Montag, 8. Oktober 2007

Review: To Kiss is Fatal [ 1998 ]

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Eine angenehme Überraschung, heimlich, still und leise, aber dafür mit Schleifchen aus dem Hause Dream Movie Entertainment / Tonrock International Investment Ltd präsentiert. Ein weitgehend unbekannter Vertreter ihrer durchweg anonymen, aber dafür zumeist erstaunlich gelungenen Produktionen, die im Subgenre der DTV Action oft kleine Glanzstücke darstellen. Da der symbolische Pfennig die nackte Wirklichkeit ist fließt auch bei Ihnen nicht Budget und Talent im Überfluss, aber das Haushalten und Wirtschaften mit den wenigen Penunzen gelingt häufiger und sicherer als üblich, und zudem zuweilen gar auf blendende Art und Weise. Sichtlich mit knappen Mitteln ausgestattet, verfügt man über den scheinbar unbedingten Willen, doch noch das Beste aus der allgemeinen Misere herauszuholen; es hilft natürlich auch, wenn man im Stabilitätspakt neben dienstbeflissener Energie und schöpferischer Kreativität bezüglich des geeigneten Skripts auch einen Regisseur vorrätig hat, der geradezu eine Ikone im Bereich des preiswerten Actioners darstellt: Wong Jan-yeung.

Für die Meisten ein großes Fragezeichen, aber besonders für die Anhänger derlei Arbeiten und deren einstweiligen Aushängeschilder Moon Lee bzw. Yukari Oshima durchaus einen anerkennenden Gruß wert, musste Wong wie Viele seiner Kollegen beim Niedergang des Filmgeschäfts auch mindestens eine Stufe hinabsteigen. Dass man auch hier in Wort, Bild und Ton eher an ein aufwendiges Heimvideo erinnert statt an einem Kinofilm ließ sich deswegen schwer vermeiden; aber im Gegensatz zu den anderen Nichtfachmännern und Scharlatanen kann Wong geradezu als prophetischer Heiliger auf seinem Gebiet zwischen Mangel und Mythos bezeichnet werden. Er bringt auch bei den Dialogszenen als besonders problematische Stellen durch flüssige Kamerawechsel, stramme Schnitte und interessante Bildeinstellungen Effektivität in das Geschehen, verhält sich auffällig betriebsamer und füllt den Raum statt mit den Klischees vom abgefilmten Theater und entsprechend trockenen Lückenfüllern tatsächlich mit einer Geistesblitz-Geschichte. Umrandet von einer fatalistisch-tragischen Liebe, die manch Zeit und Gelegenheit für asynchrone best of cantopop Karaokedarbietungen findet:

Kampfsportcrack Chen Xiong [ TVB semi-Star Frankie Lam ] kann es sich leisten, sein gesamtes Leben in der Turnhalle zu verbringen, wurde ihm doch von seinem mittlerweile verstorbenen Vater eine ganze Insel plus Villa vermacht. Als er seine Freundin Jin Li [ Jacqueline Law ] sowie seine Trainingskollegen zum Geburtstag in das Anwesen einlädt, passiert noch wesentlich mehr, als dass er nur die insgeheim in ihn verliebte Club-Partnerin Yi Hua [ Yukari Oshima ] vor dem Kopf stößt. Kaum auf der abgeschotteten Einöde angekommen, findet Chen Xiong mehrere Tote unter dem Dienstpersonal vor, auch sein Butler Fu [ Chan Lau ] wird bei einem Ausritt auf dem hauseigenen Motorrad durch ein quer über die Straße gespanntes Seil schwer verletzt. Die eilig herbeigerufene Inselpolizei kann allerdings keine Leichen finden. Und die Party fängt erst an...

Dabei ist die erste Hälfte der aktiven Liquiditätsauflockerung eindeutig die Geschicktere. Verbindet sie doch mehrere abweichende Elemente und standeswidrige Bräuche zu einem erfreulich stimmigen Ganzen, dass in Aufbau, Optik und Behandlung zuweilen gar an einen asiatischen Giallo erinnert und sich beileibe nicht hinter den artverwandten Death Curse oder Dating Death verstecken muss. Inhaltlich ein fortschreitendes Systematisieren, in der mehrere Spuren wie mit Brotkrumen ausgelegt verfolgt werden, die Praxis der Theorie vorauseilt und man sich rasch im Ungewissen verliert. Mysteriöses wie beim Wallace, incl. dem unheimlichen Schwarzen Kapuzenmann, der immer einige Schritte schneller ist und sein tödliches Katz-und-Mausspiel mit überlegener Allwissenheit zu treiben scheint. Und nebst dem subjektiven Blick, der den Zuschauer unweigerlich in die Täterposition zwingt.

Großartiges Setting - wie Schlosspark Pillnitz mit Pool - ,dass von außen schon den Eindruck der Sommerresidenz des sächsischen Hofes macht und sich alsbald reichlich Aufenthalt in einem geräumigen Salon verschafft, der wie viele Zimmer in diesem großherzoglichen Palais mit allen Schikanen der Innenarchitektur möbliert ist. Fein geschnitzte Rattanstühle, weitflächige Ölgemälder, Skulpturen, Gobelins und andere Ausstattungsgegenstände. Eine stabile Bar aus Eichenholz als angrenzender Zuschauermagnet, desweiteren klarweisse Marmorsäulen und edel gefüllte, mannshohe Pflanzenkübel quer durch die gesittete Arena verteilt, die in allen vier Enden mit jeweils einem ausgedehnten Treppenpodest versehen ist. Die für das sonstige Sujet komplett ungewohnte Mörderhatz verlagert sich einige Hilfeschreie, Grübeleien und Drohanrufe später in den Landschaftsgarten, wo man plötzlich kantige Martial Arts Eingebungen in den modernen Fulci speist und in die rapide Tritt- bzw. gar Schlag- und Nahdistanz wechselt.

Dergleichen waffenloser Zweikampf und Clinch-Situationen folgen dann noch häufiger, Plotteil #2 ist mit der handelsbeständigen Rachethematik formuliert, diesmal auch mitten in der Stadt angesiedelt und mit temporalen Ellipsen kreiert. Eine wesensfremde Abkehr von dem bisherigen Geschehen, nicht nur durch mehrere unvereinbare Rückblenden. Das nunmehr landläufige Einer gegen Alle wird durch einen knappen Hintergrund mit einem Juwelenraub, einer verbrecherischen Familiengeschichte und dem zurückliegenden Zwist zweier Gangster gefüllt. Mehrere logische Willkürlichkeiten, gar Idiotien sowie die gängige Bescheidenheit verwendeter Utensilien - die Juwelen sehen nicht nur auf den ersten Blick aus wie Glasperlen aus dem Kaugummiautomaten. Alle Figuren tragen unförmige Jeans sowie Polohemden aus dem Textildiscount - kann man leicht verschmerzen, wenn selbst die backflashs auf visuell temporeiche Anregungen konzentriert sind. Ein misslungener Geschäftsdeal sowie eine violente Polizeirazzia werden für Shootout, Minibömbchen und emsigen Sprüngen in die rettende Deckung benutzt, ein alter Kinosaal und dessen Hausdach für competitive catfights und Stürzen aus der Erhöhung. Auch wenn es technisch sicherlich auf eher mittlerem Niveau bleibt: Löblich die Cameos der Alteingesessenen Tony Liu Jun-guk und Robert Mak, der moderate Härtegrad, die Verwendung kompakter und gut organisierter Montagen, der Verzicht auf zu konventionelle Materialanordnung und damit die Herstellung einer intensiven rhythmischen Beziehung.
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