienstadl und deswegen als letztes Residuum der einstmals treuen Fans wurde Späten Ende des Jahres immerhin der Hauch von Willen und Kreativität gezeigt, den man die letzte Zeit so schmerzhaft vermisst hat.
Bullet & Brain, Überbleibsel einer einstmals vielleicht doch so viel besseren Ära. Ehrensalut im anhaltenden Überlebenstrainung. Der Blick über den humoristischen Tellerrand hinaus ist sicherlich keinen brandenden Applaus oder anderweitig ausschweifende Beifallsbekundung wert, dennoch gehört der Film zu den immerhin Ansehnlichsten im trüben Herbst. Rein visuell in aufführungspraktischen Anforderungen allerdings nur, mit überreichlicher Erhabenheit, Erlesenheit, Herrlichkeit, allerdings nicht inhaltlicher Fülle ausgestattet. Ein edel blinkender Angelhaken ohne Köder.

Reiz ist Schönheit in Bewegung. Dieses Motto scheint sich Erstlingsregisseur Venus Keung Kwok-man bei seinem Einstand zur Brust zu nehmen, mit Fug und Recht auch, wenn man seine bisherige Karriere als director of photography bei z.b. Protégé, Seven Swords, One Nite in Mongkok oder Inner Senses betrachtet. Keung hat gelernt, aus Wenig Viel herauszuholen, das etwaig mangelnde Budget mit richtiger Bildgestaltung und der Lichtführung zu übertünchen und durch eigen schöpferische Ausdrucksmittel die optische Auflösung, die Dramaturgie und Inszenierung zu unterstützen. Unter formell künstlerischen und damit technischen Gesichtspunkten ist er seit Langem wohl der Talentierteste Reproduzent unter Wongs persönlich angeheuerten Marionetten, kann sein angelerntes Wissen auch gewinnbringend anwenden statt nur Befehle auszuführen und sorgt im alleinigen Verdienst für die grazile Wohlgestalt seines scheinbar voluminösen Projektes. Ein quod erat demonstrandum des Profilierens, dass seine überraschend hold selige Gestalt in imposanter Pracht dafür ausnutzt, den Film in die letzte Zuflucht organisatorischer und fachlicher Effizienz auch ohne gleichwertig respektables Drehbuch voranzubringen. Quasi ein Gleiten auf der Hymne der Bewunderung, mit mehreren Portionen Farbenkraft. Mit dem naiven Vertrauen auf die Bilder zum Sattsehen, nur ohne Geist, dem Lohn des Wissens und dem Genie der Materie:

Triadenführer Principal [ Ma Shu-Chao ] wird von seiner rechten Hand und auserkorenem Nachfolger Winston [ Andrew Wu ] betrogen und versteckt sich im Asyl. Da seine Enkelin Rain [ Tiffany Tang Yan ] trotz des Schutzes des Polizisten Fred Wong [ Alex Fong Lik-Sun ] vor Angriffen des unehrenhaften Emporkömmlings gefährdet ist, werden die beiden legendären Bullet [ Francis Ng ] und Brain [ Anthony Wong ] aus dem Ruhestand abkommandiert. Nur leider kennen sowohl Winston als auch sein neuer Geschäftspartner Simon Chung [ Eric Tsang ] deren Schwächen.

Interessanterweise sind dies genau die gleichen Blößen, die dann auch abträglich auf den Film selber zurückfallen und wohl eher die seines traumatisierten Autors Wong Jing sind.
Die Routine alltäglicher Verrichtungen. Das Faible für Althergebrachtes, dass sich im Abhaken phrasenhaft abgedroschener Nachahmungsprinzipien ergeht; die tragische Unzulänglichkeit, über die Synopsis hinaus zu interessieren oder etwas Unvorhergesehenes abseits von entbehrlichen Verschachtelungen zu implizieren. Die beizeitige Spannungsarmut aufgrund der Widerstandslosigkeit gegenüber Klischees und dem ewigen Wartespiel von weithin überschaubaren Konflikten schlägt sich in der rasch selbstvergessenen Verzögerungsdramaturgie nieder, die sich bezeichnend für das momentane Hongkong Kino in einem Aufsuchen der Stationen der Vergangenheit niederschlägt. Dabei spielt man eigentlich in einer säkualisierten Moderne, der Film ist in neun Jahren ab Jetzt gesetzt, also ein Once Upon a Time in Triad Society 2016. Trotzdem man in einer Welt der nahen Zukunft angesiedelt ist, so auch eine spürbare Aura des Kommenden um sich herum trägt und dies auch mit einigen entsprechenden Effektszenen dekoriert, ist man kein Projekt der Vorschau, sondern wieder eines der erinnernden Reminiszenz.

Ein eigentlich schöner Umblick, auch mit innovativem Charakter tief drinnen, aber ohne Fernsicht. Gefangen im Machtvakuum der derzeitigen Regeneration, die sich statt in rein erfrischender Wiederbelebung oder strikten Ausnutzung des verwirrendem Chaos in kinematographische Gewalt oftmals nur in eine instandsetzende Reparatur formuliert.
Bullet & Brain, ein Herz und eine Seele und trotzdem ein Widerspruch in sich, leiden stellvertretend für das Filmgeschäft an begangenen Fehlern, die zwar weit zurückliegen, aber sie immer noch plagen und so fürderhin auf die falsche Spur lenken. Die Absurdität des Willens verwandelt die äußerlich posierenden Machismo-Ikonen [ Wong und Ng vollziehen ihren vollkommenen, schon ins Blut übergangenen Exiled-Stil, dessen kleiner Bruder in Schräglage der Film dann auch zuweilen ist ] in empfindsame Neurotiker, die sehendes Blickes stur in ihr Verderben rennen. Der eine aus Schuld gegenüber einer Frau [ Liu Yuan Yuan ] und der Andere aus Liebe zu einer [ Liu Yang ]. Klassisch-romantische Motive sind das ja, aber hier dann doch zu kalt gefühllos arrangiert um über das bloße Vorhandensein zum Leben erweckt zu werden, ein wiederholter Rückschritt ins unnötige Nirgendwo anstelle eines Neuanfangs. Übermüdung aufgrund des Festhaltens an verblassten Regularien, ein häufiges Nichtstun, mit fehlenden Besinnungswandel und ausbleibendem Lerneffekt, dafür aber mit angewandtem Bewusstsein für Szenenstruktur, Timing und zumindest dem oberflächlichen Rhythmus.

Action ist mitsamt dem feschen Einsatz realer statt bloß getrickster Explosionen, elegant-kurzer Shootouts und leicht trockenem Martial Arts de facto gut gesetzt, aber trotzdem relativ enntäuschend rar, da es sich nie zu geräumigen Materialschlachten ausweiten möchte oder kann. Wenn allerdings Granatwerfer selbst für Kleinstziele wie Briefkästen eingesetzt oder die Schergen gleich bergeweise vom Hochhausdach geworfen werden verhilft dies der sonst ökonomisch-kleinhändlerischen Produktion zu einem willkommen rüstigen Sinn für trashige Auswüchse und entsprechende no nonsense - Unermeßlichkeit.

Ein eigentümlich Koketterierendes Requiem, dass sich nicht nur symbolisch auf drohendem Halbmast zurückverwandelt, aber dennoch seinen eigenen sympathischen Charme als rührigen Rettungsanker besitzt. Hervorstechend das sinnenhafte Prisma aus ständig verändernden Mustern punktueller oder weitflächiger Beleuchtung, Schimmer und Schatten, extremer Schnelligkeit und gedehnter Saumseligkeit, hautnah miterlebt in direkten Großaufnahmen oder distanziert unter Verwendung rund blickender Totalen. Eine ausgefeilt geschliffene Totengedenkmesse, die sich das hoffentlich nächste Mal trotzdem unbedingt mehr auf mentale Beweglichkeit fixieren sollte als nur darauf zu konzentrieren, welcher Bildausschnitt aus welchem Winkel und ob aus Front-, Seiten- oder doch Gegenlicht gefilmt wird.
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