Dienstag, 22. April 2008

Review: Hong Kong Bronx [ 31/01/2008 ]

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In sich weiterhin recht beständiger Konsequenz mit dem Umfeld des Triadenmilieus befassend kann man Regisseur Billy Chung mittlerweile fast als Messgerät für das entsprechende Genre einstufen; als aktive Rolle, die seit nunmehr schon 17 Jahren vielleicht nicht gleich die Hand am Puls der Gattung, aber die jeweiligen Entwicklungen zumindest diensteifrig nach gearbeitet hat. Von Legend of Chiuchow Brothers [ 1991 ] bis hin zum letztjährigen Undercover [ 2007 ] wurden mit kleinen zeitlichen Aussetzern und Abstechern in anderen Gefilde immer wieder Geschichten um aufsteigende Gangster, sich zur Ruhe setzen wollende Aussteiger, zwischen Beruf und Gesinnung zweifelnde Polizisten und den Machtkampf zwischen Verbrechern und Gesetzeshütern erzählt.

Aufgrund der Anpassungsfähigkeit von Chung und den veränderten Umständen bezüglich des Schwerpunktes der Handlung, des Produktionsvolumens oder auch der Mit- und Zuarbeiter ähneln sich die Schilderungen materiell genauso wenig wie formell. Ein Chung - Film ist trotz der Serienmäßigkeit nicht auf den ersten Blick identifizierbar und weist auch beim näheren Hinsehen keine genau überprüfbaren, stetig wiederkehrenden Kennzeichen auf; die zusammenziehende Eigenschaft und seine spezielle Individualität und Subjektivität ist vielmehr die handwerkliche Profession, die pflichtgetreu einordnungswillige Schmiegsamkeit und der Verzicht auf ein Extravagieren.

Auch Hong Kong Bronx, sein bisher aktuellstes Werk, heimlich, still und leise für wenige Tage ins Kino entlassen, zeichnet sich vor allem durch die aufnahmefähige Flexibilität und vorgefasste Ideen aus. Von vornherein im Budget begrenzt und deswegen mit wenig Handhabe ausgestattet verschafft Chung dem Film mit Kunstgriffen eine punktweise individuelle Präsenz; eine eigentümliche, vielleicht auch ein bisschen eigenbrötlerische, aber dennoch oder eventuell auch deswegen signifikante Aura. Im Dunstkreis der Gewalt. Mit dem Nimbus einer Sackgasse, die keinerlei Entkommen zulässt. Das Endziel steht bereits am Anfang, die Uhr tickt nicht nur bedrohlich, sondern zählt schon den Countdown des vollziehenden Verhängnisses herunter und lässt sich auch nicht mehr umstellen oder anderweitig aufhalten.

Die Gelegenheit des Entkommens hat es vielleicht einmal gegeben, existiert aber nicht mehr, nur noch als befristeter Kompromiss. Die Tragik speist sich aus den Versündigungen des vorangegangenen Lebens. Egal, was die handelnden Figuren jetzt noch tun und wie sehr sie sich auch bemühen, der Hoffnungsschimmer ist reine Illusion und verschleiert die wahren Tatsachen auch nur deswegen, weil Jeder sein eigenes Päckchen Schicksal trägt und die Gesellschaft längst aufgehört hat, Miteinander statt Gegeneinander zu arbeiten. Nur für den Zuschauer ist der Sachverhalt von vornherein eindeutig, der pragmatische Zusammenhang der Teil-Episoden einsehbar und auch in seiner fatalen Gesamtwirkung spürbar. Eine Parallelkonstellation mit ungesundem Realitätsbezug, in der Jeder um sein eigenes Überleben strampelt, aber Alle zusammen der Verrohung der Triebe ausgesetzt und damit auch dem Untergang geweiht sind:

Neil Shek [ Jordan Chan ] ist nach einer achtjährigen Gefängnisstrafe seit wenigen Tagen wieder an der frischen Luft, wo er sich mit Freund und Zellenkumpan Faye [ Timmy Hung ] an einer eigenständigen Renovierungsfirma versucht. Doch kaum in Freiheit holt ihn die Vergangenheit wieder ein; nicht nur, dass sich sein ehemaliger Boss Uncle Bo [ Wong Tin Lam ] erneut an ihn heranpirscht und ihm gefährdetes Territorium anvertrauen möchte, auch die direkte Konkurrenz Johnny [ Ricky Chan ] setzt dem anständig werden Wollenden heftig zu. Die Polizei ist keine Hilfe, vielmehr wartet Inspector Cheung [ Chan Hung Lit ] nur einsatzbereit auf die nächste Straftat von Neil. Mit Leidensgenosse Bull [ Kenny Wong ] schmiedet dieser an die Wand gedrängt seine Waffen.

Letzte Verzweiflungstaten, aus Motiven der Selbstverteidigung, der Selbstrechtfertigung und des aufgestauten Frustes. Die Aussichten in das innere Geschehen, in Gesinnung und Charakter vollziehen sich dabei über eine wesenhafte Wechselrede, die den Antrieb, die Bewegung, den Vorgang und die Rückwirkung nicht einmal explizit bei der Zentralfigur Neil, sondern den ihn umgebenden Menschen aufzeigt. Die Begleitumstände sind entscheidend, ebenso wie das Hauptaugenmerk zuweilen minutiöser Beobachtungen weder auf den Anfängen noch dem Abschluss, sondern auf der Darstellung der Verlaufs, dem Handeln und dem Leiden liegt. Viele Perspektiven ergeben trotz sprunghafter Inkonsequenz und Verzögerungstaktik irgendwann das ganze Bild einer ruhelosen Existenz.

Das Drehbuch und seine Auswirkungen sind dabei im besten Fall gängig, wenn nicht sogar generisch, ohne originelle oder unerwartete Lösungen. Auch hier ist die Phantasie offenkundig nicht reicher als das Leben. Spiel und Gegenspiel, Deutlichkeit und Diskretion finden auf einer kleinen Bühne ab, die titelgebende Hong Kong Bronx als einheitliche Plattform mit markanten Ecken, die jedesmal die Begrenzung der Arena und auch die Schranken des Daseins darstellen. Neil pendelt im Wesentlichen zwischen seiner Wohnung, der Schule, in die er seine beiden jüngeren Schwestern bringt, der Nachtbar von Rivale Johnny; im späteren Verlauf kommt noch das lokale Krankenhaus der damit erschöpfenden Reflexion hinzu. Ein lautloses Akzeptieren aller Probleme, ein nüchterner Ansatz ohne Schwer- und Wehmut, der sich wie seine Figuren fern epischer Haltung oder lyrischer Dynamik eher an der unteren Stelle der Hierarchie, am falschen Ende der Fahnenstange, an der Grenze des Niedriglohns beschäftigt und trotz derselben Rituale damit im konkreten Gegensatz zum Machtgefüge des Election Zweiteilers befindet.

Demgemäß ist auch die digital video Optik dem Anschein nach sehr einfach gehalten, ohne ästhetische Würde oder schöpferische Atmosphäre, ähnlich einen Fernsehdrama formaler Strenge, oder gar dem subsumierenden Zusammenschnitt einer noch preiswerteren Seifenoper gleich. Eine unkonventionelle Natürlichkeitsimagination. Die Schauplätze sind offensichtlich vor Ort gewählt und oft wie in einer Art frustriertem Protokoll gefilmt, mit banalem Niveau, unempfänglich steril und lebensfeindlich unwohnlich bebildert, ohne Schönheit, Zauber oder andere Reize; noch nicht einmal dem der Variation.

Eine zweifelhafte, klinisch tot wirkende Einheit aus fiktiven und semidokumentarisch wirkenden Elementen, zwischen Beschränktheit und Virtuosität, Aneignung und Distanzierung, Authentizität und Inszenierung, Hartnäckigkeit und Willkürlichkeit, die ihre isolierte Kraft abseits einiger überlappender Montagen nur aus dem Schauspiel beziehen kann und selbst dort höchst selten auf Mehrdimensionalität und Einfühlung trifft. Im verfremdet romantisierenden Finale dann plötzlich ein unorthodoxer Bruch: Verselbständigt sich die eigentümliche Künstlichkeit erzwungener Abstraktion in einen mythischen Rausch aus Manga und artifizieller, sichtlich computergestützter Gewalt, werden blindwütig Gliedmaßen abgehackt, Gläser ins Auge getrieben und monströs aufgeblähte Ströme von Blut durch die nächtlichen Straßen geschwemmt. Selbst der Mond färbt sich in poetischer Ausdrucksweise glutrot.
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Review: CJ7 [ 31/01/2008 ]

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Nicht, dass es sich nicht bereits in den letzten Arbeiten, spätestens seit King of Comedy [ 1999 ] angedeutet hat, aber es verwunderte doch etwas, dass Stephen Chow die Symbiose vom Traurigen Clown und seinen Rückzug in den Hintergrund derart konsequent durchziehen würde. CJ7, sein aktuellstes Werk, startete zwar erneut wie so Vieles von Ihm pünktlich zum Chinesischen Neujahr, ist aber alles Andere als die gewohnt eskapistische Jubel-Trubel-Heiterkeit, bewegt sich auch an ein neues, jüngeres Zielpublikum heran und wird für Einige aus den alten Tagen, die sich dennoch an den Film wagen ein derart waidwundes Erlebnis sein, dass allein die proklamierte Rückkehr zum gängig Bekannten vorübergehend trösten mag. Entweder der Zugriff auf bereits Fertiggestelltes und noch Ungesichtetes, auf einen der Jahrgänge, die zeitweise mit jeweils bis zu zehn Werken von Chow aufwarten ließen, oder die versprochene Fortsetzung zu Kung Fu Hustle [ 2004 ]; obwohl beim Letzteren fraglich sein wird, wie man das dortige Ereignis noch im Ausmaß übertreffen kann und ob man eine Steigerung des offensiven Spektakels überhaupt sehen möchte.

Bis dahin kann es sowieso noch eine Weile dauern, Chow genießt seine jetzige Stellung und die damit einhergehende Ruhe als weiterhin unangefochtener Kassenmagnet Nummer Eins, die durch den internationalen Durchbruch um die Jahrtausendwende nur noch verstärkt wurde und ihm inklusive der jeweiligen Regie auch nahezu uneingeschränkte Verantwortung für die Projekte ermöglichte. Für HK Verhältnisse übersorgfältig minutiös wird die Planung, Durchführung und Nachproduktion in Augenschein genommen; bereits August 2006 begannen die Vorbereitungen für den damalig noch Yangtze River 7, dann A Hope Betitelten, der seine Inspiration von der Mission "Shenzhou 6", dem zweiten bemannten Weltraumflug der Volksrepublik China erhalten haben sollte.

Und auch hier sind die Spezialeffekte zahlreich, drängen sich bis auf einige Einzelszenen, deren genaue Aufarbeitung in allen Bestandteilen man zuweilen gar nicht benötigt hätte, aber überhaupt nicht in die Schlagzeile – der in der Hinsicht größenwahnsinnigste und auch albernste Akt entpuppt sich im Nachhinein als Traum – , sondern lassen den Sinnesarten der vorkommenden Personen allen Platz. Auch ist der Film nicht per se der Science fiction zugeordnet, wie vor allem zu Beginn der Entwicklung als Gerücht durch die Medien geisternd und auch heute noch weiland propagiert, sondern eine fantasievolle Familienkomödie mit manipulativen Niedlichkeitsbonus, mit behutsamen, aber auch engherzigem Dramaeinschlag und düster bestimmten Unterton.

Chow weiß hier ganz genau, wie er den Zuschauer in autonomer Motivation erreichen kann, wie und wann er die richtigen Dinge sagen und vor allem zeigen muss, um seine beabsichtigte Wirkung, die Stärken und die Schwächen des Menschen, die guten und die schlechten Seiten in Ihm zu porträtieren. Leider weiß er trotz anmutiger Gelassenheit ab und zu nicht, die Notbremse seines Reiz-Reaktions-Apparats zu ziehen und verhaspelt sich auch ein wenig in der Tonart; die wie in fehlgeleiteter Gesinnungsnötigung ohne Rücksicht auf Verluste oder Altersgruppe über lebhaft, lehrreich, schulmeisterlich, spießbürgerlich, leichtfüßig, verträumt, süß, bittersüß, schmerzlich herb und wieder zurück wandelt. Teilweise zugleich, teilweise in ebenso spröder Reihenfolge, die mit der einen Hand anlockt und mit der anderen abstösst. Die vielartigen Äußerungen der menschlichen Kräfte als Marionette des Schicksals, als Bauernopfer des Lebens, dass so einfach gestrickt und so kompliziert schwer doch ist.
Bezeichnend für den Gegensatz, für das Eine und Dasselbe, das Unendliche und das Unbedingte bereits die einleitende Montage:

Ti Chow [ Stephen Chow; nahe einer Altersrolle, auch wenn in dem wettergegerbten Mann mit den langsam ergrauten Haaren sichtlich mehr unbändige Energie als früher steckt ] lebt nach dem krankheitsbedingten Tod seiner Frau allein mit seinem Sohn Dicky [ die neunjährige Jiao Xu ] in einem abbruchreifen Haus inmitten einer Schutthalde. Während Ti an allem, auch am Essen spart und nur mit Mühe die gefährliche Arbeit als Bauarbeiter in luftiger Höhe absolviert, schafft er es dennoch, mit ebensolchen Anstrengungen und individuellem Trotz seinem Kind eine Privatschule zu finanzieren. Dort ist der Kleine zwar vollkommen fehl am Platze und fällt durch die notdürftig geflickte Kleidung und das verschlissene Schuhwerk schon von Weitem auf, dennoch hält Ti Bildung für das höchste Gut und möchte seinem Nachwuchs sein geführtes Leben am Rande der Existenz ersparen. Eines Abends, bei der alltäglichen Suche auf dem Müllplatz, findet Ti einen merkwürdig aussehenden grünen Ball, der sich über Nacht zu einem "space alien dog" verwandelt und zum ersten richtigen Spielzeug und eigentlich auch dem ersten Freund von Dicky wird. Doch dann passiert etwas Schlimmes.

Eine Fabel allegorischen Wesens in einer Parallelwelt, eine naiv gestaltete, aber nicht unschuldige Projektionsfläche, die sehr der unseren ähnelt und dennoch einschneidende Veränderungen, Übertreibungen und eine ambivalente Objektrealität aufweist. Ein märchenhaftes, ein vorsichtiges, aber zugleich entschlossenes Vorgehen, dass mit ganz großen Kulleraugen, sanften Humor, schadenfreudigem Schalk, aber auch Sarkasmus und Zynismus gerne verdrängen möchte, was das Leben an Leid bereit halten kann. Um es dann mit brüchigem Optimismus und elegischer Abgewandtheit umso direkter vor Augen zu führen, auch wenn es im Nachhinein dann doch mit einer zum Glück bloßen Erdichtung ins erfüllte Reine gebracht wird.

Und die Dramaturgie psychologisch überlegter Poesie sitzt. Schon durch die anfängliche Schwarzweißzeichnung, die seine simple Verabsolutierung im Aufbau durchgängig beibehält, aber etwaiges Vorurteil und Selbstbetrug mit eigener Karikatur und satirischen Spitzen, mit kritischer Artikulation und sozialer Identität anreichert und aus der Essentialität heraus erzählt. Eine intuitiv verständliche Sogwirkung von gemeinsamen Werten, um die Entwicklung der Charaktere auszudrücken. Man muss nicht selber Vater sein, um sich in die Situation versetzen zu können wie es wäre, seinem Kind gerade das Spielzeug nicht bieten zu können, gar verweigern zu müssen, was alle Anderen längst haben. Man muss auch nicht selber dem Drangsal durch Andere in der Schule ausgesetzt gewesen sein, um dieses "Mehrere gegen einen Einzelnen" ungerechnet zu finden und entsprechend auch zu Frohlocken, wenn dann doch noch Jemand Stärkeres zur Hilfe kommt.

Doch Chow löst die Klischees, die Passion, die anhängende Moralpredigt, die Verarbeitung von Enttäuschungen und den drohenden Zeigefinger, der sporadisch vermeintlich schön heftig in der Luft wackelt auch immer mit einem Lacher, sei es dem aus Gnade oder dem aus vollen Herzen heraus auf. Aber die Gefahr der Kanzelrede und dem Rutsch in Sentimentalität und Melancholie gerade aufgrund der nachvollziehbaren Erfahrungen schwebt doch immer drohend über dem Geschehen und verschafft den eher raren, wenn dann auch zündenden Witzen mehr den Eindruck eines katalysierend klärenden und lind motivierenden Ventils.

Als Triebfeder der tragikomischen Seelenmassage dient auch der "space alien dog", eine Eigenkreation aus eben Hündchen und etwas, dass sowohl an ein Meerschweinchen, ein Wellensittich mit überdimensionalen Filzkopf als auch an jedes andere ridiculously cute Haustier erinnert und sich auch so aufgedreht tapsig verhält. Ein E.T., hinsichtlich der prompten Festlegung der Sympathien und des Marketingclous, aber weder den gleichen Zeitgeist treffend noch derlei Interpretationen über Gesellschaft und Nation oder gar die christliche Erlösersymbolik zulassend oder sonst wie heraufbeschwörend. Wenn es überhaupt Richtung Spielberg gehen sollte – ein Vergleich, der hierfür oft gebraucht, sicherlich auch begrifflich, aber dennoch nicht haltbar ist – , ist Das Wunder in der 8. Straße schon näher am Gleichnis.
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Dienstag, 15. April 2008

Review: Kung Fu Dunk [ 07/02/2008 ]

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Charakteristisch für den Film ist bereits eine frühe Szene, die das Denken dahinter und das Motiv für das Schaffen von Regisseur Kevin Chu Yen-ping überhaupt in wenigen Momenten zusammenfasst. Als zwei Leute, die sich ein richtiges Mahl nicht leisten können, abends dennoch in einem edlen und offenkundig auch ebenso teuren Restaurant speisen wollen, serviert ihnen eine blutsverwandte Angestellte ein Gericht, dass sich aus den Überresten der anderen Gäste zusammensetzt. Für die beiden so Verköstigten jeweils das Beste, aber trotzdem von den Vorgängern verschmäht, aus dem Zusammenhang gerissen und auch ohne Sinn und Verstand zu einem gegensätzlichen Gefüge verbunden.
Eine Überhebung der Mechanik, die nur der eigenen Selbstzufriedenheit dient.

So wie dort die Tropfen verschiedener Jahrgänge des Weines in einem frischen Glas dargereicht werden, so inszeniert Chu seit jeher, aus den Ruinen anderer Filme trägt er Schutt und Trümmer zusammen und baut sich sein eigenes, oftmals sehr spezielles, windschiefes, von Anderen meist ignoriertes oder höchstens mitleidig belächeltes Haus zusammen. Kreativität ? Eher friert die Hölle zu. Berühmt berüchtigt sein wohl bekanntestes Werk Fantasy Mission Force [ 1983 ], wie in delierender Trunkenheit zusammengestoppelt, wirr durch Raum, Zeit und Genre springend und im bewußtseinsgestörten Rausch alles aufnehmend und in Schnappschussfolgen wieder verwertend, was wahllos greifbar in der Reichweite ist. Auch die besseren, zumindest auf den ersten Blick und im Vergleich fast homogen wirkenden Arbeiten wie Island on Fire [ 1990 ] lassen die Parallelstellen erkennen, die Hommage oder auch die Plagiatie, ein Blendwerk der Nachahmung in dramaturgischer Unbeholfenheit, dass bereits gestaltete Materie nur noch einmal neu als wertverschiebende Randbemerkung zusammenfasst. Annexion als gängige Praxis:

Fang Shijie [ Jay Chou, als verpeilter Beatle mit Haarschnitt aus Salon Pott ] wurde als Baby bei einer Martial Arts Schule ausgesetzt, wo er unter dem Leiter Wang Biao [ Wang Gang ] und seinem persönlichen Trainer [ Eddy Ko Hung ] die Kunst des Kung Fu erlernt hat. Erwachsen geworden streift er weitgehend ziellos und auch ohne Erfolg bei der Damenwelt durch die Gegend, bis der auf der Strasse lebende Zhen Li [ Eric Tsang ] sein wahres Talent erkennt. Fang trifft immer, egal aus welcher Entfernung oder mit welchem Gegenstand, er versenkt Alles mit einem Wurf. Sofort meldet er ihn bei der Basketballmannschaft der First University an und bringt ihn als "basketball orphan", der über den Sport nach seinen Eltern sucht auch propagandaträchtig in die Medien. Der Captain Ding-Wei [ Wilson Chen ], seine Schwester Lily [ Charlene Choi ] und der beste Spieler im Team, Xiao Lan [ Baron Chen ], sind zwar ebenso wie der Dekan Zhou [ Wong Yat Fei ] erst etwas misstrauisch gegenüber dem seltsam treuherzigen Neuling, benötigen aber dringend Verstärkung für das bevorstehende Turnier gegen den ehemaligen Kollegen Li Tian [ Will Liu ]. Als mit harten Bandagen und miesen Tricks agiert wird, greift Fang auf seine einstigen Gelehrten [ Leung Kar-Yan, Ng Man-Tat, Huang Bo und Yan Ni ] zurück.

Gesellschaftliche Aussenseiter, die Individualität entwickeln. "Oliver Twist" im comichaften Popuniversum.
Eine verlässliche Erkennbarkeit von typenhaft unrealistisch porträtierten, in ihrem Verhalten dürftig motivierten, mit dem Hang zu drastischen Gesten ausgelasteten Figuren, die im hanebüchenen Maskenspiel unpsychologischer Erzählweise aufeinandertreffen und hysterisches Gestürm anrichten. Dass copycat Chu für Kung Fu Dunk, den Jahrmarkt der Eitelkeiten, den angepeilten chinese new year Blockbuster, die direkte Konkurrenz zu Stephen Chows CJ7 ausgesucht wurde, hat demnach offensichtlich seine Bewandtnis. Auch wenn seine Mitarbeit aus mehr als heiterem Himmel kommt und den Meisten, die sein häufiges, aber sehr klein gehaltenes Werk verfolgt haben, bis über den Abspann und die bereits angekündigte Fortsetzung hinaus Rätsel aufgeben wird. Als teures Prestigeobjekt, dass in der wichtigsten Zeit des Jahres die gesamte Familie während den Feiertagen ins Kino locken und drumherum auch das Merchandising bedienen soll. Als einstmals proklamierte Verfilmung des ab 1990 immens erfolgreichen "Slam Dunk" Mangas, der auch in einer Fernsehserie und OVAs verwertet wurde. Als unartikulierte Nachfolge des die vergleichbare Methode ausschöpfenden Initial D und als technische Weiterentwicklung: Schien die Produktion sowohl für die taiwanesische Chang-Hong Channel Film & Video Co. Ltd. als auch eben Chu, der noch nie gross mit Geld hantiert und auch nicht erwirtschaftet hat, mehrere Nummern zu schwer zu sein.

Während finanzielle Hilfen und somit auch die entsprechende Abtretung der Gewinnbeteiligung seitens kantonesischer Studios generös ausgeschlagen wurde und man stattdessen die landeseigene Regierung zur Teil-Übernahme der Kosten von US$10 Million anrief, bediente man sich auf gleichem Wege allerdings dennoch bei den umliegenden Nachbarn. Nicht nur, dass man sich entsprechende Fachkräfte für die aufwendige Effektumsetzung auslieh, allen voran Choreograph Tony Ching Siu-tung für die überbordenden Drahtseilaktionen und Zhang Yimous Hauskameramann Zhao Xiao-Ding, der scheinbar bitter nötig war, dem Tollhaus aus herumspringenden, fliegenden, kickenden Massen folgen zu können. Auch die Quellensammlung wurde vom japanischen Grundstoff des Mangas von Takehiko Inoue weg vermehrt auf Stephen Chows internationalen Durchbruch Shaolin Soccer [ 2001 ] verlegt. Eine mißliebig aufgenommene, aber sicherlich weise Entscheidung, bei der angesichts des damaligen Triumphs es eher verwundert, warum darauf bisher nicht Jemand anders gekommen ist.

Zwar passiert im stereotyp saloppen Drehbuch letztendlich ein wenig mehr, als dass ohne die Suche nach neuen Ansätzen nur die Sportarten von Fußball auf Basketball gewechselt wird. Aber wie üblich bei Chu formuliert er auch hier derart intensiv im kollektiven Bildergedächtnis folkloristischen Arrangements, dass neben der Verknüpfung der simplen Ideen gerade die reproduzierte Erinnerung der Äußerlichkeit entscheidend ist. Das Beeindrucken über den 1:1 Nachahmeeffekt, ein Fortwirken der vergangenen, aber fest abgespeicherten Erinnerungen und Empfindungen, die beim Betrachten der neuen Substanz sofort eine Allianz mit der alten eingehen. Reaktivierung der Phantasie. Ungehemmte Schaulust. Vertraut. Bewährt. Funktionstüchtig.

Sicherlich lassen sich schon allein vom Vorwurf der - wenn auch nicht sklavischen, aber zumindest taktgenauen - Imitation ausgehend bereits die ersten hämischen Worte über das strikt ökonomisch denkende Doublee ergießen, gefolgt vom Teeren und Federn wegen der Perlen vor die Säue, der kitschigen Pseudosubstanz, der toten Gewissheit, der bräsigen the air up there Philosophie, der bubblegum-Optik, der phrasenhaften Welt des Scheins, dem Anbiedern an den Superkommerz. [Auch beliebt, aber sehr verquer ist die Anprangerung der Missachtung der Basketball-Regelkunde.] Chu und sein Räuber-Beute-Modell waren schon immer und auch nicht zu Unrecht ein leichter Fang, ein rotes Tuch. "You are all swine! You have brought shame to your houses! Losers!", wie es in Dodgeball so enttäuscht glühend angeklagt wird.

Aber. Als brodelnde Unterhaltungsmaschine, die in betont perfekter Illustration ohne höhere Ambitionen nie etwas anderes sein will als das Publikum umschmeichelnd zu reizen und eventuell auch den Gegenwert ausschließlich über den visuellen Charakter und die urlaubshafte Gelöstheit zu liefern, macht der Film dann doch Vieles, wenn auch Beileibe nicht Alles [und vor allem nicht das prätentiöse Ende] richtig. Es kommt auch nie die Euphorie, der unschuldige Genuss, die positive Überraschung und das Beschwingtsein durch den Befreiungsschlag wie beim Original auf, aber man kratzt zumindest, wenn auch banal und eben veräußerlicht an genau dieser Assoziationsofferte.

Die trivial sterilisierte Schale dafür wird auf jeden Fall geboten, die affektive kulturelle Dekadenz, viel Labsal für Auge und Ohr, eine kalkulierte Schwelgerei in aberwitzig großräumiger Architektur spiegelglänzender, glattgeleckter, komplett entkorrodierter Atmosphäre und fortschreitender Intensivierung. Für den Massenmarkt werbeästhetisch polierter Bombast in konzentrierter Entspannung, den man dem das letzte Jahrzehnt in Minimalismus, schlichter, unmoderner Machart samt Unordnung, Beliebigkeit und Zufälligkeit tätigen Chu ebenso wie den zuweilen aufblitzenden Sinn für angenehm verschmitzten Humor so gar nicht zugetraut hätte. Eine aufwändig energiegeladene Gestaltqualität voll digital verschönter, dynamisch montierter Bild-Tonsequenzen und furioser [CGI] Artistik, die den Unkenrufen und dem Schmäh zwar die volle Breitseite bieten, aber gerade wegen ihrer aufgekratzten Schunkellaune, der fröhlichen Nichtswürdigkeit, der kindlichen Beharrlichkeit und der beherzten Tatkraft auf unbesonnene Art durchaus verlustieren können.
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Samstag, 12. April 2008

Review: 49 Days [ 17/02/2006 ]

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Mit den Masken und Formen der Epik erzählter Historien / Mystery / Thriller im Nachtmahr-Gewand, der neben dem period piece Setting auch weite Schritte zurück in das Zeitalter aktiv blühender Shaw Brothers Gruselwerke und der hinlänglichen Abarbeitung des dort notwendigen Kriterienkatalogs macht. Aufbau, Ausstattung, Weltsicht, die allgemeine Themenpoetik und die spezielle Betonung dieser erfundenen, überweltlichen, schrankenlosen Wirklichkeit lassen sich nahezu detailgetreu auf die Arbeiten bis einschließlich Hex [ 1980 ] beziehen. In denen der Schrecken noch nicht durch die abstrakt herausgestellte Deutlichkeit graphischer Effekte und überzogenen Spiels erlangt wurde, sondern man sich mehr auf den leisen Nachklang, die dunkle Lust und die märchenhaft erscheinenden Konstruktionen samt geheimnisvollen Metaphern, ethischer Rechtfertigung und Erlösungsreligion verließ.

Statt dem simplen Blutdurst und drastischen Gewaltgewitter das ergänzende Nebeneinander verschiedener Genres und entsprechender Stilmittel, zu dem zusätzlich noch die Aufhebung der Grenzen von Traum und Handlung, die Lust am Zitieren, die Illustration von unveränderlichen Begebenheiten und ewigen Wahrheiten hinzukommen. Eine vordergründig anschauliche Wiederholung und Variation bekannter Formeln früherer Werke vor allem eben der 70er.

In einer plastischen Expressivität irgendwo zwischen Freizeitpark und Geisterbahn zum einen und Feng Shui und Karma zum anderen wird mit visueller Wonne, aber ansonsten reichlich gedrosseltem Innenleben und sträflich wankelmütig die alte Geschichte von Jemand, der auszog das Fürchten zu lernen erzählt. Ausgehend von einer Warnung, einem Versprechen, dem Bruch diesen, dem falschen Vertrauen und der versuchten Wiedergutmachung wird sich auf eine grundanständige, aber pflichtschuldige Identifikationsfigur und ihrem direkten Gegensatz konzentriert. Ebenso wie auf die Gegenüberstellung von der Welt, wie wir sie zu kennen meinen und dem Riss in ihr, der die Bruchfläche zwischen Gut und Böse darstellt. Als Entzweiung der bis dahin scheinbar so stabilen Sicherheit dienen wie so oft die niederen Beweggründe emotional nicht gefestigter oder einfach von Geburt schlechter Menschen, als anheizende Elemente hinzukommend primär die Brauchtumspflege, der Volksglauben und die Volkskultur:

Arzt und Apotheker Lau Shing [ Stephen Fung ] hat Ehefrau Lau Man-Wai [ Jess Zhang ] und Tochter Lau Ling-Gi [ Kau Lap-Yi ] mitsamt seinem Tross verlassen, um in einer anderen Stadt ein florierendes Geschäft mit der mit westlicher Medizin praktizierenden Susie [ Debbie Goh ] einzugehen. Die Trennung soll aber nur vorübergehend sein, nach Ablauf von drei Jahren will Shing zu seiner liebenden Familie zurückkehren. Doch die Rückkehr verzögert sich nicht nur um ein weiteres Jahr, kurz vor dem endgültigen Aufbruch in die Heimat wird sein Lager durch den Angestellten Pang Shi [ Raymond Wong ] absichtlich in Brand gesetzt. In dem rasch ausbreitendem Feuer werden die Bestände ebenso zerstört wie die weiteren Arbeitnehmer getötet; aufgrund der Falschaussage von Pang Shi wird Shing wegen mehrfachen Mordes angeklagt und trotz seiner Anwältin Lam Siu-Chin [ Gillian Chung ] auch zur Hinrichtung geschleift. Doch dann kann er mithilfe vom Wärter Fong Lik [ Steven Cheung ] und des Vollstreckers Chun Bo [ Lo Meng ] fliehen.

Doch Beobachtungs- und Gedächtnistäuschungen sowie selektive Erinnerungen und umgeschlagene Bewusstseinszustände inclusive [Nah]Toderfahrungen treiben das Geschehen über einen klar nacherzählbaren Ablauf hinaus. Mehrere Zeit- und "Dimensions"Sprünge, des weiteren asiatische Mystik, buddhistischer Glaube, metaphysische Einschübe und konkurrierende Schicksalslinien heizen die sonst eher eingleisige Konfrontation zwischen den komplett unterschiedlich gesinnten Lau Shing und Pang Shi auch auf den Nebenszenerien gründlich an und weiten den eigentlich linienförmigen Film zu einem transzendenten, wenn auch nur begrifflich getarnten Doppelleben aus. Richtig Atmen und mit einem eigenen Herz schlagen tut das, was unter der Fassade steckt allerdings nie; dafür ist nicht nur das Schauspiel seltsam ungelenk, sondern auch die Anbiederung an das Massenpublikum und das Ausruhen auf der mechanischen Attrappe zu auffällig. Die Passivität des flachen, sichtlich aufs Stichwort hörenden Reagierens aller Beteiligten, die spürbare Ratlosigkeit gegenüber all dem zusammengeschmuggelten Material und das Ausweichen in Plottwists und die technische Effektschiene [ Brandanschlag, Krähenattacke, Rattenplage ] als Folge der Unsicherheit, Instinktlosigkeit und wohl auch Gleichgültigkeit einer nichts sagenden, nur aufs Solide abzielenden Illusionsindustrie.

Die Gemeinsamkeiten vom durchwachsenen 49 Days als Stippvisite, Nachspiel und Reprise zu den glorreichen Altbeständen der Gattung und der damit einhergehende Kontrast zu dem eher betrüblichen Hier und Jetzt geben der offensichtlich auch finanziell besser gestellten Produktion von Beginn weg eine arteigene, wenn auch sattsam flatterhafte, ausgesprochen kopflose Aura bei. Ein vererbtes Gedächtnis, mit der Idee für Mehr, aber noch ohne eigene Willens- und Triebbetätigungen. Eine Kunstempfängliche Konventionalität. Selten sah moderner Horror aus aktueller kantonesischer Schmiede derart edel gediegen und auch in visuellen Kleinigkeiten so schmuckvoll verziert aus, machte man sich diese Mühe mit der Herstellung einer schwärmerischen Residenz von Setting und des Füllens mit hypothetischer Schwermut, Sehnsucht, Seligkeit, Neid und Verachtung. Ein irritierend beseelter Schauplatz, ein umhegter Wallfahrtsort, der sich mal nicht in der üblichen asketischen Bühne ein und desselben Betonwohnblocks und entsprechender Klitschen ergeht, sondern tatsächlich mit Raumkonzept, Sinnesfreude und Schaffenskraft errichtet wurde.

Der idyllische Reiz der Bilder und ihre anfangs durchaus individuell wahrnehmbaren Emotionen, das Schaurig-Schön des Nervenkitzels, sind neben dem Personenüberschwang, der chronologischen Ausbreitung all der fadendünnen, aber wenigstens zeitweise engmaschigen Erzählstränge und ihrer Umgestaltung durch Wandel der Sichtweise und wechselndem Kontextbezug bis zuletzt die positiven Faktoren, mit denen der streng genommen unbedarft arbeitende Regisseur Lam Kin-Lung dennoch wuchern kann. Sein zweiter Regieeintrag nach dem höchstens B - lastigen Triadenflick The Warning Time [ 2000 ] vertraut aus gutem Grund der äußeren Erscheinung, macht doch gerade die zeitgenössische Faszination an Sensation und Attraktion sowie die publikumswirksame Besetzung mit gefragten Jungdarstellern den Film erst zum leidlichen Medienereignis. Öffentliche Showbusinesspräsentation. Hinterglasmalerei mit grell medialer Selbstdarstellung. Und folgerichtiger Aufmerksamkeit, wenn auch nur über die neonblinkende Oberfläche.
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Review: The Army [ 2004 ]

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Regisseur Kevin Chu Yen-ping ist mit seiner individuellen Charakteristik sicherlich Vieles; je nachdem, wie man seinem Werk gegenübersteht fallen die entsprechenden Attribute positiver oder doch eher nicht aus, wird geschwärmt oder wenigstens verziehen oder auf der anderen Seite gehetzt oder müde abgewunken. In einem sind sich allerdings Alle einig: Er ist kein Poet des Phantastischen. Kein Bildhauer, der das Duell der toten Seelen in den Irrgarten der Ausweglosigkeit verlagern und dort theaterwirksam Enge, Krisis, Not verbalisieren kann. Niemand, der auf der Suche nach fatalen Themen, sündigen Träumen, bitteren Reflexionen oder mörderischen Hirngespinsten ist, der die motivierte Lust auf Neugier oder Furcht mit sich führt, für seine Effizienz bekannt ist oder die Bereiche des Realen noch die des Imaginären überzeugend kontrollieren oder wenigstens ergründen kann.

Chu für einen Horrorfilm einzusetzen bedeutet neben einer Attraktivitätssteigerung auch eine schiere Unmöglichkeit, nicht mal bloß ein unnatürliches Wagnis mit erhöhtem Betreuungsbedarf, sondern ein Unding, ein frommer Wunsch, der das Endergebnis entweder zu einem eigentümlich behandelten Wunderwerk macht. Oder zu dem, was The Army letztlich darstellt.

Die Lagerfeuergeschichte selber baut sowohl auf der einschneidenden Methodik der Wiedergeburt mit religiösen idealen Gehalt als auch auf den ersten Dingen des Lebens auf, die der junge Mann beim Eintritt in die Welt der Erwachsenen vollziehen muss. Dem Wehrdienst, das Mann-Werden mit der Waffe in der Hand, wobei ihm neben allerlei Schießtraining und Laufen um den Block auch noch beigebracht wird, wie man außerhalb Hotel Mama das Bett richtig bezieht und den Kragen korrekt schließt. Eine seltsame Außenwelt, eine fast sektenhafte Abschottung, für die Meisten zeitlich begrenzt und mit absehbarem Ausgang, eine Erfahrung, die mehr mit Ritual als Magie zu tun hat und mehr mit Widerwillen als mit Faszination. Eine kuriose Abnormität, die Chu bereits ausführlich in Augenschein genommen hat, auf seine abwegig kürzertretende Art und Weise wohlgemerkt. A Home Too Far, End of the Road, Forever Friends spielen mehr oder weniger direkt allesamt in dem Milieu von Schlachtreden, Dienstgrad, Befehlskette, Befehl und Gehorsam sowie der historischen Bedeutung nationaler Begebenheiten der Vergangenheit und Gegenwart, dessen beherrschende Ordnungsrelation auch ausdrücklich im folgenden Fall Bestand hat und über mehrere Stationen im Film noch einmal erneut herauskristallisiert wird:

Taiwan. 1992. Frühling.
Vier sich einander wildfremde Männer haben das bescheidene Glück, während ihrer Rekrutenzeit alleine mit einem forschen, reichlich ungehobelten Ausbilder auf einer isolierten Insel ausgemustert zu werden. Nicht nur, dass der Fanatiker in Uniform sie bei der körperlichen Ertüchtigung ran nimmt und im Gegenzug mit seltsamer Ernährung in Form von Schlangen, Ratten und Fröschen abschreckt, auch stellt sich beizeiten heraus, dass das Atoll trotz Zauber des begrünten Lokalkolorits seit über sechzig Jahren verwunschen ist. Im Zweiten Weltkrieg als Exekutionscamp der Japaner benutzt, streifen die ungesühnten Toten durch die besudelten Hallen, darauf wartend, das Unrecht zu vergelten.

Das Unerklärliche, das Übernatürliche und die Gerüchte um diesen alten Fluch dienen dabei erst als Spiel im Spiele, später gar als Film im Film. Ein eigentlich legendäres Sujet, hier aber als kleinbürgerliche Kommißpostille, als kinematographische Improvisation voll falscher Finten und realer Magiertricks, die dem später tatsächlich herrschenden Schrecken vorher bereits die Aura des faulen Zaubers verabreichen. Verdrängungsmechanismen, ein Ausweichen in die gaukelnde Fiktion, um sich von dem Feind im Rücken [ Japan ] und dem, der stetig vor der eigenen Haustür steht [ China ], abzulenken. Um sich die Zeit alleine zu vertreiben, vor den Anderen als Wagemutiger hinzustellen und auch um die allgegenwärtige Beklemmung an diesem unheimlichen Ort in ein befreiendes Gelächter aufzulösen wird unter den Vieren als dramatische Vorstufe ein sich gegenseitig Überraschen und Überrumpeln betrieben. Als verschrobener Intrigenplan und eigenartige Rückkopplung die Doppelbödigkeit und Neuorganisation von Schein und Sein. Als immer wiederkehrendes, mehrfach variiertes Leitmotiv zwischen Kunst und Manipulation ein derart eifriges Dunstbild erschaffen, dass man bald und selbst in Situationen etwaiger Gefahr nicht mehr erkennen kann, was nun echt und Praxistest ist, was Sackgasse und was nicht. Plötzliche Stimmungsumschwünge, Ausbrüche fieberhafter Aktivitäten, extremes Misstrauen und dann die Abgestumpftheit und bitterer Zynismus aufgrund der unendlichen Mannigfaltigkeit von Scheinhandlungen und Täuschungsmanöver kennzeichnen schnell die Trümmer einer einstmals aufs Genaueste disziplinierten Atmosphäre. Hinzu kommen die alltäglichen Sinnlosigkeiten, Zank und derbe Späße der Pflichtjahre, die mangels konkreten Daseins auch die Darstellungsmittel der ohnehin schon labil schmalbrüstigen Regie restringieren.

Das stagnierend-verweilende Drehbuch selber baut auf einer wenig komplexen Netzwerkstruktur auf und ergeht sich statt der Konzentration auf den mystifizierten Rachegedanken im Reich der Dunkelheit zumeist im simplen und auch noch blutleeren Abklappern der wenigen vorhandenen und umso nüchternen Haltepunkte. Aufenthalts- und Schlafsaal, die Wache, die Latrine, das freie bzw. wildbewachsene Feld und der Strand als Begrenzung der reichen Naturumgebung. Außerdem der Gelass vom evil sergeant, ebenfalls einfachster architektonischer Anordnung. Und eine etwas abseits befindliche Behausung, die zwar von Weitem wie nach einem aus riesigen Stück Berg gehauenen Hochhaus ausschaut, aber beim Näherkommen ebenfalls bloß als schäbige Baracke entpuppt. Ein Teufelskreis.

Ähnlich wenig erbaulich ist der statuarische, seltsam unzusammenhängende und eher behäbig hin- und herpendelnde Fortgang zwischen diesen Etappen. Unzeitgemäß weitschweifig; eine wahllose Vermischung tragischer und komischer Elemente, die trotz der Stimmung des bedrohten Friedens und den üblichen Genrezutaten wie Wahnwesen, Todesbote, Vollmond, Mitternacht und Ouija-Brett weder physische Ausdrücke noch konkrete Expressivität oder anderweitig Virilität oder Virilität erreichen vermag. Stattdessen ein emotionsloser Gleichschritt Marsch im Tarnfleck, der neben einer seltsam dünnhäutigen Optik, einer recht verqueren Assoziationsmontage, aufdringlicher Effektbeleuchtung und der vorherrschenden Sprechhandlung samt Propagandaliedern im Hintergrund vor allem deswegen keinen nachdrücklichen Rhythmus erlangt, weil Chu auf Gedeih und Verderb kein Gespür für Timing dieser blockartigen Aneinanderreihung entwickelt.
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Review: Yes, I can see Dead People [ 04/01/2008]

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Grau und leer ist das Gebäude, wie ein riesiger gusseiserner Sarkophag, eine aufgebahrte Totenlade, aus einem groben Stück Stein gemeißelt und in schockierendem Frost erstarrt. Ein Wohnblock nur dem Namen nach, der selbst mit beschäftigten, ein- und ausgehenden und innerhalb der Familie miteinander oder den Nachbarn gegenüber kommunizierenden Mietern schon ein trauriges Fleckchen Erde wäre. Aber nun, da kaum noch Jemand in der Gegend wohnt, Niemand zu Besuch kommt und die Polizei samt Leichenwagen fast öfters anwesend ist als die eigentlichen Anwohner nur noch ein heimatlos verwinkeltes Grab am Rande der Gesellschaft darstellt.

Warum überhaupt noch Jemand in dieser einbalsamierten Gruft haust, in dieser betrüblichen suizidgeschwängerten Einöde im Hinterland, die auch bei seltenem Tageslicht mehr an einen Maschinenraum im Keller als eine Wohnstätte erinnert und ähnlich feucht warmen Brodem absondert, ist sicherlich ein Rätsel. Allerdings nicht die Frage, die sich das Regiedebüt von David Lee Kwong-Yiu stellt. Die Logik, die Wissenschaft und der Fortschritt spielen keine Rolle, in Sachen Erklärung wird der Verzicht gepredigt, die Form steht im Vordergrund, die aktive Raumauflösung als angsteinflößendes Motiv. Weniger ist bei Farbgestaltung und Lichtsetzung ebenso mehr, wie die absolute Hingabe an eine Welt des Übernatürlichen verlangt wird und erforderlich ist. Der schiere Aberglaube steht im Mittelpunkt des Geschehens, ein robuster Zugriff des Bösen, ein auswegloser Kampf zwischen dem Okkultismus, dem Mystizismus, dem Spiritismus, der Besessenheit, dem Exorzismus, zwischen der Vorsehung und dem Schicksal, der Rettung und dem Verderben. Zwischen der menschlichen Seele gegen die beseelte Natur. Grusel im klassischen Sinn, neu aufbereitet.

Das Drehbuch als pechschwarze Karma-Soap mit stark begrenzten Personal und einer narrativen Prädestination, die den eigentlichen Erstauftritt schnell und unvermeidlich in Richtung fatalistischer Endabsicht schiebt. Besonders das Setting kommt Einem mehr als bekannt vor; ist sicherlich möglich, dass es nicht exakt derselbe Dreh- und Angelpunkt wie bei sowohl Dating a Vampire [ 2006 ] als auch House of the Invisibles [ 2007 ] ist, aber das verschachtelte Häuserviertel trägt genau das entsprechend gleichartige Totenhemd. Ein ähnlich schwach bevölkerter Gebäudekomplex, nicht näher definiert, nur mit einer kränklich grünen Lichtquelle der Taschenlampe gespeist, mit den gleichen Materialisierungs- und Destabilisierungphänomenen heimgesucht und auch den identischen Bewusstseinsspaltungen versetzt.

Nun ist das kantonesische Kino besonders in Sachen Horror ein Meister der Selbstbeschränkung. Eine kleinmütig konservative post mortem - Show, für die das fortdauernde Zitieren und somit Repetieren ebendieser Eigenschaften für alle Ewigkeit eine unumstößliche Gültigkeit hat und so immer wieder die gleiche chronisch unterernährte Materie durchquert. Bahnbrechende Innovationen darf man von einem augenscheinlich recht kleinen, weitgehend mit unbekannten Namen ausstaffierten und mit wenig Aussicht auf Erfolg platzierten Produkt möglicherweise auch gar nicht erwarten:

Der junge, sich als Kellner mehr schlecht als recht durchs Leben schlagende und weitgehend in den Tag hineinschlurrende Wah Koon-nam [ Steven Cheung ] hat ein Problem. Er kann Tote sehen, mit ihren unruhigen Geistern kommunizieren. Nicht nur deswegen fällt es ihm schwer, sich in seiner eigenen Realität zurechtzufinden, oder wenigstens mit der hübschen Stewardess von Nebenan, Mei Chee [ Kathy Yuen ] ein Gespräch und Mehr zustande zu kriegen. Nams Bruder Tung [ Kris Gu Yu ] dagegen hat zwar eine florierende Beziehung mit der attraktiven Modeverkäuferin Charlie [ Mandy Chiang ], kehrt nach einem gemeinsamen Wochenendausflug allerdings schwer verstört zurück. Durch eine geheimnisvolle antike Dollarnote hat die schwarze Magie von ihm Besitz ergriffen und weitet ihren unheilvollen Sog rasch auf die nächste Umgebung aus. Während Nams Eltern [ Amy Chum und Sun Limin ] dem folgenden Verderb weitgehend ratlos gegenüberstehen, weiß der Hauswart Fuk [ Lau Kong ] umso mehr Bescheid.

Abgesehen davon, dass der hiesige Vertreter nicht nur seine beiden "Vorgänger" samt allgemein gültigem Handlungsgebot ohne weitere Probleme in die Tasche steckt, und auch sonst die letztjährig aktuellen Kollegen wie Haunted School oder Naraka 19 weitgehend mühelos auf die hinteren Plätze verschiebt – was anerkennenswert, aber auch so die Kunst nicht ist: Auch hier wird beizeiten deutlich, warum gerade die Trilogieform in diesem Genre so populär ist. Für eine diesbezüglich ratifizierte Troublesome Night Episode mit 30min Länge wäre das sinistre Ausgangsmaterial im Spiel mit Wissen und Erwartung vielleicht nicht gleich vorzüglich, aber mutmaßlich besser geeignet als für einen abendfüllenden Spielfilm. Zwar kann Neuling Lee mit einem schräg humoristischen bis zynischen Einschlag zu Beginn, einer korrespondierenden Portion Erschütterung, Erschrecken, Entsetzen, und einer wenigstens konsequent urwüchsigen, fast rustikalen Regie samt tatsächlich schöpferischen Bewusstsein aufwarten.

Anders als die Figuren im Film vermag man den Zuschauer selber allerdings bei weitem nicht in die unnahbare Sphäre des Anderen, des feindselig Nebulösen, des beklemmend Unerklärlichen einbeziehen und trotz intensiviertem Schauerambiente auch keine dämonische Indolenzzone von Wach und Traum und Verfall und Zerlegung formulieren. Der sich bemühende Schritt in die richtige Richtung von schleichendem Grauen samt der aufhebenden Distanz und latent vorhandenen Poesie bleibt in einer auf Dauer eintönig faden Halbdunkelwelt-Optik, dem üblich expressiven Sounddesign, einer bald ermüdenden Blitz-und-Donner Dramaturgie und ganz allgemein auch der gängigen Ikonographie des Genres hängen, ohne eine eigenständige Vision beschwören zu können. Es wäre gerne Dorm, ist aber trotz manch dezenten Zwischentönen nur ein monoton nebelwallender Kunstkosmos mit unbedeutender Tiefenpsychologie, schmalem Innenleben und dem Ausbleiben anderweitiger Subtilität.

Die wahrhaft gespenstische Aura speist sich in knappen Einzelmomenten aus ausgerechnet alten Erinnerungen; nicht aus dem Umherirren in möglichst abbruchreifen, leer gefegten, bis auf den Mondschein stockfinsteren Orten nahe Verrottung und Verwesung, sondern der kompositorisch geschickten Mahnung an alltäglich vorstellbaren Ereignissen. Da sich die Aufklärung bezüglich des Fluchs, seiner Ursächlichkeit und seiner Auswirkungen ein wenig verstockt verhält und man lange Zeit entweder immer nur dasselbe, aber nie wirklich etwas Genaueres erzählt, halten zwei unselige Vorkommnisse als Anhaltspunkte der aufgelösten Panik her. Der verheerende Amoklauf eines Geistig Behinderten in dem einstmals blühenden Milieu. Und ein fürchterlicher Busunfall, der fast einer gesamten Grundschulklasse das Leben gekostet hat. Hier vollzieht sich nicht der Übertritt von der realen Welt in die phantastische als Schock, sondern umgekehrt, im Aufbrechen verdrängter Erfahrungen und der direkten, mal eben nicht sublimen Konfrontation mit Schuld und Sühne.
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Montag, 18. Februar 2008

Review: A Bloody Fight [ 12/05/1988 ]

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Relativ ruhiges, mit kleinen Mitteln erzähltes Killerdrama um die formelle Selbständigkeit der individuellen Besonderheiten, die Zufälligkeiten von Absicht, Vorhaben und Bestimmung, dem Begriff und der Wiederherstellung der Ehre sowie der Kollision von Freundschaft und Gerechtigkeit. Wie so oft im Genre, deren Drehbücher geradezu von einer verschworenen Denkkollektive verfasst werden, geht es um die Bestandsprobe einstmals festgelegter Werte, um das Infragestellen eigentlich als bekannt und allgemeingültig gehaltenen Tugenden und Bindungen, die allerdings wie alles im Leben ihr eigenes Ablaufdatum ohne die entsprechende Garantie auf ewige Gültigkeit besitzen. Eine Selbständigkeit der subjektiven Eigenwilligkeit, die sich auch im großen Wechsel äußerer Umstände bewähren muss.

Die Konfrontation von Polizist auf der einen Seite mit seinem ehemals besten Freund, der nunmehr natürlich auf der falschen Ordnung, der des Verbrechertum steht, ist dabei die mit am striktesten durchgezogene Prüfungssituation. You're the cop, I'm the murderer. We're opposites. Schon von Berufswegen ein absoluter Fauxpas, eine Verschiebung der Barrikaden und nur noch überboten durch den Entscheid zwischen Kameradschaft / Brüderschaft und Liebe sowie Freundschaft und Familie, die ebenso oft unter die Analyse von Mannigfaltigkeit und Gradation der Empfindung und Leidenschaft gezogen werden. Welchen Weg wählt man, wenn man vor die Wahl gestellt wird, an wem hängt man mehr, vertraut man mehr, schuldet man mehr und wen gibt man schweren Herzens im Gegenzug auf. Das schmerzhafte Aufsuchen des eigenen Ich. Hier wie so oft eine dramaturgische Frage, die mit ausgeprägt herausgehobener Emotionalität, manchen nachdrucksvollen Besinnlichkeiten und unmissverständlich hervor scheinenden Problemen betrachtet, in der Gegenüberstellung gesteigert und letztlich zur finalen Auseinandersetzung gerufen wird; auch wenn hiesig in der eher besonnenen Durchsetzung ohne Innovationsimpuls, Zuspitzungen oder Wendungen nicht einmal ein richtiger Showdown spendiert wird:

Chui Keung [ Norman Chu ] arbeitet seit mehreren Jahren als Auftragsmörder für einen international assassin club, möchte allerdings nach dem Verschulden eines unabsichtlichen Todes an einer Unbeteiligten den Job niederlegen und sich mehr um seine Frau [ Wong Aau ] und den gemeinsamen Sohn kümmern. Sein Ziehvater und Lehrmeister Leung [ Liu Chia-Liang ] unterstützt ihn bei diesem Vorhaben und legt auch ein gutes Wort bei den Führern der Association, Mr. Cho [ Chu Yuan ] und Wai [ Shum Wai ] ein. Kann allerdings nicht verhindern, dass Chui Keung dennoch auf die hausinterne Abschussliste gesetzt und dessen Familie bereits beseitigt wird. Nun hat dieser nur noch seinen alten Freund Lau Fai [ Gordon Liu ] und dessen Schwester Little Lau [ Ngai Lau-loh ]; allerdings ist Fai mittlerweile Inspector bei der Polizei und längst unbewusst hinter Chui Keung her, da dieser als letzte Mission Fung Yan Chak [ Fung Hak On ], einen Kronzeugen der Staatsanwaltschaft zum Schweigen gebracht hat.

Wie auch im nachjährigen Abkömmling A Fiery Family liegt das Hauptaugenmerk in der Besetzung eindeutig mehr auf altgediente, honorig rechtschaffene, noch einmal aufs neue motivierte Recken statt dem gegebenenfalls fälligen Popstarcasting Marke Andy Lau und Co., die sonst jeden anderen Bloodshed mit ihrer Anwesenheit beehren. Demgemäß glaubhafter wirkt sich neben dem ungewohnt hohen Martial Arts Anteil auch das häufig vorkommende Herbeisehnen der eigentlich längst geschehenen, aber innerlich noch nicht abgeschlossenen, da als verklärt hingestellten Vergangenheit aus. Das schon zeremoniöse stay in the past Verhalten führt hierbei öfters zu kurzen, aber umso beklommenen Zügen vielleicht nicht gramgebeugter, aber doch geknickter Rückbesinnung von Anschauungen und Zwecken, denen die jetzt ablaufende Gegenwart nichts mehr entspricht. [Kurz vor Ablauf der realen Karriere und angesichts der nicht länger zu trotzenden Alterserscheinungen der wortkargen Beteiligten durchaus eine Überschneidung von Kunst und Realität, auch wenn die psychologischen Aspekte der Schein-Sein-Problematik und das entsprechend bittere Erkennen der Wahrheit nicht im diskret betrachtenden Blick verschärft werden.]

Eine Verifizierung archetypischer Gattungsvorstellungen, ein wenig schnöde, ein wenig sanft verstiegen. Souverän, aber mit zögerlich verhaltener Gemütserweichung. Der einzige Schritt überhaupt in die Zukunft hinein ist der kurze Traum vom holden Glück, den Chui Keung nach seinem Ausstieg mit seinen Liebsten auf dem Lande feiert: Eine vermeintlich einfühlend wahrnehmbare Montage des Zustands der Willensbefriedigung, die den Zuschauer allerdings niemals verführen, sondern höchstens vorführen kann. Bis die längst platzierte Autobombe das friedliche Paradies der ach so unschuldigen, offensichtlich nur suggerierten Idylle zerreißt.

Das Wissen, dass nichts mehr so sein wird wie früher, der Schritt in die Bedürfnislosigkeit, in die Hypomelancholie, dem Wahn eigener Verschuldung aufgrund der Lebenslügen und der Verworfenheit stellen statt dem üblich antreibenden Fortgang in distanzierter Reflexion die wesentlichsten und auch die am gescheitest heraus skizzierten Merkmale der abwartenden Erzählführung bar Affront, Schock und Exzess dar. Profitieren tut man darüber hinaus von der überaus klaren Situationsdeutung, dem Mangel an moralischer Belehrung, den konventionell gehaltenen und damit verständlichen Szenentypen und der wenig affektierten Diktion mit Raum für längeres Nachdenken, auch wenn derlei Einfälle bereits damals schon zum Schema verkommen waren.

Leider tritt sich der sonstig durchaus gekonnt taktierende, geradezu in der universellen Allseitigkeit zwischen unpersönlicher Vielseitigkeit und standardisierter Vorschrift herum lavierende Film einige Male selber auf die Füße; nicht so sehr materiell als vielmehr formal. Der Zahn der Zeit hat nicht nur an den gar fürchterlichen Kleidungen und Frisuren eigentlich sämtlicher Darsteller genagt, auch das mehrfache Anspielen einer chinesischen Covervariante von Europes one-hit wonder "Final Countdown" stellt die Nackenhaare besonders auf.
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