Dienstag, 22. April 2008

Review: CJ7 [ 31/01/2008 ]

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Nicht, dass es sich nicht bereits in den letzten Arbeiten, spätestens seit King of Comedy [ 1999 ] angedeutet hat, aber es verwunderte doch etwas, dass Stephen Chow die Symbiose vom Traurigen Clown und seinen Rückzug in den Hintergrund derart konsequent durchziehen würde. CJ7, sein aktuellstes Werk, startete zwar erneut wie so Vieles von Ihm pünktlich zum Chinesischen Neujahr, ist aber alles Andere als die gewohnt eskapistische Jubel-Trubel-Heiterkeit, bewegt sich auch an ein neues, jüngeres Zielpublikum heran und wird für Einige aus den alten Tagen, die sich dennoch an den Film wagen ein derart waidwundes Erlebnis sein, dass allein die proklamierte Rückkehr zum gängig Bekannten vorübergehend trösten mag. Entweder der Zugriff auf bereits Fertiggestelltes und noch Ungesichtetes, auf einen der Jahrgänge, die zeitweise mit jeweils bis zu zehn Werken von Chow aufwarten ließen, oder die versprochene Fortsetzung zu Kung Fu Hustle [ 2004 ]; obwohl beim Letzteren fraglich sein wird, wie man das dortige Ereignis noch im Ausmaß übertreffen kann und ob man eine Steigerung des offensiven Spektakels überhaupt sehen möchte.

Bis dahin kann es sowieso noch eine Weile dauern, Chow genießt seine jetzige Stellung und die damit einhergehende Ruhe als weiterhin unangefochtener Kassenmagnet Nummer Eins, die durch den internationalen Durchbruch um die Jahrtausendwende nur noch verstärkt wurde und ihm inklusive der jeweiligen Regie auch nahezu uneingeschränkte Verantwortung für die Projekte ermöglichte. Für HK Verhältnisse übersorgfältig minutiös wird die Planung, Durchführung und Nachproduktion in Augenschein genommen; bereits August 2006 begannen die Vorbereitungen für den damalig noch Yangtze River 7, dann A Hope Betitelten, der seine Inspiration von der Mission "Shenzhou 6", dem zweiten bemannten Weltraumflug der Volksrepublik China erhalten haben sollte.

Und auch hier sind die Spezialeffekte zahlreich, drängen sich bis auf einige Einzelszenen, deren genaue Aufarbeitung in allen Bestandteilen man zuweilen gar nicht benötigt hätte, aber überhaupt nicht in die Schlagzeile – der in der Hinsicht größenwahnsinnigste und auch albernste Akt entpuppt sich im Nachhinein als Traum – , sondern lassen den Sinnesarten der vorkommenden Personen allen Platz. Auch ist der Film nicht per se der Science fiction zugeordnet, wie vor allem zu Beginn der Entwicklung als Gerücht durch die Medien geisternd und auch heute noch weiland propagiert, sondern eine fantasievolle Familienkomödie mit manipulativen Niedlichkeitsbonus, mit behutsamen, aber auch engherzigem Dramaeinschlag und düster bestimmten Unterton.

Chow weiß hier ganz genau, wie er den Zuschauer in autonomer Motivation erreichen kann, wie und wann er die richtigen Dinge sagen und vor allem zeigen muss, um seine beabsichtigte Wirkung, die Stärken und die Schwächen des Menschen, die guten und die schlechten Seiten in Ihm zu porträtieren. Leider weiß er trotz anmutiger Gelassenheit ab und zu nicht, die Notbremse seines Reiz-Reaktions-Apparats zu ziehen und verhaspelt sich auch ein wenig in der Tonart; die wie in fehlgeleiteter Gesinnungsnötigung ohne Rücksicht auf Verluste oder Altersgruppe über lebhaft, lehrreich, schulmeisterlich, spießbürgerlich, leichtfüßig, verträumt, süß, bittersüß, schmerzlich herb und wieder zurück wandelt. Teilweise zugleich, teilweise in ebenso spröder Reihenfolge, die mit der einen Hand anlockt und mit der anderen abstösst. Die vielartigen Äußerungen der menschlichen Kräfte als Marionette des Schicksals, als Bauernopfer des Lebens, dass so einfach gestrickt und so kompliziert schwer doch ist.
Bezeichnend für den Gegensatz, für das Eine und Dasselbe, das Unendliche und das Unbedingte bereits die einleitende Montage:

Ti Chow [ Stephen Chow; nahe einer Altersrolle, auch wenn in dem wettergegerbten Mann mit den langsam ergrauten Haaren sichtlich mehr unbändige Energie als früher steckt ] lebt nach dem krankheitsbedingten Tod seiner Frau allein mit seinem Sohn Dicky [ die neunjährige Jiao Xu ] in einem abbruchreifen Haus inmitten einer Schutthalde. Während Ti an allem, auch am Essen spart und nur mit Mühe die gefährliche Arbeit als Bauarbeiter in luftiger Höhe absolviert, schafft er es dennoch, mit ebensolchen Anstrengungen und individuellem Trotz seinem Kind eine Privatschule zu finanzieren. Dort ist der Kleine zwar vollkommen fehl am Platze und fällt durch die notdürftig geflickte Kleidung und das verschlissene Schuhwerk schon von Weitem auf, dennoch hält Ti Bildung für das höchste Gut und möchte seinem Nachwuchs sein geführtes Leben am Rande der Existenz ersparen. Eines Abends, bei der alltäglichen Suche auf dem Müllplatz, findet Ti einen merkwürdig aussehenden grünen Ball, der sich über Nacht zu einem "space alien dog" verwandelt und zum ersten richtigen Spielzeug und eigentlich auch dem ersten Freund von Dicky wird. Doch dann passiert etwas Schlimmes.

Eine Fabel allegorischen Wesens in einer Parallelwelt, eine naiv gestaltete, aber nicht unschuldige Projektionsfläche, die sehr der unseren ähnelt und dennoch einschneidende Veränderungen, Übertreibungen und eine ambivalente Objektrealität aufweist. Ein märchenhaftes, ein vorsichtiges, aber zugleich entschlossenes Vorgehen, dass mit ganz großen Kulleraugen, sanften Humor, schadenfreudigem Schalk, aber auch Sarkasmus und Zynismus gerne verdrängen möchte, was das Leben an Leid bereit halten kann. Um es dann mit brüchigem Optimismus und elegischer Abgewandtheit umso direkter vor Augen zu führen, auch wenn es im Nachhinein dann doch mit einer zum Glück bloßen Erdichtung ins erfüllte Reine gebracht wird.

Und die Dramaturgie psychologisch überlegter Poesie sitzt. Schon durch die anfängliche Schwarzweißzeichnung, die seine simple Verabsolutierung im Aufbau durchgängig beibehält, aber etwaiges Vorurteil und Selbstbetrug mit eigener Karikatur und satirischen Spitzen, mit kritischer Artikulation und sozialer Identität anreichert und aus der Essentialität heraus erzählt. Eine intuitiv verständliche Sogwirkung von gemeinsamen Werten, um die Entwicklung der Charaktere auszudrücken. Man muss nicht selber Vater sein, um sich in die Situation versetzen zu können wie es wäre, seinem Kind gerade das Spielzeug nicht bieten zu können, gar verweigern zu müssen, was alle Anderen längst haben. Man muss auch nicht selber dem Drangsal durch Andere in der Schule ausgesetzt gewesen sein, um dieses "Mehrere gegen einen Einzelnen" ungerechnet zu finden und entsprechend auch zu Frohlocken, wenn dann doch noch Jemand Stärkeres zur Hilfe kommt.

Doch Chow löst die Klischees, die Passion, die anhängende Moralpredigt, die Verarbeitung von Enttäuschungen und den drohenden Zeigefinger, der sporadisch vermeintlich schön heftig in der Luft wackelt auch immer mit einem Lacher, sei es dem aus Gnade oder dem aus vollen Herzen heraus auf. Aber die Gefahr der Kanzelrede und dem Rutsch in Sentimentalität und Melancholie gerade aufgrund der nachvollziehbaren Erfahrungen schwebt doch immer drohend über dem Geschehen und verschafft den eher raren, wenn dann auch zündenden Witzen mehr den Eindruck eines katalysierend klärenden und lind motivierenden Ventils.

Als Triebfeder der tragikomischen Seelenmassage dient auch der "space alien dog", eine Eigenkreation aus eben Hündchen und etwas, dass sowohl an ein Meerschweinchen, ein Wellensittich mit überdimensionalen Filzkopf als auch an jedes andere ridiculously cute Haustier erinnert und sich auch so aufgedreht tapsig verhält. Ein E.T., hinsichtlich der prompten Festlegung der Sympathien und des Marketingclous, aber weder den gleichen Zeitgeist treffend noch derlei Interpretationen über Gesellschaft und Nation oder gar die christliche Erlösersymbolik zulassend oder sonst wie heraufbeschwörend. Wenn es überhaupt Richtung Spielberg gehen sollte – ein Vergleich, der hierfür oft gebraucht, sicherlich auch begrifflich, aber dennoch nicht haltbar ist – , ist Das Wunder in der 8. Straße schon näher am Gleichnis.
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