Freitag, 4. Januar 2008

Review: Hex [ 09/07/1980 ]

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Startschuss einer weitgehend unzusammenhängenden Trilogie, die im selben Jahr, nur fünf Monate später mit Hex vs Witchcraft und schließlich mit Hex after Hex [ 1982 ], nicht ohne gravierende Folgen für gewisse stilistische Entwicklungen fortgesetzt wurde. Während die beiden Nachzügler zwar wiederum Regisseur Kuei Chih-hung als Schöpfer vorweisen können, sind sie anders als das vorliegende Werk auch in der Jetztzeit angesiedelt und wandeln den hierbei bereits vorhandenen humoristischen Zwischenton immer mehr in eine reine Komödie um. Hex selber funktioniert im Vergleich noch verhältnismäßig als der Horror, unter dem er auch proklamatisch geführt wird. Lässt aber die Möglichkeit des wirklichen Erschreckens ziemlich untergehen und weist weder die extremen Lebenszeichen noch den Experimentiergeist improvisatorischer Ausgestaltung usueller Kuei-Arbeiten auf.

Als vorsichtig tastender Einstieg für sowohl die beiden lauten Namensvettern und das Kommende in Richtung Grauen, als auch als selbständige Lektion in Sachen spätromatischem Bildraffinement mit stillstehendem Zeithorizont macht man seine Sache allerdings wieder ausgezeichnet.
Wenn man das [immerhin von gediegenen Quellen inspirierte] Variationswerk-Drehbuch bzw. dessen Mängel vertragen kann.

Dieses nimmt nämlich den denkbar einfachsten Weg der Auflösung möglicher Verkomplizierung. Vorfälle passieren nicht nur aus einfach heiterem Himmel und ohne jedweden Nachfragens der Beteiligten und ihrer Umwelt heraus, sondern sind auch niemals das, was sie im Offensichtlichen zu scheinen vermögen. Transparent gemachte, aber nie klar aufgelöste Geheimnisse. Eine Privatideologie, in der nicht nur alles passieren, sondern sich auch stetig ändern kann, ohne einen plausiblen Grund für diese Vortäuschung oder sei es selbst bloß eine Ausrede zu liefern, und diese Holprigkeiten allein durch die Suggestion einer pikanten Fiebervision in impressionistischer Studioatmosphäre bestimmt. Für den Logikbewussten eine totalitäre Schreckensherrschaft an Unglaubwürdigem in beinahe maschineller Wiederholung; auch die Dissonanzen in Gemütslage, Flair und Entwicklungsrichtung nehmen sich ihre eigene schmerzhafte Freiheit, die sie seitens des Regisseurs wohl glauben, finden zu müssen.

So wird aus dem Grundklang melancholisch klagender Tendenzen mit wabernd düsterer Sinnlichkeit und versiert morbider Partitur zwischenzeitlich ein schreiend fideles Schrullenspiel, dass mit postmodernden Anleihen fast in die damals ebenso gefragten Kung Fu Klamotten überwechselt – nur ohne Martial Arts, aber dafür mit Yue Tau Wan und Hon Gwok Choi in derbgrellen bit parts –. Das sorgt durch seine wie in schierer Zufallskombination eingefügten Faxen sicherlich für Amüsement, dünnt aber die dicht aufgebaute Harmonik betreffs des tödlich traurigen Kammerspiels mit Drei-Personen-Besetzung nach und nach aus. Und stellt spleenig zerfaserte Gegenentwürfe und recht kurzatmige Motivverläufe zu der sonstig dramatischen Unmittelbarkeit her:

China, zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts.
Chan Sau Ying [ Tanny Tien Ni ] ist der letzte Spross einer einstmals wohlhabenden Kaufmannsfamilie, die mittlerweile aber recht runtergewirtschaft im früheren Guangzhou verharrt. Verbandelt mit dem eingeheirateten Yeung Chun Yu [ Wong Yung ] und durch eine Lungenentzündung ans Bett gefesselt sieht sie trüben Tagen entgegen. Yeung hatte sich seine Ehe anders und vor allem mit mehr Reichtum gesegnet vorgestellt und macht seinen Ärger nicht nur in Alkohol-, Spiel- und Sexsucht mit Prostituierten, sondern auch in Schlägen gegenüber seiner erduldenden Frau und den Angestellten Luft. Als bereits das letzte Dienstmädchen den Beruf niedergelegt und das Weite gesucht hat, steht mit der jungen Leung Kei Wah [ Chan Si-Gaai ] ein Hoffnungsschimmer vor Chans Tür. Leung, die aus Pflichtschuld ihrer Mutter freiwillig die unterstützenden Tätigkeit aufnimmt, aber bald ebenfalls die Schikanen des Hausherrn ertragen muss, wehrt sich eines Nachts. Zusammen mit Chan ertränkt sie den Peiniger im Wasserbottich, um ihn anschliessend im nahegelegenen Teich zu versenken und einen Unfall vorzutäuschen.

Contains moderate violence and horror, cruelty to animals, and nudity.
Eine Litanei von Leid und Leichen, aber fern von kühneren Formulierungen.
Weitgehend nur ein Schauplatz. Stark begrenzte Personenkonstellation und ausgegrenzte Gefühle. Ein figürliches Dreieck, dass insgesamt vielleicht zwei- dreimal überhaupt den Gang an die Öffentlichkeit wagt und ansonsten nur weiträumige Exkursionen innerhalb der eigenen Gemäuer veranstaltet. Das Anwesen als auch das Gewässer als sichtlicher Bestandteil eines Ateliers, beengte Verhältnisse, kein Horizont, kein Himmel, kein Tageslicht. Interieur und das Wenige an Außenseite von Nebel umschlungen, alles wie hinter einem Schleier, fast stetig fahle Beleuchtung, herbstlich hohe Luftfeuchtigkeit, beinah monochrome Bilder im dunkelsten und kühlsten Braunton. Eine Reduktion des visuellen Materials an der Grenze des Verstummens, dafür ein strukturelles Aufschichten und eine Artikualtionsgestaltung im intimen Rahmen. Dekorationsaufwand, mit aller Innigkeit eingefangen ja. Statisterie nein. Eigenständiges Schauspieltheater muss man ebenfalls verneinen. Dafür ist mit Tanny Tien Ni ähnlich wie auch in Kueis Corpse Mania eine Darstellerin auf der Bühne, die gestische Nuancen mit überanstrengt plakativen Gesten verwechselt und während des ersten Drittels nicht nur wie ein seekranker Matrose über die Holzplanken stolpert, sondern auch nie den Ausdruck der Tragik formuliert bekommt, die als drohendes Schicksal über den Häuptern der beiden [Ex-]Liebenden liegt.

Thrillverwandt mit Clouzots Les Diaboliques [ 1955 ] läuft die erste Hälfte ab; Misanthropie, Misogynie und die Zwänge des Feudalsystems sind ebenso wie die Sachlage und die Gruppierung mit augenfälliger Beweislast übernommen worden. Auch hier taucht der Tote nicht mehr auf. Sein aufgedunsener Körper wird nicht an die Oberfläche des Teichs gedrückt und der baldig aufschwappende Verwesungsgeruch entpuppt sich als von Hund- und Schweinskadavern verursacht.
Verschwörung und Komplott, ein schemenhaftes Huschen und Haschen, Erregungsdrama, Suspense, Nervenkitzel und Albtraum schließen sich an. Ein versperrter Rückweg, unvorhergesehene Wandlungen und das hohe Maß an Schuldgefühlen führen zu weiteren Einschwingvorgängen. Die sich schlussendlich doch zur wenigstens im märchenhaften Kontext brachialen Gewalt ausweiten, ohne gleich in den abwechslungsreichen, aber melodisch stereotyp auf den Zuschauer einhämmernden Psychoterror nachstehenden Shaw Horrors zu verfallen, sondern eher einen weiteren Klassiker zitieren: "The Story of Mimi-nashi-Hôïchi" aus Masaki Kobayashis Kwaidan [ 1964 ].
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