Donnerstag, 17. Januar 2008

Review: Bullet and Brain [ 15/11/2007 ]

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2007 war kein gutes Jahr für Wong Jing, dessen verspannte Burlesken Niemand mehr sehen und schon gar Keiner darüber lachen konnte. Als löbliche Ausnahme in seinem sonstigen Komödienstadl und deswegen als letztes Residuum der einstmals treuen Fans wurde Späten Ende des Jahres immerhin der Hauch von Willen und Kreativität gezeigt, den man die letzte Zeit so schmerzhaft vermisst hat.
Bullet & Brain, Überbleibsel einer einstmals vielleicht doch so viel besseren Ära. Ehrensalut im anhaltenden Überlebenstrainung. Der Blick über den humoristischen Tellerrand hinaus ist sicherlich keinen brandenden Applaus oder anderweitig ausschweifende Beifallsbekundung wert, dennoch gehört der Film zu den immerhin Ansehnlichsten im trüben Herbst. Rein visuell in aufführungspraktischen Anforderungen allerdings nur, mit überreichlicher Erhabenheit, Erlesenheit, Herrlichkeit, allerdings nicht inhaltlicher Fülle ausgestattet. Ein edel blinkender Angelhaken ohne Köder.

Reiz ist Schönheit in Bewegung. Dieses Motto scheint sich Erstlingsregisseur Venus Keung Kwok-man bei seinem Einstand zur Brust zu nehmen, mit Fug und Recht auch, wenn man seine bisherige Karriere als director of photography bei z.b. Protégé, Seven Swords, One Nite in Mongkok oder Inner Senses betrachtet. Keung hat gelernt, aus Wenig Viel herauszuholen, das etwaig mangelnde Budget mit richtiger Bildgestaltung und der Lichtführung zu übertünchen und durch eigen schöpferische Ausdrucksmittel die optische Auflösung, die Dramaturgie und Inszenierung zu unterstützen. Unter formell künstlerischen und damit technischen Gesichtspunkten ist er seit Langem wohl der Talentierteste Reproduzent unter Wongs persönlich angeheuerten Marionetten, kann sein angelerntes Wissen auch gewinnbringend anwenden statt nur Befehle auszuführen und sorgt im alleinigen Verdienst für die grazile Wohlgestalt seines scheinbar voluminösen Projektes. Ein quod erat demonstrandum des Profilierens, dass seine überraschend hold selige Gestalt in imposanter Pracht dafür ausnutzt, den Film in die letzte Zuflucht organisatorischer und fachlicher Effizienz auch ohne gleichwertig respektables Drehbuch voranzubringen. Quasi ein Gleiten auf der Hymne der Bewunderung, mit mehreren Portionen Farbenkraft. Mit dem naiven Vertrauen auf die Bilder zum Sattsehen, nur ohne Geist, dem Lohn des Wissens und dem Genie der Materie:

Triadenführer Principal [ Ma Shu-Chao ] wird von seiner rechten Hand und auserkorenem Nachfolger Winston [ Andrew Wu ] betrogen und versteckt sich im Asyl. Da seine Enkelin Rain [ Tiffany Tang Yan ] trotz des Schutzes des Polizisten Fred Wong [ Alex Fong Lik-Sun ] vor Angriffen des unehrenhaften Emporkömmlings gefährdet ist, werden die beiden legendären Bullet [ Francis Ng ] und Brain [ Anthony Wong ] aus dem Ruhestand abkommandiert. Nur leider kennen sowohl Winston als auch sein neuer Geschäftspartner Simon Chung [ Eric Tsang ] deren Schwächen.

Interessanterweise sind dies genau die gleichen Blößen, die dann auch abträglich auf den Film selber zurückfallen und wohl eher die seines traumatisierten Autors Wong Jing sind.
Die Routine alltäglicher Verrichtungen. Das Faible für Althergebrachtes, dass sich im Abhaken phrasenhaft abgedroschener Nachahmungsprinzipien ergeht; die tragische Unzulänglichkeit, über die Synopsis hinaus zu interessieren oder etwas Unvorhergesehenes abseits von entbehrlichen Verschachtelungen zu implizieren. Die beizeitige Spannungsarmut aufgrund der Widerstandslosigkeit gegenüber Klischees und dem ewigen Wartespiel von weithin überschaubaren Konflikten schlägt sich in der rasch selbstvergessenen Verzögerungsdramaturgie nieder, die sich bezeichnend für das momentane Hongkong Kino in einem Aufsuchen der Stationen der Vergangenheit niederschlägt. Dabei spielt man eigentlich in einer säkualisierten Moderne, der Film ist in neun Jahren ab Jetzt gesetzt, also ein Once Upon a Time in Triad Society 2016. Trotzdem man in einer Welt der nahen Zukunft angesiedelt ist, so auch eine spürbare Aura des Kommenden um sich herum trägt und dies auch mit einigen entsprechenden Effektszenen dekoriert, ist man kein Projekt der Vorschau, sondern wieder eines der erinnernden Reminiszenz.

Ein eigentlich schöner Umblick, auch mit innovativem Charakter tief drinnen, aber ohne Fernsicht. Gefangen im Machtvakuum der derzeitigen Regeneration, die sich statt in rein erfrischender Wiederbelebung oder strikten Ausnutzung des verwirrendem Chaos in kinematographische Gewalt oftmals nur in eine instandsetzende Reparatur formuliert.
Bullet & Brain, ein Herz und eine Seele und trotzdem ein Widerspruch in sich, leiden stellvertretend für das Filmgeschäft an begangenen Fehlern, die zwar weit zurückliegen, aber sie immer noch plagen und so fürderhin auf die falsche Spur lenken. Die Absurdität des Willens verwandelt die äußerlich posierenden Machismo-Ikonen [ Wong und Ng vollziehen ihren vollkommenen, schon ins Blut übergangenen Exiled-Stil, dessen kleiner Bruder in Schräglage der Film dann auch zuweilen ist ] in empfindsame Neurotiker, die sehendes Blickes stur in ihr Verderben rennen. Der eine aus Schuld gegenüber einer Frau [ Liu Yuan Yuan ] und der Andere aus Liebe zu einer [ Liu Yang ]. Klassisch-romantische Motive sind das ja, aber hier dann doch zu kalt gefühllos arrangiert um über das bloße Vorhandensein zum Leben erweckt zu werden, ein wiederholter Rückschritt ins unnötige Nirgendwo anstelle eines Neuanfangs. Übermüdung aufgrund des Festhaltens an verblassten Regularien, ein häufiges Nichtstun, mit fehlenden Besinnungswandel und ausbleibendem Lerneffekt, dafür aber mit angewandtem Bewusstsein für Szenenstruktur, Timing und zumindest dem oberflächlichen Rhythmus.

Action ist mitsamt dem feschen Einsatz realer statt bloß getrickster Explosionen, elegant-kurzer Shootouts und leicht trockenem Martial Arts de facto gut gesetzt, aber trotzdem relativ enntäuschend rar, da es sich nie zu geräumigen Materialschlachten ausweiten möchte oder kann. Wenn allerdings Granatwerfer selbst für Kleinstziele wie Briefkästen eingesetzt oder die Schergen gleich bergeweise vom Hochhausdach geworfen werden verhilft dies der sonst ökonomisch-kleinhändlerischen Produktion zu einem willkommen rüstigen Sinn für trashige Auswüchse und entsprechende no nonsense - Unermeßlichkeit.

Ein eigentümlich Koketterierendes Requiem, dass sich nicht nur symbolisch auf drohendem Halbmast zurückverwandelt, aber dennoch seinen eigenen sympathischen Charme als rührigen Rettungsanker besitzt. Hervorstechend das sinnenhafte Prisma aus ständig verändernden Mustern punktueller oder weitflächiger Beleuchtung, Schimmer und Schatten, extremer Schnelligkeit und gedehnter Saumseligkeit, hautnah miterlebt in direkten Großaufnahmen oder distanziert unter Verwendung rund blickender Totalen. Eine ausgefeilt geschliffene Totengedenkmesse, die sich das hoffentlich nächste Mal trotzdem unbedingt mehr auf mentale Beweglichkeit fixieren sollte als nur darauf zu konzentrieren, welcher Bildausschnitt aus welchem Winkel und ob aus Front-, Seiten- oder doch Gegenlicht gefilmt wird.
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Dienstag, 15. Januar 2008

Review: Beauty and the 7 Beasts [ 26/09/2007 ]

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Womit ein Wong Jing mittlerweile sein Geld verdient und wie lange er sich mit seinem Konzept noch finanziell über Wasser halten kann, bleibt bis zur drohenden Insolvenz sein eigenes kleines Geheimnis. Die Strategie, sich wie die Jahre zuvor mit dem Kopf voller fremder Ideen an Altbewährten zu vergehen und die üblichen Elemente einfach noch einmal neu zu verrühren geht jedenfalls nicht mehr ewig auf. Fast jede frisch angekündigte Wong - Produktion hat bereits von vornherein den abgestandenen Geruch längst welk gewordener Beschwörungsformeln; ein flauer Nachgeschmack x-mal durchgekauter Themen und Motive, der mittlerweile auch nicht einmal mehr über die sonst überraschend flotte Besetzung gerettet werden kann. Ein unappetitliches Lameng, dass so gestrig ist wie der einstige Box Office Magnet selber. Die versiegende Dynamik und nachlassende Mobilität eines Haudegens, der früher auf zehn Filmsets gleichzeitig war und heute als müder Betrachter fast immer entsprechende Handlanger für sich arbeiten läßt. Kein Wunder, dass im inaktuell-fortschrittsfeindlichen Produktionsplan in der zweiten Hälfte des Jahres 2007 auch eine Fabrikation anstand, die das veraltet unzeitgemäße Support-Dilemma mit Verliererstatus ganz dick in allen Lettern ausstrahlt: Beauty and the 7 Beasts.
Gefangen in den 70ern.

Dem Anschein und verbreitetem Glauben nach eine ehrerbietige Wiedererzählung von Richard Yeung Kuens Lucky Seven [ 1970 ], der zu damaliger Zeit als Riesenerfolg prompt wenige Wochen später die obligate, ebenfalls im kristallklaren Schwarzweiss gezeichnete Fortsetzung Lucky Seven Strike Again nach sich zog.
In Wahrheit dient diese Vorlage aller höchstens als assoziatives Bonmot, als möglicherweise adelnder Aha-Effekt. Ein Service des ungetrübten Andenkens, der mitsamt dem Klassikerbonus die eigentlich vorhandene Exspiration und folglich Rückwärtsorientierung von Revierförster Wong verbergen soll. Sowohl dieser als auch Zweitproduzent Eric Tsang haben das anschließende Subgenre mit der Chasing Girls - Formel bereits eifrig in den Achtzigern beackert; How To Pick Up Girls oder Perfect Girls noch als die bezeichnendsten Titel.
Per Zeitmaschine heimwärts in die ruhmreiche Vergangenheit, zusammen mit der rhetorischen "Erkennen Sie die Melodie?" - Frage und einer Handvoll Binsenweisheiten, die handwarm wieder aufbereitet die Traditionslinien publikumsfreundlicher Übersetzung für das Hier und Jetzt weiter spinnen. Eine Dublette der bestehenden Situation, verdoppelt bei einer Begegnung mit sich selbst. Erinnerungsphantasie, zurückgekehrt aus der Zukunft:

Der alternde Filmstar Teddy Tam [ im Roy Orbinson-Look: Eric Tsang ] hat den Höhepunkt seiner Karriere längst hinter sich und lebt jetzt nur noch vom Ruhm vergangener Zeit. Die heimlich in ihn verliebte Haushälterin und Sekretärin Wendy [ Jo Kuk ] kümmert sich mühsam um das Nötigste; Teddy selber hat nur noch Mädels im Kopf, weswegen er sich ständig wechselnd diverse Stewardessen einfliegen lässt. Als das Geld knapp wird beschließt er, Fünf wissbegierigen Männern aus Tai Kok Tsui Nachhilfeunterricht im scheinbaren Prominentenmilieu zu geben. Tony [ Eddie Cheung ], Bruce [ Wong Cho-Nam ], Broke-back [ Gordon Lam ], The Preacher [ Chin Kar-Lok ] und Casanova [ Alex Lam ] zahlen auch fleißig für die Lehrstunden; vor allem, als Teddys uneheliche Tochter Pearl [ Natalie Meng Yao ] die illustre Runde betritt. Probleme tauchen erst auf, als Teddy vom einstigen Berufskollegen Rocky [ Nat Chan ] heimgesucht und erheblich unter Druck gesetzt wird.

Die Standards von gestern in digitaler Retrokultur, mit viel Entstellung, überhöhtem Extrem und second hand Vintage Oldies, die das Spaßmobil der Altherrenkutsche trotz allem Ballast auf die Überholspur bringen und das bereits imaginäre Publikum anlocken sollen. Ein für den Moment durchaus klassisch anmutendes Ambiente, die zwar die Illusion eines Freudenhauses verbreitet, allerdings mehr puritanisch als frivol und kindisch statt erwachsen formuliert ist. Wie auch bei den bisherigen Arbeiten des ausführenden Strippenziehers Chung Shu-Kai [ Nine Girls and a Ghost (2002), Feel 100% 2003 (2003) ], der als Wongs Handpuppe dessen wenige Ideen in provinzieller Langeweile bebildert, findet ein schlichtes, scheinbar wahlloses Ausschöpfen einer Reprise statt. Ein brüchiges, gleichzeitig konstrukthaft und konstruktionsloses Echo glorreicher Tage. Ein poussierendes Recyceln der Vergangenheit, dass seinen Spagat zwischen altersschwach hochbetagt und angesagt jung bloß mit der schillernd artifiziellen Einrichtung, farbkrachend balzenden Modeerscheinungen und dem Bedienen am Repertoire längst aussortierter Stile schaffen möchte. Ein Kokettieren mit der Gleichzeitigkeit von Alt und Neu, einer fälschlich abgeschabten Pseudo-Glaubwürdigkeit, in der Dekoratives und Verspieltes schon die halbe Miete darstellen sollen; und man sich trotzdem nur zwei Schauplätze leisten kann, die sich entsprechend schnell auch in dieser Mikrohistorie satt sehen lassen.

Eine bassinartige Kartonschachtel mit massig Sperrholzplatten stellt sowohl Teddys Heim als auch seinen Arbeitsplatz am Filmset dar; ein Schöntun in der Form, dass keinen direkten Bezug auf eine außermediale Wirklichkeit werfen vermag und mit Perücke, Schlaghose, Plastik, Glimmer und Glitter die üblichen Mängel im Inhalt und Zweifel an der Authentizität nur zeitweise überbrücken kann. Um beizeiten in einer Montage unlustiger, unter der Gürtellinie zielender, bisweilen geschmackloser Momente voll Zudringlichkeiten und Spott anzufallen; wie sie Wong seit eigentlich jeher, auch in derselben additiv kolorierten Mischung aus den Grundtönen Orangerot, Grün und Violettblau gestaltet hat.
In der anhaltenden Krise der Kreativität folgt Wongs gewohnte Überlebensstrategie: Eine Kopie privater Lieblingsnummern, deren Quellen sich trotz eventuell satirisch verzerrtem Bezug auch rasch im Fremdmaterial identifizieren lassen; obwohl man keine reine Parodie darstellt, ist der übernommene Anteil an Verknüpfungen, Verstrickungen und Verknotungen mit dem Themenkomplex von sowohl Stephen Chows King of Comedy als auch Neil Simons The Sunshine Boys zu offensichtlich entlehnt, um nicht aufzufallen.

Sobald es zu dem folgenschweren Zusammentreffen der einstigen Verbündeten im Filmbusiness kommt und es für ein geplantes Comeback zurück an den streitumwitterten Drehort geht, wird aus der gar nicht so nostalgischen Privatfehde eine konkret einbezogene Kintoppillusion mit dem anführenden Leitmotiv vom Sein und Schein. Eine plötzlich überraschend treffende Überschneidung von Dichtung und Wahrheit. Wie auch in derzeitig trauriger Realität werden die Lebenslügen, die Verblendung und Verwirrung der Beteiligten deutlich, eine radikale Demontage des eigenen Selbstbildes: Ein abgetakelter Produzent [ gespielt von Wongs Vater Wong Tin-lam ], der händeringend einen Hit braucht. Zwei bejahrte Schauspieler, deren Glanztaten längst passe sind und die dem Ruhm retour trotzdem krampfhaft weiter nachjagen. Mehrere schon sympathische Nebenfiguren, die gewiss auch etwas dazulernen wollen, denen aber sichtlich schon die Grundvorausetzungen für das Scheinwerferlicht fehlen. Ein Regisseur, der sich vom Endergebnis distanziert und aus Scham ein Pseudonym zulegt.
Die Welt ist eine Bühne, aber das Stück ist schlecht geschrieben und besetzt. Das bewusste Rollen- und Verkleidungsspiel ist im Film und vom Film eine steif formelle Knochenarbeit, spürbar nach Ansage und Probe und trotzdem mit missratenem Timing und ungeschickter Pausensetzung statt lebhafter Improvisation gehalten.

Trotz Potenzierung der Figurenzahl und Beschleunigung des Spieltempos kommt es zu keiner fortschreitenden Intensivierung auf der materiellen Ebene; aus der sensiblen Nachdenklichkeit über das Altern und dem versperrten Zukunftstraum im jeweiligen Original wird hier eine Varietéshow mit possenhaften Hofnarren an der Grenze zur Debilität. Ein zwischen Theaterklamotte und Maskeradenkomödie schwankende, rein mechanisch äußerliche Unterhaltungswelt mit unfreiwilligem Vorführcharakter. Ein durch anspruchslose Funktionalität auszeichnendes Skript, dass in seiner ebenbürtigen Inszenierung ohne die Verwechslungssituationen zu verinnerlichen rein oberflächliche Hindernisse auf türmt, und daraus folgend auch weder die Auflösung der Anspannungen erreichen noch ein Leben in Erinnerung und Sehnsucht, dem entgegen vielmehr nur einen Kehraus-Trauermarsch formulieren kann.
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Freitag, 11. Januar 2008

Review: Who's Next [ 26/10/2007 ]

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Who's Next geht unabhängig von Brothers genau den umgekehrten Weg. Eine verhältnismäßig gesehen ewig lange Vorlaufzeit, die die ersten festen Ankündigungen bereits ein halbes Jahr vor dem Kinostart verbuchte. Ohne sich überhaupt in die Köpfe der etwaig angepeilten Käuferschar zu brennen und nicht einmal wirklich die Voraussetzungen zu erfüllen, die eine Ausstrahlung vor zahlenden Publikum auf großer Leinwand gerechtfertigen würde. Auch hier zwar mit einer Handvoll vielleicht dem Eingeweihten bekannterer Namen versehen, die aber anders als die rüstigen Vorruheständler samt erlangtem Edelrentnerbonus keinen wirklichen Ruf im Geschäft und schon gar keine Anziehungskraft auf das Auditorium haben. Ein vielleicht etwas besser gestelltes b-picture mit betont unperfekter Illustration, dem es offensichtlich nicht nur finanziell an vielen Ecken und Enden fehlt und sich wohl deswegen auch in nur einer Idee mit repetierend wiederholenden Schauplätzen verbirgt.

Trifft man dabei sogar einige Deckungspunkte mit dem weit später entwickelten, aber zeitgleich an die Öffentlichkeit entlassenen Konkurrenzprodukt, dessem box office Erfolg man erwartungsgemäß rein gar nichts entgegensetzen konnte, und fährt man auch das gleiche Sujet ans Tageslicht, so unterscheidet sich vor allem der gebrochene Ton samt bearbeitender Behandlung. Hier findet man nicht den üblich prächtig erhabenen Akzent, den sinnlich verspielten oder pathetisch deklarierenden, nicht einmal den wuchtig entschlossenen vor, sondern vorwiegend nur den von Fax und Jux und Tollerei, noch zusätzlich in bleichsüchtiger low budget Manier und stumpfer Mitt-Neunziger-Optik.
Man möchte gerne eine trivial-unreale Satire sein, in gefakter Konstruktion und mit den Utensilien von Maskerade und Narrenkappe. Ein künstlich erarbeitetes, mit dem Zwiespalt von Inhalt und Reflexion auch etwas krampfhaft wirkendes Machwerk.

Das Spottgedicht gemäßigt greller Schimpfreden im kleinen Laienspielhaus ist schon vom Äußeren weithin erkennbar; der selbst gewählte Aufzug ist bevorzugt kunterbunt mit extra torrhaften Anstrich aus der Farbspritzpistole gehalten, das Schauspiel mild boshaften Gewitzels schweift von gelangweilt über uninteressant kalkulierbar bis hin zu grotesk überzogen, wobei besonders das letztere Merkmal auch öfters der drechselnden Dramaturgie einen Schlag von hinten auf den Kopf verpasst. Filmemacher Rico Cheung, der schon seit jeher Mädchen für Alles in der Laufbahn war und auch hier die Aufgaben von producer / writer / director in Personalunion übernimmt, hat sich augenscheinlich an seinem anamorphotischen Grundgedanken übernommen, dehnt ihn auf das ganze materielle Streckennetz aus und verliert deswegen nicht nur den Überblick, sondern unabsehbar die Spannung zuungunsten von Müßiggehen und Mutwillentreiben gleich mit. Fern von Verstand, Scharfsinn und moralischer Beurteilung bleibt der unsubtile Versuch einer treuherzig einfältigen Travestiere mit irre geleiteter Hingebung, eines entstelltes Zerrbildes in komischer Einkleidung, eines Festivals an Verhöhnung und Übertreibung.

Aufgrund der langwierigen Aufwärmphase und der scheinbar entsprechend vielen Proben sind die Teilnehmer der eher lächerlich als tragischen Privatrache immerhin schon vor dem Überqueren der Startlinie in Bewegung:
Hung Yua-choi [ Austin Wai ] hat sich die letzten Jahre ein wenig aus dem zunehmend hinterhältiger und tödlicher werdenden Triadengeschäft zurückgezogen, und es mit seiner Frau [ Kiki Sheung ] etwas ruhiger angehen lassen. Nicht mehr der Jüngste ist er mehr um sein Erbe beschäftigt. Sein ältester Sohn Ben Hung [ Gordon Lam ] soll nach manchen Fehlern in der Vergangenheit und dem noch wenige Tage dauernden Gefängnisaufenthalt ein neues Leben beginnen. Der jüngere Bowie Hung [ Tsui Tin Yau ] wurde komplett aus dem kriminellen Milieu herausgehalten, auch über die wahre Identität seines Vaters im Unklaren gelassen und befindet sich seit frühester Kindheit wohl behütet in den USA, wo er gerade das Studium absolvierte.
Als nach dem Ableben des bisherigen Gangsterführers die neue Wahl zum Oberhaupt ansteht, Hung zugunsten des aufstrebenden Sean [ Jordan Chan ] den Weg freimacht, allerdings durch einen Unfall von einem von Seans Schergen lebensgefährlich verletzt wird, brodelt es in der Hak Se Wui.

Der noch beim Dreh verwendete Arbeitstitel The Funeral gab die Problematik und die Szenerie gleich mit bereits ausdrücklich wieder; nicht nur, dass die Geschichte voll mühsamer Hektik und Kurzatmigkeit mit einer Beerdigung einsteigt, auch die gesamte Narration dreht sich um die Austragung einer Trauerfeier. Sean, der zwar überhaupt nichts mit Hungs Tod zu tun hat, aber sofort in Verdacht und entsprechende Erklärungsnot gerät, möchte die Sache samt Leiche am liebsten schnell vom Tisch haben und drängt die nicht gerade befreundete Familie Hung zum Feuerbegräbnis. Diese wäre auch im Sinne von Inspector Dai [ Patrick Tam ] vom Anti-Triad Bureau, der ebenso so wenig Aufregen und Aufwand wie möglich haben will. Die Ehefrau und die Söhne sind allerdings gegen den Abschied im Krematorium und möchten eine angemessene Totenfeier mit ehrwürdiger Grablegung.

Einige weitschweifige Wendungen später, die mehr ein penetrant inkonsequentes Hin und Her mit naiven menschlichen Gebaren statt einem wirklichen Fortschritt darstellen, hat man ein emsiges, aber ungelenkes Aussitzen auf kleinem Raum zwischen Klappstuhl, Styropor, Notausgängen und Warenkartons gesichtet. Mit offenkundigen, aber nicht gleich gravierend niederschlagenden Mangelerscheinungen an Ausstattung, Figurenzeichnung, Kreativität und Talent. Auch wenn man die belanglose Fragwürdigkeit / kuriose Würdelosigkeit der Charaktere nicht weiter beleuchten kann, einen gewissen Sinn für das Schräge bezüglich fixierter Abstraktion mit etwaigen Trashflair mag man der recht kleinkrämerisch-unmodernen Gaunerfabel aber nicht abstreiten. Zeitweise blitzt tatsächlich das Absurde in der regelkonformen Tradition, dem im entscheidenden Momenten verlangten, aber eigentlich völlig unlogischen Ethos auf. Zwischen dem normalen Verhalten, dass ständig auf seine Zweckmäßigkeit hin verifiziert wird und der gebräuchlichen Sinnesart, die sich aufgrund ihrer formellen Korrektheit schon nahe an versteinerten Interpretationsmustern befindet:
Das verlangte Die-letzte-Ehre-erweisen gegenüber Jemandem, dem man bei Tageslicht verfeindet gegenüber gestanden oder noch nicht einmal respektiert hat. Der Kontrast, der zwischen der Erkenntnis zum Handeln steht. Die Abweichung von Vernunft, Geschmack, Tugend, sowohl im Film als auch von ihm aus.

Dabei nimmt man sich der in Election präzisierten Wahl durch Abstimmung und der dahinter stehenden Funktionsweise samt des Zahnradgetriebes der Triadenorganisation an, begründet mit den stillen Hintermännern, viel niedrigen Pöbel und ihren stetigen Schwankungen zur jeweilig gewinnbringend erscheinenden Machtseite eine gleichfalls verwickelte, nicht automatisch ähnlich geistreiche Geschichte, in der Irrtümer, falsche Schlussfolgerungen und zeitlich ungünstige Entscheidungen die Figuren reichlich durcheinander bringen. Überzieht dies generell auch mit den gewohnten Stilen und Motiven der entsprechenden Gattung, mischt aber Verharmlosungen und stetig karikierendes Spottbild darunter, auch wenn dies zuweilen nur aus albernen Kleiderwechseln und schalkhaften Versteckspielchen statt verächtlicher Beleidigung oder ernsthafter Bosheit besteht. Gerade Sean führt sich nicht nur wie ein harlekinisch lamentierender Diktator einer phantasierten Bananenrepublik auf, sondern zieht sich auch aus zusammengewürfelten Bestandteilen verschiedenen Uniformen an, wobei er seinen Possenreißer-Aufmarsch öfters wie Revolutionär Castro auf Kriegsübung in olivgrün mit Zigarre hält.
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Dienstag, 8. Januar 2008

Review: Brothers [ 18/10/2007 ]

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Zwei Monate von der Ankündigung bis zum Kinostart, zwei weitere bis zum Erscheinen auf DVD. Brothers vollzieht zumindest in der Produktion die altbewährte Ex-und-hopp Formel im selbstgewählten Schnelldurchlauf. Ein in aller Hast Einprägen, dass durch rasches, aber umso eindrückliches Aplomb seine Wirkung nicht verfehlt. Ein sicheres Auftreten mit gehörigem Nachdruck, dass in der Erinnerung kramt und längst Vergangenes wieder zum Vorschein holt: Der Film als die Reunion der TVB Five Tigers; einer Gruppe Schauspieler, die gemeinsam in den Achtzigern im kantonesischen Fernsehen für Furore und entsprechend hohe Einschaltquoten gesorgt haben, eigentlich bereits 1991 mit The Tigers wieder vereinigt auf die Kinoleinwand gebeten wurden, aber nun doch noch einmal ihren zweiten, wenn nicht gleich dritten Frühling feiern dürfen.

Als Produzent des wallfahrenden Comebacks der wahrlich nicht immer erfolgreichen und in den letzten Jahren doch eher vernachlässigten, bzw. immer noch oder erneut auf der Mattscheibe gestrandeten Altherrenriege legte sich verstärkt ihr fruchtbarstes Mitglied Andy Lau ins Zeug. Lau, der seit den ehemaligen Tagen eigentlich ununterbrochen Kassenmagnet Nummer Eins und Liebling aller Printmedien ist, sorgte durch seine als Cameo gedachte Teilnahme im Film auch gleich für das nötige Prestige und den entsprechenden Rummel um das verspätete Klassentreffen mit Stufenfestcharakter. Der Gastauftritt wurde gebührend der bankability Prominenz zur eminenten Nebenrolle ausgebaut; auch um von der Tatsache abzulenken, dass einstiges Mitglied Tony Leung Chiu-wai nicht nur nicht in Erwägung für eine Rolle, sondern auch nicht einmal kameradschaftlich zur Premiere eingeladen wurde. Um böses Blut unter einstigen Gesinnungsgenossen, um die Veränderung der Gegenwart zur vermeintlich glorreichen Vergangenheit und um die im Kollektiv verhandelten Debatten über Machtstrukturen und Diskurshoheiten geht es dann auch im Prozessions-Film:

Gangsterboss Yiu [ Miu Kiu Wai, der schon im Ruhestand war und sein Geld im Optikergeschäft verdiente ], der nach dem Rücktritt seines Vaters Tin Tam [ Wang Zhiwen ] die Geschäfte übernommen und sie zumindest nach außen hin in die Legalität gezogen hat, hat mehrere Probleme am Hals. Nicht nur, dass ihm ein Gehirntumor im Spätstadium zu schaffen macht, auch die Konkurrenz mit Uncle Nine Yim [ Henry Fong Ping ], dessem Sohn Kui [ Ken Tong ] und Scherge Chacha [ Teddy Kin ] wagt sich sehr dreist in den offenen Aufruhr. Dazu nutzen sie auch die Mithilfe der Polizei, dessen ständigen Durchsuchungen durch Inspector Lau [ Andy Lau ] und Sergeant Lam Sun [ Gordon Lam ] der empfindlich genervte Yiu bloß abgespannt durch seine Freundin und Anwältin Chong Ching [ Betty Huang Yi ] niederschlagen kann. Als sein Vater durch ein Attentat schwer verletzt ins Krankenhaus kommt und die an Alzheimer leidende Mutter [ Elaine Kam ] auf sich allein steht, holt Yiu seinen die letzten zwanzig Jahre in den USA lebenden Bruder Shun [ Eason Chan ] zurück; um gemeinsam mit Adoptivbruder Ghostie [ Felix Wong ] die Vergeltung zu starten.

Ein mit sichtlich Personenaufwand gestütztes Handlungsgerüst, dessen narrativer [Dialog]Vorbau auch gut und gerne für eine weit ausschweifende Abhandlung als hiesig vorgestellt ausreichen würde. Wenn man denn Intuition und Konzeption besitzt, aus dem Umfeld voneinander losgelöster, aber stetig überschneidender Herrschaftsverhältnisse auch das Eigenleben dieses undurchschaubaren Soziotops zu erforschen und beschreiben.
Geschickt sind die Verweise auf die Historie der Tang-Dynastie, speziell dem "Aufruhr am Tor des dunklen Kriegers", eine tödliche Rivalität unter Brüdern am 02.07. 626.
Das Drehbuch Selbsterfüllender Prophezeiung gibt sich allerdings nicht die Mühe, die Ursachen des Seins, die über das Erfahrbare und Wahrnehmbare hinausgehen in dem nun vorliegenden Fall zu entschlüsseln, sondern ruht sich mit vermeintlich gutem Gewissen auf der ebenfalls innerhalb zweier Dekaden geschaffenen historischen Überlieferungen, der Denkmalpflege im Gänsemarsch und seinen folgerichtigen Ellipsen aus. Nicht zum Verständnis erforderliche Dramenteile werden einfach weggelassen und ergeben so eine verkürzte Satzkonstruktion.

Wenn man schon in der Besetzung mit Institutionen allerorten aufwartet – selbst Kleinstrollen sind mit Blickfängen wie Wong Ching, Yu Rong Guang, Lam Suet und Eddie Cheung vertreten – kann man das Sichbewegen innerhalb von Organisationen auch per Weitergabe und Wiedergabe von Traditionen ausstaffieren. Sowohl die Problematik als auch Anlass, Motiv, Handhabe sind demnach wie weiland 1987 gehalten: Dem Beginn des Heroic Bloodshed- und des Triadenfilmes im ausdrücklichen, zumindest auch auf den Auslandsmarkt einwirkenden Sinn. Rein thematisch schon ein relativ eingeschränktes Subgenre. Ein Intarsienkabinett, dass sich gattungsmässig um die Konfrontation von Loyalität, Solidarität, Zuverlässigkeit und Anständigkeit gegenüber der Gruppe, der man sich verbunden fühlt und den eindeutig materiell bestimmten Werten und Zielen dreht und viel Augenmerk auf Durchgliederung, Rangordnung, Staffelung legt. Eine Auffächerung an widerstreitenden Individuen mit selten demselben Leitgedanken, noch seltener dem gleichen Beweggrund und schon gar nicht den identischen Arbeitsmethoden. Die Unterscheidung der Subjekte sowie die beginnende Reibung der Interessen und die handfeste Verdeutlichungsfunktion nimmt hier wie gewohnt den ersten Teil der Laufzeit ein. Das Ausleben des aufgestauten Grolls den zweiten.

Vom Einfachen das Beste, obzwar in Anachronismen, mehr Schau- als Überraschungseffekt und der schleichenden Erkrankung am sättigenden Überdruss. Ein reiner Demonstrationszug, in verlangsamt zerdehnten Blickwinkel. Ein leicht biederes Fernsehspiel mit Drang zur sterilen Stagnation. Zu erhaben, zu erlaucht, vielleicht auch zu selbstgefällig für die oberflächliche Aktion, die sich in einer späten Autojagd und kurzen Schusswechsel im Treppenhaus und Freien schon wieder erschöpft. Mit der überhand nehmenden Tendenz zum bürokratischen Formalismus, fern von Einsichten, Gemütsbewegung und Erregung.

Größere Facetten hat diesem schon in Stein gehauenen Material eigentlich nur Johnnie Tos Election - Zweiteiler abgewonnen, während der zahlenmäßig weit überlegene Rest sich genauso eng an die einstmals vorgebenden Gesetzmäßigkeiten hält. Das Verbindende in fast allen Entwürfen erleichtert für den Kundigen den Einstieg und bringt ihn um so manche inhaltliche Verlegenheit herum, bereichert ihn allerdings auch nur marginal. So wie der Film gedacht ist, als vorübergehende Wiederbelebung alter Recken, als kurzzeitige Besinnung auf einen Klassiker, so ist er auch formuliert und inszeniert. Mit stets wiederkehrenden Formen, zahlreichen Auftrittsankündigungen, die die Anhaltspunkte und Triebfedern eher vervielfachend hektographieren statt sie zu reinterpretieren oder gar zu brechen. Eine Arbeit der Restauratoren, die das über die Jahre verdunkelte Gemälde mit abermaligem Anstrich Aufputzen; unter Aufsicht von Museumsdirektor Lau, der als Finanzier neben der Beigabe von Wissen und Bekanntheitsgrad auch dafür sorgt, sich bei der Abwägung der Renovierungskosten gegen Neukosten für das Richtige zu entscheiden. Verdienen statt Ausgeben. Untergänge statt Aufbrüche. Ein leises Scheitern ohne Revolte.

Beschäftigt mit Richtlinien, Regelungen und der versuchten Glorifizierung sowie wiederholten Neuerfindung und auch dem Widerstreit zwischen Vergangenem und Jetztgefragtem, aber ohne Zukunft wirkt das Projekt ein wenig zu geräumig, zu überzentralisiert, zu leer und zu träge, um richtig Fahrt aufzunehmen. Zwar kommen vor allem gerade in einigen Massenszenen die momentan entscheidenden Emotionen auch zum Tragen und ist das Geschehen selbst im Stillen mit mehr Temperament als vielleicht ein Wo Hu - Operation Undercover gefüllt, so stellt sich die Regieführung dennoch mehr als ein routinierter und auch distanzierter Versuchsablauf längerer Plansequenzen als eine mutwillige Inspiration dar. Das starre System von monokausalen Abhängigkeiten, das meist passive Spielball-Verhalten, der spröde Kampf gegen die Mythen und die wie erschöpftes Desinteresse wirkende Mimik und Gestik der Darsteller bremsen die bestechende Professionalität immer wieder in Richtung geläufiger Gewohnheitsarbeit mit Durchschnittspraxis aus. Der Film ist nicht klein, aber auch beileibe nicht verschwenderisch und fern von opulenten Extremsituationen oder enthemmten Bildphantasien gehalten; das Meiste der glockenrein gepflegten Optik schlägt sich in der Ausstattung nieder. Ein regelmäßig zwischen brauner Holztäfelung, ergänzt mit Schattierungen, Gravuren, Einfärbungen und schneeweiß-glasklarer Technikfassade abwechselnden Architektur, die die verschiedenen Ebenen der dramatischen Bühnenplattform voneinander abtrennt. Eine zweidimensionale Illusion in konventioneller Filmsprache. Hell und dunkel. Gut und böse. Selbsterkenntnisprozesse und leidige Erfahrungen. Weissagung und Erfüllung.
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Freitag, 4. Januar 2008

Review: Hex [ 09/07/1980 ]

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Startschuss einer weitgehend unzusammenhängenden Trilogie, die im selben Jahr, nur fünf Monate später mit Hex vs Witchcraft und schließlich mit Hex after Hex [ 1982 ], nicht ohne gravierende Folgen für gewisse stilistische Entwicklungen fortgesetzt wurde. Während die beiden Nachzügler zwar wiederum Regisseur Kuei Chih-hung als Schöpfer vorweisen können, sind sie anders als das vorliegende Werk auch in der Jetztzeit angesiedelt und wandeln den hierbei bereits vorhandenen humoristischen Zwischenton immer mehr in eine reine Komödie um. Hex selber funktioniert im Vergleich noch verhältnismäßig als der Horror, unter dem er auch proklamatisch geführt wird. Lässt aber die Möglichkeit des wirklichen Erschreckens ziemlich untergehen und weist weder die extremen Lebenszeichen noch den Experimentiergeist improvisatorischer Ausgestaltung usueller Kuei-Arbeiten auf.

Als vorsichtig tastender Einstieg für sowohl die beiden lauten Namensvettern und das Kommende in Richtung Grauen, als auch als selbständige Lektion in Sachen spätromatischem Bildraffinement mit stillstehendem Zeithorizont macht man seine Sache allerdings wieder ausgezeichnet.
Wenn man das [immerhin von gediegenen Quellen inspirierte] Variationswerk-Drehbuch bzw. dessen Mängel vertragen kann.

Dieses nimmt nämlich den denkbar einfachsten Weg der Auflösung möglicher Verkomplizierung. Vorfälle passieren nicht nur aus einfach heiterem Himmel und ohne jedweden Nachfragens der Beteiligten und ihrer Umwelt heraus, sondern sind auch niemals das, was sie im Offensichtlichen zu scheinen vermögen. Transparent gemachte, aber nie klar aufgelöste Geheimnisse. Eine Privatideologie, in der nicht nur alles passieren, sondern sich auch stetig ändern kann, ohne einen plausiblen Grund für diese Vortäuschung oder sei es selbst bloß eine Ausrede zu liefern, und diese Holprigkeiten allein durch die Suggestion einer pikanten Fiebervision in impressionistischer Studioatmosphäre bestimmt. Für den Logikbewussten eine totalitäre Schreckensherrschaft an Unglaubwürdigem in beinahe maschineller Wiederholung; auch die Dissonanzen in Gemütslage, Flair und Entwicklungsrichtung nehmen sich ihre eigene schmerzhafte Freiheit, die sie seitens des Regisseurs wohl glauben, finden zu müssen.

So wird aus dem Grundklang melancholisch klagender Tendenzen mit wabernd düsterer Sinnlichkeit und versiert morbider Partitur zwischenzeitlich ein schreiend fideles Schrullenspiel, dass mit postmodernden Anleihen fast in die damals ebenso gefragten Kung Fu Klamotten überwechselt – nur ohne Martial Arts, aber dafür mit Yue Tau Wan und Hon Gwok Choi in derbgrellen bit parts –. Das sorgt durch seine wie in schierer Zufallskombination eingefügten Faxen sicherlich für Amüsement, dünnt aber die dicht aufgebaute Harmonik betreffs des tödlich traurigen Kammerspiels mit Drei-Personen-Besetzung nach und nach aus. Und stellt spleenig zerfaserte Gegenentwürfe und recht kurzatmige Motivverläufe zu der sonstig dramatischen Unmittelbarkeit her:

China, zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts.
Chan Sau Ying [ Tanny Tien Ni ] ist der letzte Spross einer einstmals wohlhabenden Kaufmannsfamilie, die mittlerweile aber recht runtergewirtschaft im früheren Guangzhou verharrt. Verbandelt mit dem eingeheirateten Yeung Chun Yu [ Wong Yung ] und durch eine Lungenentzündung ans Bett gefesselt sieht sie trüben Tagen entgegen. Yeung hatte sich seine Ehe anders und vor allem mit mehr Reichtum gesegnet vorgestellt und macht seinen Ärger nicht nur in Alkohol-, Spiel- und Sexsucht mit Prostituierten, sondern auch in Schlägen gegenüber seiner erduldenden Frau und den Angestellten Luft. Als bereits das letzte Dienstmädchen den Beruf niedergelegt und das Weite gesucht hat, steht mit der jungen Leung Kei Wah [ Chan Si-Gaai ] ein Hoffnungsschimmer vor Chans Tür. Leung, die aus Pflichtschuld ihrer Mutter freiwillig die unterstützenden Tätigkeit aufnimmt, aber bald ebenfalls die Schikanen des Hausherrn ertragen muss, wehrt sich eines Nachts. Zusammen mit Chan ertränkt sie den Peiniger im Wasserbottich, um ihn anschliessend im nahegelegenen Teich zu versenken und einen Unfall vorzutäuschen.

Contains moderate violence and horror, cruelty to animals, and nudity.
Eine Litanei von Leid und Leichen, aber fern von kühneren Formulierungen.
Weitgehend nur ein Schauplatz. Stark begrenzte Personenkonstellation und ausgegrenzte Gefühle. Ein figürliches Dreieck, dass insgesamt vielleicht zwei- dreimal überhaupt den Gang an die Öffentlichkeit wagt und ansonsten nur weiträumige Exkursionen innerhalb der eigenen Gemäuer veranstaltet. Das Anwesen als auch das Gewässer als sichtlicher Bestandteil eines Ateliers, beengte Verhältnisse, kein Horizont, kein Himmel, kein Tageslicht. Interieur und das Wenige an Außenseite von Nebel umschlungen, alles wie hinter einem Schleier, fast stetig fahle Beleuchtung, herbstlich hohe Luftfeuchtigkeit, beinah monochrome Bilder im dunkelsten und kühlsten Braunton. Eine Reduktion des visuellen Materials an der Grenze des Verstummens, dafür ein strukturelles Aufschichten und eine Artikualtionsgestaltung im intimen Rahmen. Dekorationsaufwand, mit aller Innigkeit eingefangen ja. Statisterie nein. Eigenständiges Schauspieltheater muss man ebenfalls verneinen. Dafür ist mit Tanny Tien Ni ähnlich wie auch in Kueis Corpse Mania eine Darstellerin auf der Bühne, die gestische Nuancen mit überanstrengt plakativen Gesten verwechselt und während des ersten Drittels nicht nur wie ein seekranker Matrose über die Holzplanken stolpert, sondern auch nie den Ausdruck der Tragik formuliert bekommt, die als drohendes Schicksal über den Häuptern der beiden [Ex-]Liebenden liegt.

Thrillverwandt mit Clouzots Les Diaboliques [ 1955 ] läuft die erste Hälfte ab; Misanthropie, Misogynie und die Zwänge des Feudalsystems sind ebenso wie die Sachlage und die Gruppierung mit augenfälliger Beweislast übernommen worden. Auch hier taucht der Tote nicht mehr auf. Sein aufgedunsener Körper wird nicht an die Oberfläche des Teichs gedrückt und der baldig aufschwappende Verwesungsgeruch entpuppt sich als von Hund- und Schweinskadavern verursacht.
Verschwörung und Komplott, ein schemenhaftes Huschen und Haschen, Erregungsdrama, Suspense, Nervenkitzel und Albtraum schließen sich an. Ein versperrter Rückweg, unvorhergesehene Wandlungen und das hohe Maß an Schuldgefühlen führen zu weiteren Einschwingvorgängen. Die sich schlussendlich doch zur wenigstens im märchenhaften Kontext brachialen Gewalt ausweiten, ohne gleich in den abwechslungsreichen, aber melodisch stereotyp auf den Zuschauer einhämmernden Psychoterror nachstehenden Shaw Horrors zu verfallen, sondern eher einen weiteren Klassiker zitieren: "The Story of Mimi-nashi-Hôïchi" aus Masaki Kobayashis Kwaidan [ 1964 ].
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Mittwoch, 2. Januar 2008

Review: Seeding of a Ghost [ 29/12/1983 ]

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Nach der Pflicht die Kür.
Die folgerichtige Weiterführung von Richard Yeung Kuens Hell has no Boundary, der ein Jahr zuvor zwar nicht den Inhalt, aber die Thematik und auf jeden Fall die Machart samt konzeptueller Grundlinien und Aufmerksamkeitsraster bereits mit sicherer Hand vorexerzierte. Ohne auch nur annähernd den beinahe schon legendären sagenumwobenen Ruf von Seeding of a Ghost zu erreichen. Ein unvoreingenommenes Herangehen an das Produkt ist aufgrund der Schauermärchen um den lange Zeit nur unter der Hand zu habenden Film und der entsprechend traditionsreichen, aber eben weltabgeschiedenen Aufbahrung in den idealisiert verherrlichenden Erinnerungen nahezu unmöglich. Bis in die hintersten Ecken der Hörensagens nehmen die zu enormen Auswüchsen verklärten subjektiven Bühnenerlebnisse vor allem bezüglich der prädigitalen Gewalteskalationen "Zerstückelung, Ausweidung, Verwesung" mehr die Form einer andenkenden Empore als eine bloße retrospektive Sicht ein.

Das Heraufbeschwören im schönen Schein und das Ausrufen der absoluten Maxime im Splatterpunk nimmt der ansonsten durchaus würdigen Erzählung um die Zersetzung einer bestehenden Ordnung im üblich bunten Videogramm leider ein wenig die Überzeugungskraft. Nach alldem Tamtam ist ein konsequentes Die Dinge zurecht rücken mit eigenen Augen allerdings nicht nötig; besonders im Inneren des damals aktuellen Horrorgenres nimmt das Werk dennoch herausragende Stellung und fast schon einen Platz auf der alles überschaubaren Galerie ein.
Auch wenn Regisseur Yeung auf stark tradierte Genremuster zurückgreift, die ebenfalls gewohnte Sakralarchitektur derlei gefragter Arbeiten wie seine Artkollegen Kuei Chi-hung und Ho Meng-hua nutzt und ein gleicherweise böses Märchen von den modernen Ansprüchen einander widerstrebender Prinzipien formt.

Vor allem gelingt ihm Einschnitt und Einsturz der orakelhaft spiritistischen Welt in das Alltagsleben der Figuren überzeugender als bei den anderen Vertretern. Die Zeichnung vom Hier und Heute nimmt trotz konsequenter Reduktion nicht nur wesentlich mehr Raum als sonstig ein, sondern vollzieht sich tatsächlich an nachempfindbaren Gefühlen und Situationen von Befangenheit und Unfreiheit, die abseits vom sonstigen Camp und Ironie lauern. Die Mitte der Gesellschaft als profanes Miteinander puritanischer Ideologie, mit wahrhaftigen, aber dann auch entsprechend banalen Kontakten zur Umwelt. Einer schlichtweg einfach gehaltenen Soziologie entsprechend konstituierter Erwartungshaltungen, in der die Wechselwirkungen zwischen den Menschen nicht aus irgendwelchen Phänomen, sondern rein aus dem gemeinem Handeln, der Orientierung des eigenen Verhaltens entstehen:

Als der Taxifahrer Chow [ Philip Ko ] des Nachts aus Versehen beinahe einen verfolgten Grabräuber überfährt, ihn dann aber vor der jagenden Meute rettet, warnt dieser ihn vor kommenden Unheil vor. Der frisch Verheiratete gibt nicht viel auf das vermeintliche Geschwätz, muss sich allerdings bald dem Schrecken stellen. Seine Frau Irene [ Marsha Yuen ], die währenddessen eine leidenschaftliche Affäre mit Anthony Fong Ming [ Norman Chu ] begonnen hat, wird kurz darauf von zwei jugendlichen Rabauken vergewaltigt und getötet. Chow, der sowohl von den Angreifern als auch dem Nebenbuhler Rache will, nutzt die Zufallsbekanntschaft des Fakires und die Leiche seiner Frau für ein höllisch knüppelhartes Teufelswerk.

Was klingt wie ein eskatisch verfilmter Derwischorden in geistiger Versenkung ist über die komplette erste Hälfte der angenehm kurzen Laufzeit ohne weitere Ablenkung ein relativ bodenständig, ja gar geerdetes Miteinander mit Wiedererkennungswert in voller Nacherlebbarkeit. Fang sucht die Abwechslung von seiner Frau Ak Kit [ Tin Mat ], während Irene einfach aus ihrem Trott des gewöhnlichen Durchschnitts ausbrechen möchte, da die Ehe trotz der Kürze bereits nach dem routinemäßigen Fahrplan des eingewurzelt regelmäßigen Trotts abläuft.
Aufgrund der Einstiegsszene und der warnenden Drohung des Magiers mit bereits eingeleiteter fragiler Dimension steigert sich die Unruhe, ohne dass irgendwelche Beweise für eine tatsächliche Gefahr vorgebracht werden und das Geschehen sinnlicher Befreiung sogar eine komplett andere Sprache spricht. Dass man sich als Zuschauer sowohl an dem schnell beginnenden horizontalen Bratkartoffelverhältnis mit dem einseitigen Drang zur Romanze und Mehr als auch der rasch schwülstiger werdenden Bildsprache, dem verschnörkelten Klaviergeklimper und besonders den allzeit neckischen Wasserspielen erfreuen darf, formuliert vielmehr eine theatralisch kitschige, sprichwörtlich spannungslose Behaglichkeit mit softcore Attitüde. Ein Bild des idyllisch geschwollenen Friedens, dass in seltsamer Melancholie fast zu schön ist um wahr zu sein. Eine vertraut geläufige Vorstellungswelt mit normativen Beschränkungen – Die Zehn Gebote in ihrer Kurzfassung – , die dem düsteren Jenseits des Verdrängten weichen muss.

Da man nicht ewig in weicher Zeitlupe am Badestrang entlang springen oder die Bettlaken durchwühlen kann und auch den Widerstreit zwischen Form und Substanz nicht heraufbeschwören möchte, greift der Ernst des Lebens in Form der eigenen Gefühle und der des Anderen umso heftiger ein. Schon aufgrund dessen, dass der Horror sich immer den Maßstab zur Gewichtung nimmt, wie eng man sich an die streng reglementierten Regeln hält oder eben nicht hält. Wenn man auf [full frontal nudity] Abwege gerät, begibt man sich in Gefahr. Die Antinomie der Wünsche, die Disparität der Erziehung und das Brechen der zutiefst bürgerlichen Moralkonstruktion verlangen die Strafe für die verboten lüsternen Blicke, die Provokation der außerehelichen Berührungen und das wilde Ausleben der Sexualität; als die Differenz zwischen Sehnsuchtsvorstellungen und Realität offenbar wird, wird aus Liebe Hass, aus Begierde Gewalt und aus Leben Tod. Der erotische Impuls als die Metapher für die verschlossene Tür, die man mangels innerer Verbundenheit, religiöser Festigung und eigener Frömmigkeit nicht öffnen sollte. Und wenn doch, aus schmachtendem Verlangen alsbald Perversion in Form von Missbrauch, Inzucht, Nekrophilie und der Genusssüchtige sowie der Rechtsbrecher in zielstrebiger Ausstreuung des Übels vernichtet wird.

Ein denkbar einfaches Erzählprinzip, fern kinematographischer Improvisation. Vom Wahrhaftigen mit Sinn für emotionale Nuancen, Stilbrüche und Intertextualitäten in die geradlinig unverblümte Imagination. Von der Ordnung ins Nichts. Eine Sphäre der Einbildungen, indem sich alte Religion, Schwarze Messen und unerklärbare Relikte in strenger Befolgung ihrer Bräuche unter schwersten Bedingungen vereinen. Fassbare Erlebnisse treten in den Hintergrund, langes Hinauszögern, hier und da kleine, oft nur angedeutete Kostproben, in der die Sprödheit des Anti-Buddhismus zum Ausdruck kommt. Ein unheilschwanger drohend Grollen, um zunehmend in die visuelle Explikation nahezu orgiastischer Deutlichkeit zu verfallen. Auf die letzten Meter gar ein Umkippen ins Monströse mit ausufernder Eskalationsästhetik. Mutierte Angriffe auf Geist, Seele, Leib und Organismus. Aderlass und deftige Bluttransfusion in various deaths / creative killing Entkoppelung: Einer der Täter darf Würmer speien, der Andere etwas Unangenehm nach Gehirn aussehendes Fleischiges essen. Seine Wirbelsäule wird durch transzendentale Kräfte bei vollen Bewusstsein aus dem Rücken hinaus gebrochen. Bäuche explodieren oder werden durchbohrt, Arme abgetrennt und Gesichter zur Hälfte abgerissen...
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